[Fördermittel-Information vom 24. Juli 2018] Nach 47 jähriger EU-Mitgliedschaft will Großbritannien im März 2019 eigene Wege gehen und die EU verlassen. Offen und selbst für Experten schwer einschätzbar ist, wie sich das Zusammenleben mit unserem Insel-Nachbarn danach gestalten wird. Bislang ist kein Kompromiss zwischen den Verhandlungspartnern erkennbar. Entsprechend wird sowohl der Industrie als auch der Finanzwirtschaft empfohlen, sich vorsorglich auf das Schlimmste einzustellen.
Sicher hingegen ist, dass die EU mit dem Wegfall von Großbritannien ihren zweitgrößten Nettozahler verlieren wird. Zukünftig fehlen jährlich 10 Mrd. € und es stellt sich die Frage, wie der EU-Haushalt diesen Betrag auffangen will: Beiträge erhöhen ist die bevorzugte Lösung der Nettoempfänger, die Nettozahler sprechen sich hingegen für Einsparungen aus. Wahrscheinlich wird eine Mischung aus beidem unvermeidbar sein. Infolge wird es wohl auch zu einer Umverteilung der Mittel kommen müssen. Bereits zum Jahreswechsel kam das Ifo-Institut München zu dem Schluss, dass die sich vornehmlich aus EU-Mitteln speisende Förderung strukturschwacher Regionen – die sogenannte „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschafsstruktur“ (kurz GRW) – hiervon besonders in Mitleidenschaft gezogen werden dürfte. In Deutschland betrifft dies neben ausgesuchten Flecken im Westen der Republik insbesondere die neuen Bundesländer, die flächendeckend als Fördergebiet im Sinne von GRW eingestuft sind. Spätestens nach Ablauf der heutigen Förderrichtlinie Ende 2020 dürften die Kriterien für die Klassifizierung der Fördergebiete verschärft werden. Entsprechend viele heute förderwürdige Gebiete könnten herausfallen und die Fördersätze für die verbleibenden Gebiete reduziert werden. Ein noch größerer Brocken ist das Aushängeschild der EU-Förderung für Forschung und Innovation, bekannt unter dem Namen „Horizon 2020“. Auch dieses bereits seit 2014 in seiner jetzigen Form laufende Programm endet planmäßig Ende 2020. Die aktuell siebte Fortsetzung des Programms vereint eine Vielzahl unterschiedlicher Förderansätze unter den Hauptrubriken „Wissenschaftsexzellenz“, „führende Rolle der Industrie“ und „Gesellschaftliche Herausforderungen“ und richtet sich vor allem an kleine und mittelständische Unternehmen oder transeuropäische Forschungskonsortien. Im Juni 2018 hat die Europäische Kommission Vorschläge für das Anschlussprogramm veröffentlicht. Hiermit verbunden ist auch eine spürbare Erhöhung des Förderbudgets. Bereits im Juli 2018 antwortete die Bundesregierung hierauf mit einem Positionspapier, in dem jedoch nicht auf den Wunsch nach mehr Geld eingegangen wurde. Es bleibt abzuwarten, ob hier nicht die Rechnung teilweise ohne den Wirt gemacht worden ist. Auch an diversen, auf den ersten Blick deutschen Förderprogrammen ist längst die EU als Sponsor oder Garant beteiligt. Ob es sich um Zuschüsse der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft für die heimische Land- und Forstwirtschaft, Förderkredite für die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft der KfW, Zuschüsse der NBAnk für das Recycling brachliegender Industrie- und Gewerbeflächen in Niedersachsen oder um Fördermaßnahmen für den Ausbau von Fernwärme oder Kälteversorgung durch die NRW.Bank handelt; mehr oder weniger deutlich greifen diese Maßnahmen auf die Unterstützung etwa von Europäischer Investitionsbank EIB oder Europäischem Investitionsfund EIF zurück. Oft ist das Zusammenspiel aus nationaler und europäischer Förderung nur an einer Europaflagge auf den Antragsunterlagen zu erkennen. Offen bleibt die Frage, wie es mit dieser allseits wertgeschätzten Förderpraxis weitergeht, wenn die Gelder aus Großbritannien fehlen. Wahrscheinlich wird man nicht an Einsparungen herumkommen, die auch zu Lasten der Förderbudgets gehen. Wohl dem Antragsteller, der für seine Projekte noch in der laufenden Periode des EU-Haushalts bis 2020 eine Förderzusage erwirken kann. Es existieren jedoch bereits diverse Konstellationen, bei denen die zur Verfügung stehenden Mittel bis zum Beschluss von Nachfolgeprogrammen aufgebraucht sind.
Jens Fröhlich ist Leiter Fördermittel & Exportfinanzierung und zusammen mit seinem Team verantwortlich für die Akquisition und Umsetzung von Kundenprojekten in den entsprechenden Bereichen und hält den Kontakt zu allen hierfür relevanten öffentlichen Stellen. Er studierte Volkswirtschaft in Duisburg und Soka (Japan) sowie Rechtswissenschaften in Münster. Seine ersten Berufsjahre absolvierte er in auf den Mittelstand ausgerichteten Beratungsunternehmen, bevor er 2000 zur IKB stieß. Er schreibt zu aktuellen Themen, die relevant für die Förderpolitik, Förderkredite und Zuschussförderung sowie die Exportfinanzierung des deutschen Mittelstands sind.
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