[Consumer & Retail-Information vom 10. Januar 2019] Blickt man ein Jahr zurück, waren die Erwartungen im Vorfeld der Internationalen Möbelmesse imm in Köln durchaus positiv. Aber dann? Das Verkaufsvolumen im Möbelhandel war gering, Aufträge für die Wohnmöbelindustrie im Inland blieben aus und der „Alno-Effekt“ in der Küchenmöbelindustrie endete. Dem für die Möbelnachfrage zu heißen Sommer folgte zudem kein goldener Umsatzherbst. Dabei waren die Rahmendaten 2018 – Wohnungsfertigstellungen, Beschäftigungsniveau, günstige Zinsen – nicht schlecht. Und trotzdem wird das vergangene Jahr insgesamt nicht als gutes in die Branchenstatistik eingehen.

Wie steht es um 2019? Von der Konjunktur ist kein weiterer Rückenwind zu erwarten, der private Konsum bleibt stabil, aber das Risiko konjunktureller Gewitterwolken steigt deutlich. Mit dem Blick in den Rückspiegel auf 2018 fahren entsprechend viele Branchenvertreter mit gemischten Gefühlen zur diesjährigen imm nach Köln. Die Entwicklung bei Wohnmöbeln und Küchen verläuft dabei durchaus unterschiedlich.

Wohnmöbel mit Minus im In- und Ausland

Noch liegen keine endgültigen Jahreszahlen vor, aber die aufgelaufenen Industrieumsätze im Inland bis Oktober 2018 weisen im Vergleich zum Vorjahr ein zum Teil deutliches Minus bei Wohnmöbeln auf, etwa -6,4 % bei Polstermöbeln. Die Signale aus dem Möbelhandel zum Absatz im letzten Quartal deuten in die gleiche Richtung. 2018 war der Inlandsmarkt für Wohnmöbel rückläufig.

Marktvolumen zu EVP in Mio. € und Veränderung ggü. Vj.

Die Rückgänge polnischer Ausfuhren von Wohn-, Ess- und Schlafzimmermöbeln nach Deutschland waren 2018 ein weiteres Indiz für die Schwäche des Inlandsmarktes. Sie verzeichneten von Januar bis September ein Minus von 8,4 % im Vergleich zum Vorjahr. Der Export in die wichtigsten Abnehmerländer weist gleichzeitig ebenfalls einen Rückgang auf. Hier wird die deutsche Möbelindustrie 2019 vermehrt auf osteuropäische Konkurrenz treffen.

Die Insolvenzen von Wellemöbel, Ewald Schillig und CS Schmal im Verlauf des letzten Jahres sind Beispiele für die aktuell schwierige Situation der Branche. Zur Nachfrageschwäche kommen strukturelle Probleme hinzu. So scheint die Produktion von Polstermöbeln mit der im Branchen-vergleich höchsten Personalkostenquote nur noch in Einzelfällen im Inland rentabel darstellbar zu sein.

Auf der andere Seite sehen wir die erfolgreiche buy-and-build-Strategie von Vivonio Furniture, die strategischen Zukäufe von Loddenkemper und Femira durch Wiemann oder die geplanten Investitionen zur Optimierung der Produktionsstruktur der Rauch Möbelwerke.

Zudem bieten Büromöbelhersteller zunehmend auch Wohnmöbel an, wie das erweiterte Produktangebot im Segment Soft Seating auf der Orgatec 2018 gezeigt hat oder die bereits seit Längerem etablierte Wohnkollektion der Dauphin-Gruppe. Die Bemühungen von Interstuhl zur Akquisition von Rolf Benz Anfang des letzten Jahres unterstreichen ebenfalls das nachhaltige Interesse an einer strategischen Verbreiterung des Marktantritts.

Insgesamt wird das Jahr 2019 herausfordernd für die deutsche Wohnmöbelindustrie sowohl im Inland, wo wir einen Rückgang des Marktvolumens (ohne Bad-, Garten-, Kleinmöbel) um rund 2 bis 3 % gegenüber Vorjahr sehen, wie auch im Ausland. Die Kombination aus zunehmend schwierigeren konjunkturellen Rahmenbedingungen und strukturellen Herausforderungen bedingen die Konzentration auf nachhaltige unternehmerische Stärken sowie gleichzeitig die Notwendigkeit, den Marktantritt zu überdenken und neue Wege zum (End)Kunden zu finden.

Küchenmöbel: der Auslandsumsatz wächst und Importdruck ist zum Glück kein Thema

Bei weiterhin vernachlässigbarem Import mit einem Volumen von rd.100 Mio. € bleibt der deutsche Küchenmarkt dominiert von den auch europaweit führenden inländischen Herstellern. Durch ein kräftiges Umsatzplus im Ausland (+8,4 % bis Oktober 2018) und einer Exportquote von ca. 40 % werden die deutschen Küchenmöbelhersteller auch 2018 mit einem Umsatzanstieg abschließen.

