[Kapitalmarkt-News vom 15. Mai 2019]
BIP-Wachstum: Wachstum im ersten Quartal verbessert den Ausblick
Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,4 % gewachsen. Nach anfänglichen Sorgen über einen schwachen Konjunkturverlauf war nach der Eurostat-Veröffentlichung des BIP-Wachstums für die Euro-Zone (ebenfalls +0,4 % qoq) und anderer wichtiger Euro-Länder vor zwei Wochen klar, dass auch die deutsche Wirtschaft wieder kräftiger zulegen sollte. In den beiden Quartalen zuvor war die Wirtschaftsleistung leicht rückläufig bzw. stagnierte.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (detaillierte Angaben liegen noch nicht vor) kamen positive Impulse vor allem von den Bau- und Ausrüstungsinvestitionen. Auch die privaten Konsumausgaben legten kräftig zu, die Konsumausgaben des Staates waren hingegen rückläufig. Gemischte Signale kamen von der Außenwirtschaft, sowohl Exporte als auch Importe nahmen zu.
Aufgrund des Wirtschaftswachstums im ersten Quartal erhöht die IKB ihre BIP-Prognose für das Gesamtjahr 2019 von 0,6 % auf jetzt 0,8 %. Wir gehen nach wie vor von einem schwächeren zweiten Quartal und einer Belebung ab der zweiten Jahreshälfte aus. Das Prognoserisiko ist jetzt eher nach oben gerichtet: Ein BIP-Wachstum von 1 % ist demnach wahrscheinlicher als eines von 0,5 % (derzeitige Prognose der Bundesregierung); hierfür wäre ein erneuter BIP-Rückgang in den nächsten Quartalen erforderlich.
Deutscher Industriezyklus im globalen Vergleich
Der Zyklus der globalen Industrieproduktion folgt aktuell dem Verlauf von 2011/12 und unterscheidet sich deutlich von der Rezessionsdynamik des Jahres 2001. Aktuell ist kein deutlicher und absoluter Rückgang der globalen Industrieproduktion ersichtlich und auch angesichts der globalen Konjunkturindikatoren nicht zu erwarten. Die deutsche Industrieproduktion hingegen ist deutlich ins Negative gerutscht und verfolgt aktuell sehr wohl einen Rezessionsverlauf, der mit 2001 vergleichbar ist. Da die globale Industriedynamik der entscheidende Treiber für die deutsche Industrieproduktion ist (siehe IKB-Kapitalmarkt-News 17. April 2019), deutet die aktuell doch eher schwache Dynamik weniger auf Einflüsse aus dem Handelskonflikt hin, als vielmehr auf lokale Aspekte wie die bekannten Probleme der Automobilindustrie. Auf Grundlage allgemeiner aktueller Frühindikatoren für die globale Konjunktur erwartet die IKB weiterhin eine Stabilisierung der deutschen Industrieproduktion im Verlauf des Jahres 2019. Für das Gesamtjahr 2019 ergibt sich damit allerdings weiterhin eine Schrumpfung der deutschen Industrieproduktion um 1 % gegenüber 2018. Erst 2020 ist mit einem positivem Jahreswachstum der Produktion zu rechnen.
Wie wird sich der Handelsstreit zwischen den USA und China bzw. ggf. weiteren Staaten auswirken? Könnte die weltweite Industrieproduktion doch noch auf ein Rezessionsszenario wie im Jahr 2001 zurückfallen? Entscheidend für das weltweite Industriewachstum ist der globale Offenheitsgrad – die Vernetzung der Volkswirtschaften auf der Angebotsseite (Produktionsketten) und der Nachfrageseite. Ob die US-Handelspolitik letztendlich den weltweiten Offenheitsgrad reduzieren oder die chinesische Wirtschaft zu einer weiteren Öffnung zwingen wird, bleibt abzuwarten. Bisher ist der negative Einfluss des Handelsstreits überschaubar. Denn die Zollanhebungen dürften zum einen den globalen Offenheitsgrad kaum belasten, da der Handel zwischen China und den USA einen eher unbedeutenden Anteil am Welthandel hat. Zum anderen ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der Zölle von den chinesischen Produzenten getragen wird und die US-Importpreise der chinesischen Güter dementsprechend weniger stark ansteigen werden. Eine bedeutende US$-Abwertung, die für alle US-Importe gelten würde, würde einiges mehr bewirken.
Deutsche Branchen im Fokus: Auftragseingänge als Frühindikator
Während für die deutsche Industrieproduktion erste Anzeichen einer Stabilisierung auszumachen sind, signalisieren wichtige Indikatoren wie die Auftragseingänge ein noch anhaltend herausforderndes Umfeld. Dabei sind die Auftragseingänge ein statistisch bedeutender Frühindikator für die Produktion des gesamten deutschen verarbeitenden Gewerbes. Die aktuellen Niveaus der Bestellungen deuten auf einen weiteren Rückgang der Produktion hin, zumindest kurzfristig.
Auch auf Branchenebene erweisen sich die Auftragseingänge als bedeutender Frühindikator. Dies gilt insbesondere für Automobil- und Elektroindustrie, Maschinenbau und Metallerzeugnisse. Für diese Branchen geben aktuelle Auftragseingänge ein bedeutendes empirisches Signal für den Produktionsverlauf in den kommenden zwei Monaten. Für den Maschinenbau haben die Bestellungen sogar einen Vorlauf von vier Monaten. Dies ist nicht überraschend, da diese Branche im Vergleich zu den anderen mehr Zeit benötigt, um Aufträge abzuarbeiten, da hier Skalenvorteile keine entscheidende Rolle spielen. Für Chemieindustrie und Metallerzeugung haben Auftragseingänge eine weniger ausgeprägte Signalkraft. Bei der Chemieindustrie scheint der Vorlauf nur einen Monat zu betragen, sodass Auftragseingänge nur eine begrenzte Aussagekraft besitzen. Auch für die Metallerzeugung ist die Aussagekraft der Auftragseingänge nicht so bedeutend, obwohl sie durchaus statistisch signifikant ist.
Empirische Ergebnisse und aktuelle Auftragseingänge erlauben eine belastbare Einschätzung für den Maschinenbau: Die Produktion sollte in den kommenden Monaten deutlich abnehmen. Auch in der Metallerzeugung ist auf Grundlage der Ordertätigkeit ein Rückgang wahrscheinlich. Für Chemie- und Elektroindustrie sowie für die Metallerzeugnisse kann eine Produktionsabnahme nicht völlig ausgeschlossen werden. Der kurzfristige Ausblick ist allerdings deutlich positiver als für den Maschinenbau. Die Perspektiven für die Automobilindustrie sind aus Sicht der Auftragseingänge neutral.
Fazit:
Das deutsche BIP-Wachstum im ersten Quartal hat das Prognoserisiko für das Jahr 2019 reduziert. Ein gesamtwirtschaftliches Wachstum von 1 % ist nun wahrscheinlicher als eines von 0,5 %. Der Ausblick für das deutsche verarbeitenden Gewerbe bleibt allerdings eher negativ, auch wenn der Einfluss der US-Handelspolitik auf das globale und damit deutsche Industriewachstum nicht überbewertet werden sollte. Die Auftragseingänge signalisieren kurzfristig einen weiteren Produktionsrückgang. Dieser sollte vor allem den Maschinenbau betreffen. Die IKB erwartet für 2019 ein BIP-Wachstum von 0,8 %, die Produktion des verarbeitenden Gewerbes sollte um rund 1 % zurückgehen.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
Hinterlasse einen Kommentar