[Kapitalmarkt-News vom 4. September 2019]

Bundrenditen signalisieren Zweifel an der nachhaltigen Effektivität der EZB

Das aktuelle Niveau von -0,7 % bei 10-jährigen Bundrenditen signalisiert eine klare Erwartungshaltung: Die EZB wird nicht nur in ihrer nächsten Sitzung in der kommenden Woche eine weitere Lockerung vornehmen, sie wird auch in den kommenden Jahren kaum die Möglichkeiten haben, die Zinsen nennenswert anzuheben. Eine erfolgreiche Geldpolitik würde eigentlich etwas anderes erwarten lassen. Schließlich dienen geldpolitische Anstrengen dazu, die wirtschaftliche Entwicklung zumindest mittelfristig dahingehend zu beeinflussen, dass Inflation und Wachstum der Notenbank Raum für eine symmetrische Zinspolitik eröffnen. Und fast wäre die EZB in diesem Jahr soweit gewesen. Nach fünf Jahren wirtschaftlichen Aufschwungs und einer Staatsschuldenquote der Euro-Zone, die durch BIP-Wachstum und Senkung der Zinslast als tragbar anzusehen ist, schien eine Zinswende möglich zu sein. Doch die Konjunktur erweist sich als zu fragil und zu wenig widerstandsfähig für steigende Zinsen. Nun steht die EZB vor weiteren geldpolitischen Lockerungen anstelle einer Straffung.

… während Volkswirte Kritik an „Zuviel des Guten“ äußern 

Die EZB steht am Vorabend einer weiteren geldpolitischen Lockerung wieder einmal in der Kritik, eine unangebrachte und destabilisierende Geldpolitik zu betreiben. Die Argumente sind vielfältig, allerdings beruhen sie auf einem Grundgedanken: Die Notenbank habe ihre geldpolitische Effektivität schon lange überreizt und verloren. Sie könne durch weitere Maßnahmen nur noch begrenzt wirken – mit zunehmend negativen Nebeneffekten. Grundsätzlich verursacht die Notenbank durch ihre Politik bedeutende Verteilungseffekte: Vermögende mit Zugang zum Immobilien- und Kapitalmarkt sind die Gewinner, untere Vermögenschichten und klassische Sparer die Verlierer. Hier ist allerdings der Staat gefordert – und nicht die Notenbank. Schließlich ist der Staat einer der größten Gewinner der EZB-Politik, zumindest was die Zinslast angeht.

Als weitere Nebenwirkung wird oftmals festgestellt, werde die Wirtschaft zunehmend abhängig von niedrigen Zinsen. Dies mag insbesondere für Zombiefirmen gelten, aber auch für den Aktienmarkt. Es wird argumentiert, Unternehmen könnten aufgrund der Fehlallokation von Kapital und niedrigen realwirtschaftlichen Renditen nur in einem Niedrigzinsumfeld überleben. Ebenso wie steigende Schuldenquoten strukturell niedrigere Zinsen benötigen. Das weiterhin eher überschaubare Geldmengenwachstum in der Euro-Zone entschärft jedoch beide Argumente. Denn trotz der negativen Zinsen ist die effektive Geldpolitik in der Euro-Zone nicht außerordentlich expansiv: Es existiert weder eine exzessive Geldmengenausweitung, noch eine überzogen hohe Investitionsdynamik. Auch hat die Zinspolitik maßgeblich zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit und Senkung der Staatsschuldenquote geführt, was der Fiskalpolitik Spielraum gibt und somit die Abhängigkeit der Konjunktur von niedrigen Zinsen eher reduziert. 

Glaubwürdigkeit benötigt Handlungsspielraum sowie weitere geldpolitische Maßnahmen

Die EZB muss zunehmend auf unerwünschte Nebenwirkungen reagieren. Denn Sorgen über Ineffizienz und Nebenwirkungen der Geldpolitik belasten ihre Glaubwürdigkeit. Aus diesem Grund wird eine Staffelung der Zinsen womöglich unausweichlich werden. Denn nur mit einer Dämpfung der negativen Effekte für das Bankensystem kann sie glaubwürdig vermitteln, wenn nötig, weitere Zinssenkungen bis tief in den negativen Bereich einzuführen. Doch wie aktiv die Geldpolitik sein sollte, ist ein viel diskutiertes Thema. Während Milton Friedman schon vor langer Zeit für verbindliche Regeln in der Geldpolitik plädierte, , sehen andere Volkswirte die Notenbank in der Pflicht, die Wirtschaft in schwachen Konjunkturphasen notfalls kurzfristig zu stützen. Doch selbst bei verbindlichen Regeln würde die Geldpolitik derzeit nicht bedeutend anders agieren können. Denn für die angestrebte Inflationsrate wäre eine nachhaltig höhere Geldmengenausweitung notwendig, als dies aktuell der Fall ist. Und auch wenn sich am aktuellen Rand eine Beschleunigung des Geldwachstums zeigt, bestehen angesichts von US-Handelsstreit, Brexit sowie einer grundsätzlich schwachen globalen Konjunktur nennenswerte Risiken für Wachstum und Inflation.

