[Kapitalmarkt-News vom 6. November 2023]

Fazit: Ein Rückgang der Inflation wird nicht ausreichen, um langfristige Bundrenditen deutlich zu senken. Denn die inverse Zinsstrukturkurve lässt aktuell ohne die Erwartungen nennenswerter EZB-Zinssenkungen wenig zu. Hierfür bedarf es allerdings einer anhaltenden und nennenswerten Konjunktureintrübung in der Eurozone.

In den USA bekommen US-Renditen durch die Erwartung eines Softlandings und anhaltender fiskalischer Konjunkturunterstützung Auftrieb. Auch hier gilt: Ohne Konjunktureintrübung ist der Raum für sinkende Renditen begrenzt. Eine solche Entwicklung erwartet die IKB allerdings, sodass durchaus von niedrigeren US-Renditen in den nächsten 12 Monaten auszugehen ist – und damit auch von niedrigeren Bundrenditen.

Die Inflation geht zurück, und alle Indikatoren deuten auf einen weiteren Rückgang der Kerninflationsrate in den kommenden Monaten. So schrumpft auch die Geldmenge in der Tendenz, nicht zuletzt, weil die Kreditnachfrage für Investitionen deutlich nachgelassen hat, insbesondere im Bausektor. Ohne Zweifel zeigen sich zunehmend die Folgen der geldpolitischen Straffung, was das Risiko eines Inflationsdrucks deutlich reduziert. Auch wenn die Energiekosten erneut steigen sollten, werden daraus folgende Zweitrundeneffekte überschaubar bleiben. Somit besteht aus volkswirtschaftlicher Sicht kein Zweifel: Das Inflationsrisiko nimmt aufgrund der effektiven geldpolitischen Straffung ab. Deshalb festigt sich auch die Einschätzung der Märkte, dass der EZB-Einlagenzins bei 4,0 % verweilen wird und der nächste Zinsschritt abwärtsgerichtet sein könnte, wenn auch erst ab Mitte 2024. Dennoch sind die Bundrenditen in jüngster Zeit nicht gesunken, sondern angestiegen und verharren nun auf einem Niveau von knapp unter 3 %. Wie ist dies zu erklären, und wie ist der Ausblick?

Laut dem IKB-Modell werden Veränderungen der 10-jährigen Bundrenditen durch den EZB-Zinssatz, die Inflation, aber vor allem von den 10-jährigen US-Renditen getrieben. Selbst wenn die EZB in großem Umfang Staatsanleihen aufgekauft, bleiben diese Beziehungen stabil, was sicherlich auch am starken „Gleichlauf“ der europäischen und US-amerikanischen Notenbankpolitik liegt. Laut Modellschätzung führt eine Veränderung der 10-jährigen US-Renditen von 100 bp zu einer Veränderung der Bundrenditen von 65 bis 70 bp. Steigen die US-Renditen, wird die deutsche Zinskurve steiler und das Zinsdifferenzial zwischen beiden Renditen weitet sich aus.

US-Renditen sind in jüngster Zeit im Umfeld einer doch eher überraschend robusten US-Wirtschaft deutlich angestiegen. Die Sorge besteht, dass die Fed ihre Geldpolitik entweder noch weiter straffen muss oder die Inflation selbst mittelfristig erhöht sein könnte. So ist die US-Zinsstrukturkurve durch den Anstieg am langen Ende weniger invers geworden. Erwartungen einer baldigen und drastischen Fed-Zinssenkung wurden durch die Einschätzung ersetzt, die Fed-Funds-Rate könne auch mittelfristig auf einem erhöhten Niveau verweilen. Niedrigere US-Renditen erfordern demnach vor allem eine deutliche US-Konjunktureintrübung bzw. erste Anzeichen eines schwächeren US-Arbeitsmarktes. Denn damit würde sich bestätigen, dass die Fed genug bzw. zu viel getan hat, was erneut Erwartungen deutlicher Zinssenkungen festigen würde. Ein Softlanding der US-Wirtschaft wird deshalb wenig Abwärtsdruck auf das lange Ende ausüben, ebenso wie ein gradueller Rückgang der Inflationsrate. Nur eine überraschend schlechte Nachricht aus der Realwirtschaft würde eine Korrektur am langen Ende einleiten.

