[Industrials & Automotive-Information vom 23. Juni 2022]

Nach dem Rückgang der europäischen Bauproduktion im Jahr 2020 um 4,4 %, stieg diese im letzten Jahr um 5,6 % an und konnte das Niveau von 2019 wieder erreichen. Wie im Vorjahr verliefen die Entwicklungen aber auch 2021 stark unterschiedlich: Während etwa Italien und das Vereinigte Königreich zweistellige Wachstumsraten erzielten, entwickelte sich die Bauproduktion in Deutschland und Irland rückläufig. Für das laufende Jahr wird für den gesamten Euroconstruct-Raum mit 19 Ländern ein moderates Wachstum von 2,3 % erwartet. Für die osteuropäischen Länder wird ein geringeres Wachstum der Bauleistung von 0,9 % prognostiziert. Dies dürfte vor allem an der aus dem Krieg in der Ukraine resultierenden Unsicherheit in diesen Ländern liegen. Die Prognose von Ende letzten Jahres – vor dem Ausbruch des Krieges – war vor allem für Osteuropa noch deutlich positiver. Insgesamt wird für Europa in den nächsten Jahren ein moderates Wachstum der Bauleistung erwartet.

Deutsche Baukonjunktur schwächelt 2022

Zum Jahresbeginn 2022 ergab sich noch ein positiveres Bild für die deutsche Bauwirtschaft: Das reale Wachstum des baugewerblichen Umsatzes wurde mit 1,5 % prognostiziert. Dafür verantwortlich waren volle Auftragsbücher und hohe Umsätze aufgrund der guten Witterungsbedingungen im Januar und Februar. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine ließ die Stimmung aber umschlagen. Die schon 2021 rasant gestiegenen Preise für Baumaterialien schossen nochmals in die Höhe. Außerdem verschärfte sich die bereits angespannte Versorgungslage weiter. Die Verfügbarkeit bei einigen Materialien ist stark eingeschränkt und wird durch gestörte Lieferketten belastet. Laut einer Umfrage des Hauptverbandes der Bauindustrie gaben 80 % der Unternehmen an stark oder sehr stark von den Auswirkungen des Krieges betroffen zu sein. Auch beim Ifo-Konjunkturtests meldeten 52 % der befragten Bauunternehmen an, ihre Produktion werde durch Materialknappheit behindert.

Baubedarf ist vorhanden; die Finanzierung macht Probleme

In den drei Segmenten der deutschen Bauwirtschaft – Wohnungsbau, Wirtschaftsbau und Öffentlicher Bau – besteht unverändert Bedarf an Bauleistung. Die Finanzierung gestaltet sich aber aus unterschiedlichen Gründen schwierig.

Die Nachfrage nach Wohnraum ist insbesondere in den Ballungszentren hoch. Der Bauüberhang lag Ende 2021 mit knapp 850.000 genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen auf Rekordniveau. Dies sichert den Bauunternehmen in den nächsten Jahren volle Auftragsbücher. Die rasant steigenden Baupreise und das anziehende Zinsniveau belasten jedoch Investoren und Bauherren. Außerdem sind diese durch den Förderstopp der KfW-Zuschüsse für energieeffiziente Gebäude verunsichert. Unsicherheiten bei Baupreisen, Finanzierungskosten und Fördermöglichkeiten hemmen die Investitionen in den Neubau sowie Renovierungen von Wohnraum, obwohl dieser dringend benötigt wird.

Im Wirtschaftsbau wirken sich Rezessionsängste und gestiegene Material- und Energiekosten auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen aus. Auch wenn ein Rückgang der Nachfrage nach Büroimmobilien bislang ausbleibt und der Bedarf an Lager- und Logistikflächen durch die Corona-Pandemie zugenommen hat, belastet die allgemeine Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Besonders der Krieg in der Ukraine mindert die Bereitschaft für Investitionen in Baumaßnahmen. Aus dem Wirtschaftstiefbau kommen positive Signale: Die geplanten Milliardeninvestitionen in das deutsche Schienennetz sowie der Ausbau von Strom- und Glasfasernetzen stützen diesen Zweig der Bauwirtschaft.

Negative Impulse kommen aus dem öffentlichen Bau: Die hohen Baupreise sorgen bei den engen Budgets der Länder, Kommunen und Gemeinden dafür, dass weniger Bauprojekte durchgeführt werden können. Dass eine Modernisierung und Ausweitung der öffentlichen Infrastruktur notwendig ist, insbesondere die Sanierung von Straßen und Brücken, steht hingegen außer Frage. Die dafür verantwortlichen Organe, insbesondere die Kommunen, sind dazu jedoch nicht in der Lage. Den in der Corona-Pandemie stark zurück gegangenen Gewerbesteuereinnahmen stehen die hohen Baupreise gegenüber. Die Investitionslücke ist riesig.

Bauleistungen sind also in allen Teilsegmenten des Marktes erforderlich, die Nachfrage zeigt sich aber verhalten. Die Entwicklung der Bauwirtschaft in Deutschland und Europa wird jetzt und in den folgenden Jahren vor allem durch makroökonomische Faktoren bestimmt: Preissteigerungen und Materialengpässe sowie ein unsicheres konjunkturelles und geopolitisches Umfeld belasten Investitionen in dringend benötigte Bauprojekte; die Baunachfrage bleibt verhalten.

 

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