[Industrials & Automotive-Information vom 17. Februar 2021] Die Corona-Pandemie sorgt auch in der Baubranche für Unruhe. Im Jahr 2020 sank das Bauvolumen in Europa laut Euroconstruct um ca. 7,8 %. Dabei fiel der Rückgang regional stark unterschiedlich aus. Während Deutschland und einige Nachbarländer wie Österreich, Dänemark und die Schweiz mit Rückgängen unter 3 % bisher relativ gut durch die Krise gekommen sind, ist die Bauwirtschaft in Ländern wie Spanien, Frankreich oder dem Vereinigten Königreich hart getroffen worden. Hier sind für das vergangene Jahr Rückgänge des Bauvolumens von -15 % bis -17 % zu verzeichnen. Für 2021 erwartet die IKB in fast allen europäischen Ländern positive Wachstumsraten , insgesamt rechnen wir mit einem Anstieg des Bauvolumens um ca. 4 %. Das Wachstum in den nachfolgenden Jahren wird geringer ausfallen. Die osteuropäischen Länder werden sich am schnellsten erholen, aufgrund von Aufholeffekten durch nötige Modernisierungsmaßnahmen in Wohnungsbau und Infrastruktur. Für Deutschland prognostizieren wir in den nächsten Jahren ein Nullwachstum . Die Wachstumsraten in den einzelnen Bausparten werden jedoch unterschiedlich ausfallen.
Wohnungsbau als Motor der Baubranche
Der Wohnungsbau ist schon seit Jahren der Motor der deutschen Bauwirtschaft. Der Wunsch vieler Menschen in der Stadt zu leben, sorgt für immer größere Nachfrage nach Wohnraum auf begrenzter Grundfläche. Deshalb stiegen insbesondere die Baugenehmigungen für Mehrfamilienhäusern in den letzten Jahren besonders stark an. Auch die Zahl der fertiggestellten Wohnungen steigt seit 2017 an. Die Baugenehmigungen übersteigen allerdings die Zahl der fertiggestellten Wohnungen. Grund dafür sind fehlende Bau- und Handwerkskapazitäten, vor allem im Ausbaugewerbe. Die Pandemie wird die Nachfrage nach Wohnungen kaum beeinflussen. Von Januar bis November 2020 sind ca. 4 % mehr Wohnungen genehmigt worden als im selben Zeitraum 2019. Die zunehmende Zahl an Baugenehmigungen – auch während Corona – ist ein Indikator für eine weiterhin gute Auftragslage im Wohnungsbau.
Dem Gewerbebau geht die Puste aus
Anders sieht die Entwicklung im Gewerbebau aus. Die Pandemie wird dieses Segment am härtesten treffen. Die Umsatzeinbußen, die Unternehmen während der Pandemie hinnehmen mussten, werden sich in den nächsten Jahren in geringer Investitionsbereitschaft widerspiegeln. Die heute noch vollen Auftragsbücher für gewerbliche Bauprojekte werden in den nächsten Jahren dünner werden und das Auftragsvolumen der Baubetriebe schrumpfen lassen. Dieser Trend könnte durch strukturelle Veränderungen verstärkt werden, welche die Corona-Pandemie beschleunigt hat. Homeoffice, digitale Meetings und Online-Kundentermine werden auch nach Ende der Pandemie von Bedeutung sein und sich negativ auf den Bedarf an Büroflächen oder Hotelaufenthalten auswirken.
Andererseits ist ein persönlicher Kontakt in vielen Lebensbereichen essenziell. Urlaube oder Restaurantbesuche gehören für viele Menschen zur Freizeitgestaltung dazu. Der Wunsch, sich persönlich mit Kollegen im Büro auszutauschen und Restaurants oder Hotels zu besuchen, wird nach Ende der Pandemie groß sein. Dies könnte ein kleiner positiver Impuls in einer negativen Gesamtentwicklung sein. Für den Bau von Hotelgebäuden wird entscheidend sein, wie viele Hotels nach der Pandemie noch vorhanden und solvent sein werden. Der Bau von Logistikgebäuden und Lagerflächen könnte den gewerblichen Bau hingegen stützen, da es in vielen Wirtschaftszweigen zu einer Verlagerung in das Online- und Versandgeschäft gekommen ist.
Sina Lutter ist Analystin im Sektorteam Industrials, Mobility & Construction der IKB. Sie ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank und betreut schwerpunktmäßig die Baubranche und deren Zulieferer. Nach dem Master of Science in Betriebswirtschaftslehre an der Universität Düsseldorf stieß sie 2020 zur IKB.
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