Doch die Fiskalpolitik in den USA ist sehr expansiv ausgerichtet; und sie könnte damit die Geldpolitik schwächen. Das US-Haushaltsdefizit wurde im Jahr 2022 und erneut im Jahr 2023 ausgeweitet und liegt mit über 7 % des BIP deutlich über dem historischen Durchschnitt. Die US-Regierung pumpt Geld von der Finanz- in die Realwirtschaft und stimuliert bzw. stabilisiert die Nachfrage. Sie verwässert dadurch die geldpolitischen Anstrengungen und lässt Zweifel aufkommen, ob die Fed genug getan hat, bzw. festigt Erwartungen, die Fed-Funds-Rate könne auch mittelfristig auf einem erhöhten Niveau verweilen. Allerdings gibt es bereits seit längeren Indikatoren, die für eine Abkühlung der US-Wirtschaft sprechen. So steigt seit geraumer Zeit die Anzahl von Krediten mit Zahlungsverzug.

Wie würden sich sinkende US-Renditen auf Bundrenditen auswirken? Isoliert betrachtet, würde ein Rückgang der US-Renditen auch zu sinkenden Bundrenditen führen. Allerdings wird der Effekt aktuell durch die inverse Zinsstrukturkurve gedämpft: Die inverse Zinskurve bedeutet Auftrieb am langen Ende; es sei denn, die Märkte gehen von deutlich sinkenden EZB-Zinsen aus. Eine Korrektur der Bundrenditen benötigt somit nicht nur sinkende US-Renditen, sondern auch Erwartungen deutlicher EZB-Zinssenkungen am kurzen Ende, damit sich die Zinskurve selbst bei sinkenden Renditen perspektivisch normalisiert. Die aktuelle Zinskurve in Deutschland spiegelt die Erwartung, der mittelfristige Notenbankzinssatz liege deutlich unter dem aktuellen. Kommen Erwartungen auf, die EZB senke die Zinsen auf Sicht nur moderat, würde sich trotz rückläufiger Inflation kaum Raum für eine spürbare Senkung der langfristigen Renditen ergeben. Gerade wegen der inversen Zinskurve ist deshalb eine spürbare Konjunktureintrübung notwendig, um perspektivisch niedrigere Bundrenditen zu erwarten.

Einschätzung: Noch immer überrascht die US-Wirtschaft mit ihrem robusten Wachstum. Doch ohne eine deutliche konjunkturelle Eintrübung und damit die Erkenntnis einer Übertreibung der aktuellen Fed-Politik ist mit keiner spürbaren Korrektur der US-Renditen zu rechnen.

In Deutschland scheint das Bild noch klarer zu sein: Die Zinsstrukturkurve ist deutlich invers. Der Zinsmarkt erwartet also, dass die EZB die Zinsen zügig senken wird bzw. eine gewisse Übertreibung der Geldpolitik wahrscheinlich ist. Erholt sich jedoch die Wirtschaft der Eurozone nach dem leichten Rückgang im dritten Quartal, würde dies einen Aufwärtsdruck auf Bundrenditen zur Folge haben, – auch wenn die Inflation weiter zurückgeht.

Die IKB erwartet eine Abkühlung der US-Wirtschaft und damit grundsätzlich einen Abwärtsdruck auf US-Renditen. Die konjunkturelle Eintrübung wird allerdings durch die US-Fiskalpolitik gedämpft, sodass sich Erwartungen einer mittelfristig erhöhten Fed-Funds-Rate festigen könnten. Potenzial für sinkende US-Renditen scheint dennoch zu bestehen, wenn auch in überschaubarem Rahmen. Das IKB-Modell deutet auf einen Fundamentalwert der 10-jährigen US-Renditen von knapp unter 4 % hin. Im Verlauf von 2024 könnten sie auf unter 3,5 % zurückgehen. Nur eine deutliche konjunkturelle Eintrübung würde für mehr Abwärtsdruck sorgen.

Für die Eurozone erwartet die IKB eine deutliche und sich hinziehende Konjunktureintrübung, was Erwartungen von absehbar sinkenden EZB-Zinssätzen festigen und Abwärtsdruck auf Bundrenditen ausüben sollte. Das Korrekturpotenzial wird allerdings durch das Ausmaß der inversen Zinskurve begrenzt und ebenso durch eine mögliche kurzfristige Stabilisierung der Konjunkturdaten. Wir sehen in den nächsten 12 Monaten Potenzial für ein Niveau der Bundrenditen von unter 2,5 %. Dann muss sich allerdings die Erwartung erster EZB-Zinssenkungen in der zweiten Hälfte 2024 bestätigen.

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