Auch bei einer festen Geldmengenregel bliebe der Notenbank aktuell nichts anderes übrig, als durch Zinssenkungen und überschüssige Liquidität im Bankensystem die Geldmengenausweitung voranzutreiben. Das Argument, es könne nicht die Aufgabe der Notenbank sein, die Wirtschaft anhaltend durch „billiges“ Geld zu stützen, ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar, aber angesichts der schwachen Geldmengendynamik nicht angebracht. Auch das Argument, es müsse eine Abkehr von der ultra-lockeren Geldpolitik stattfinden, damit die Zinsen wieder auf ein neutrales Niveau kommen können, ist nicht schlüssig. Ein Zinsanstieg würde sich negativ auf die Geldmengenausweitung auswirken, was perspektivisch eher zu niedrigeren als zu höheren Zinsen führt. Die Zinskurve würde sich deutlich umkehren, da die Renditemärkte zu Recht die Nachhaltigkeit solch eines Zinsanstiegs anzweifeln würden. Somit ist die EZB gut beraten, weiterhin entscheidend zu handeln, um perspektivisch Raum für Zinsanhebungen zu gewinnen und eine steilere Zinskurve hinzubekommen. Werden die Märkte hingegen enttäuscht, ergäbe sich – nach der ersten Reaktion – nicht unbedingt ein Anstieg, sondern womöglich wären am langen Ende weitere Senkungen und damit eine deutlich absteigende Zinskurve die Folge.

Mit der Betonung eines ausgeglichenen Inflationsziels versucht die EZB bereits aktuell, Erwartungen von Zinsanstiegen in die Zukunft zu schieben und die Bedeutung aktueller Abweichungen zu relativieren. Grundsätzlich liegt bei einem Inflationsziel die Betonung auf der mittelfristige Zielerreichung, da die Geldpolitik nur indirekt wirken kann. Ziel ist es, Inflationserwartungen um eine langfristig gültige Zielgröße zu verankern und somit die Volatilität der Inflationsrate zu senken bzw. die Effektivität der Geldpolitik zu erhöhen. Damit dies gelingt, muss das Ziel nicht nur verständlich sein, es muss auch klar sein, wie und ob die Notenbank dieses Ziel beeinflussen und erreichen kann. Schließlich kann eine Notenbank nur den Preis des Geldes bzw. ihre Bilanzgröße direkt beeinflussen. Die Anwendung von Inflationszielen ist dann erfolgreich, wenn diese sich in den Erwartungen der Märkte spiegeln, was wiederum die Glaubwürdigkeit der Notenbank erhöht. Die Glaubwürdigkeit einer Notenbank resultiert also aus der nachhaltigen Zielerreichung bzw. dem Verlauf der Inflationsrate innerhalb der vorgegebenen Bandbreite. Aus dieser Sicht hat die EZB wenig Spielraum, ihre geldpolitische Ausrichtung weniger expansiv zu gestalten. Im Gegenteil, angesichts des aktuellen Inflationsverlaufs sind weitere Maßnahmen notwendig, um glaubwürdig zu vermitteln, dass das Inflationsziel weiterhin eine entscheidende Relevanz für die Ausrichtung der EZB hat.

Fazit:

Aktuelle Bundrenditen und die inverse Zinskurve geben die Einschätzung der Märkte wieder, dass die EZB auch langfristig ihr geldpolitisches Ziel verfehlen wird und dementsprechend mehr agieren muss. Gleichzeitig steht die Notenbank bei vielen Volkswirten in der Kritik, zu lange zu viel getan zu haben. Effektivität und Glaubwürdigkeit der EZB werden zudem durch Zweifel am ihr noch verbleibenden Handlungsspielraum belastet.

Die Lösung liegt jedoch weniger in einer Neuorientierung in Form eines neutraleren Zinssatzes oder einer weniger aktiven Notenbankpolitik. Im Gegenteil: Nötig ist ein weiterer Schub an geldpolitischen Maßnahmen, um das Geldmengenwachstum mit dem langfristigen Inflationsziel zu vereinen.

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