Der Markt ist in Bewegung und auch ausländische Investoren spielen eine Rolle. Nachdem Branchenführer Nobilia im Herbst 2017 Pino Küchen von Alno übernommen hatte, folgte im Sommer 2018 die Akquisition von Impuls (Küche) und Puris (Bad) von Steinhoff durch Investoren um die Schüller Möbelwerk KG. Ende 2017 stieg die chinesische Nison Group bei Siematic ein und später fand Störmer Küchen mit Investor Partners einen neuen Gesellschafter. Brigitte Küchen wiederum befindet sich in einem Restrukturierungsprozess und Poggenpohl – Anfang 2017 vom Finanzinvestor ADCURAM übernommen – ordnete im August 2018 Kurzarbeit an, gefolgt von Kündigungen zum Jahresende. Die neue Alno GmbH hat Ende Februar 2018 die Produktion wieder aufgenommen, allerdings jüngst angekündigt, dass schwarze Zahlen nicht vor 2020 zu erwarten sind. ‎

Der Blick nach Vorne? Wir gehen davon aus, dass der inländische Küchenmarkt 2019 um rund 2% rückläufig sein wird. Auch 2020 erwarten wir einen Rückgang. Bezogen auf wichtige Exportmärkte fällt eine Prognose wegen der zunehmenden konjunkturellen Unsicherheiten derzeit ausgesprochen schwer. Im Zweifel sollte sich die Branche darauf einstellen, dass die Dynamik der Auslandsnachfrage nachlässt.

Vor diesem Hintergrund sind die angelaufenen bzw. projektierten Großinvestitionen der Nobilia-Werke, von Häcker Küchen sowie der Schüller Möbelwerk KG zu bewerten. Hinzu kommen etwa die bereits erfolgten Modernisierungen bzw. Erweiterungen von Nolte Küchen in Melle oder der Baumann Group in Burg. Bei kompletter Umsetzung aller Investitionen wird sich die Produktionskapazität der deutschen Küchenmöbelindustrie in den kommenden Jahren um schätzungsweise 20 bis 25 % erhöhen. Diese Mehrkapazität wird sich ihre Nachfrage im In- und Ausland suchen. Auf jeden Fall wird sich der Wettbewerbsdruck in der Branche erhöhen.

Handelsebene vor der Herausforderung einer Neuausrichtung

Auf Distributionsebene werden nach unserer Einschätzung drei wesentliche Treiber die Möbel- und Einrichtungsbranche 2019 beeinflussen:

  • Zum einen erwarten wir eine ungebremste Fortsetzung des Konzentrationsprozesses im stationären Handel, mit Krieger und XXXLutz an der Spitze. Zudem wird IKEA seine Expansion mit angepasstem Flächenkonzept fortsetzen und seinen Marktanteil von mittlerweile >20% weiter ausbauen. Einzelhäuser und kleinere Filialisten werden bestehenden Investitionsbedarf, etwa in die notwendige Digitalisierung, aufgrund fehlender Finanzkraft in vielen Fällen nicht stemmen können und somit weiter an Boden verlieren oder aufgeben müssen. Auch auf Ebene der Einkaufsverbände dürften sich die Diskussionen um weitere Zusammenschlüsse halten.
  • Zweitens wird der Online-Anteil am Möbelabsatz auch in diesem Jahr stark zulegen. „Wohnen und Einrichten“ zählt zu den schnellst wachsenden Segmenten im E-Commerce. Das Wachstum alleine im 3. Quartal 2018 betrug im Vergleich zum Vorjahr 18 %. Bei Wohnmöbeln und Küchen liegt der Online-Verkaufsanteil aktuell bei ca. 9 %; er wird nach Prognose des IFH Köln im Jahr 2022 auf mehr als 15 % wachsen. Mit der Otto Group und amazon befinden sich bereits zwei Onliner unter den Top10 im Ranking des Möbelhandels sowie mit küchenquelle/Kiveda ein Player mit Online-DNA auf Rang 11 der führenden deutschen Küchenhändler. Home24 hat 2018 nach eigener Einschätzung mit einem Umsatzplus von rund 20 % gegenüber 2017 abgeschlossen und DeinSchrank.de zeigt erfolgreich, wie Möbel nach Maß durch den Kunden selbst konfiguriert werden können.
  • Drittens werden Großflächenkonzepte zunehmend in Frage zu stellen sein. Das aktuell bereits rückläufige Flächenwachstum wird vor dem Hintergrund steigender Online-Anteile anhalten und zum Teil bereits projektierte Bauvorhaben werden in ihrer Dimension teilweise merklich reduziert. Die Frage der Zukunftsfähigkeit von Verkaufsflächen in einer Größenordnung von 35.000 – 40.000 m² oder sogar mehr stellt sich zunehmend weniger und nur noch in wirklichen Ausnahmefällen. Im Gegenzug steigt der Bedarf an E-Commerce-Logistikflächen und -strukturen. Hier sehen wir erheblichen Investitionsbedarf. Das geplante E-Commerce-Logistikzentrum von XXXLutz in Amt Wachsenburg bei Erfurt mit bis zu 200.000 m² Fläche in der letzten Ausbaustufe verdeutlicht, in welchen Dimensionen gedacht wird.