[Kapitalmarkt-News vom 13. April 2021]

Fazit: Neue Zölle gelten als größtes Risiko für die deutsche Exportwirtschaft. Dabei sind geopolitische Faktoren viel gefährlicher für deutsche Unternehmen. Denn es geht schon lange nicht mehr nur um den Export von Gütern oder um die Spezialisierung von Lieferketten. Die Produktion deutscher Unternehmen verlagert sich zunehmend ins Ausland, Kapital und Vermögen globalisieren sich.

Bei steigendem Auslandsumsatz und -vermögen sind diese immer öfter politischen und rechtlichen Risiken ausgesetzt. Sanktionen, Kapitalkontrollen, Regime-Wechsel oder die strategische Abschottung von Industrien sind für deutsche Unternehmen deshalb mittlerweile größere Herausforderungen als Zollerhöhungen, deren Relevanz bei Produktionsverlagerungen in die Absatzmärkte sogar tendenziell abnimmt.

Deutschland ist eine besonders offene Volkswirtschaft. 50 % der inländischen Produktion des Verarbeitenden Gewerbes sind für globale Absatzmärkte bestimmt. Auch haben sich die deutschen Wertschöpfungsketten zunehmend globalisiert: Die Quote an notwendigen Importen für die deutsche Wertschöpfung ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. So weist die deutsche Wirtschaft auf der Angebots- und Nachfrageseite eine hohe und effiziente globale Vernetzung aus. Allerdings zeigt der Welthandel bereits seit einigen Jahren eine verlangsamte Dynamik. Und auch mit dem neuen US-Präsidenten Biden dürften Handelsbeschränkungen in Form von Zöllen – insbesondere zwischen den USA und China – kaum schnell abgebaut werden. Die Corona-Pandemie hat zudem die Risiken globaler Lieferketten offengelegt, auch wenn international agierende deutsche Unternehmen deutlich stabilere Umsatzentwicklungen in der Corona-Krise gezeigt haben als lokal tätige Firmen.

Globalisierung bedeutet für das deutsche Verarbeitende Gewerbe inzwischen viel mehr als nur Handelsverflechtung. Das deutsche Potenzialwachstum fällt deutlich geringer aus als das der Weltwirtschaft. Deutsche Unternehmen profitieren von globalen Wachstumsmärkten, da sie nicht nur Endprodukte exportieren und damit den Standort Deutschland weiter spezialisieren, sondern weil sie vor allem Produktionskapazitäten im Ausland aufbauen. Denn Absatzmärkte in Ländern wie China oder den USA lassen sich durch lokale deutsche Produktionskapazitäten nicht ausreichend bedienen. Es geht also auch um Standortpolitik, also die Globalisierung von Kapital und Vermögen, und damit um die Bilanzsumme des deutschen Verarbeitenden Gewerbes. Ein Drittel der Umsätze der deutschen Industrieunternehmen wird inzwischen von ihren Auslandsstandorten erwirtschaftet. Die Globalisierung von Investitionen ist demnach von zunehmender Bedeutung für das Umsatzwachstum deutscher Unternehmen – und dies vor allem außerhalb der EU. Deutsche Direktinvestitionen in die EU machen weniger als 30 % des gesamten Bestands an Direktinvestitionen aus, Tendenz weiter fallend. Wichtigstes Land für deutsche Direktinvestitionen mit fast 25 % sind die USA, während China rund 12 % ausmacht.

In den letzten Jahren wurde nur noch doppelt so viel in die Inlandsstandorte investiert als in Produktionserweiterungen und Zukäufe im Ausland. Ausländische Direktinvestitionen des Verarbeitenden Gewerbes machen inzwischen rund 15 % des deutschen BIP oder rund 500 Mrd. € aus. Über 70 % dieser deutschen Direktinvestitionen erfolgten außerhalb der EU, ein immer größerer Anteil der Unternehmensbilanzen ist von politischen Spannungen oder Rechtsunsicherheiten im Ausland belastet, auf die Unternehmen wenig bis keinen Einfluss ausüben können. Hierin liegt für deutsche Unternehmen ein weitaus größeres Risikopotenzial als in Zollerhöhungen beim Warenhandel. Wirtschaftliche Spannungen zwischen den USA und China, US-Sanktionen gegenüber Ländern wie Russland und dem Iran oder politik-induzierte Rahmenveränderungen sind Beispiele für geopolitische Risiken, die die Bewertung von Auslandsvermögen belasten und die Entscheidungsfreiheit über Kapital und Erträge einengen könnten. Auch in jüngerer Vergangenheit gibt es Beispiele dafür, dass deutsche Investitionen im Ausland etwa durch US-Sanktionen und Sammelklagen erheblichen Vermögensverlusten ausgesetzt sind. Beispiele sind Bayers Übernahme von Monsanto und deutsche Unternehmen mit Beziehungen zum Iran. Aus Sicht der Unternehmen geht es bei der langfristigen Risikoeinschätzung deshalb immer weniger um Absatzmärkte und Umsätze, sondern um Vermögensrisiken für die Bilanz.

Im ersten Quartal 2020 waren Schwellenländer in einem nie zuvor gekannten Ausmaß mit Kapitalabflüssen konfrontiert. Dieser internationale Abfluss sorgte für Devisenkursverzerrungen, Inflation und realwirtschaftliche Volatilitäten. So könnte eine weitere Folge dieser Krisen eine zunehmende Sympathie für temporäre Kapitalkontrollen sein, um Volkswirtschaften kurzfristig zu stabilisieren. Und dies ist nicht nur ein Thema von Schwellenländern. So hat zum Beispiel auch Griechenland in Folge seiner Schuldenkrise Kapitalkontrollen eingeführt, um den Exodus an Geld zu stoppen und die Banken zu stabilisieren. Erst im September 2019 hat Griechenland diese Maßnahmen beendet, und erst seitdem können deutsche Unternehmen wieder Geld an ihre Muttergesellschaften in Deutschland überweisen. Das Vermögen mag auf der Bilanz weiter vorhanden sein – die Liquidität könnte hingegen belastet werden – gerade, wenn ein zunehmender Teil des Gesamtumsatzes im Ausland erwirtschaftet wird.

Es ist nicht nur die Gewinn- und Verlustrechnung des deutschen Verarbeitenden Gewerbes, die zunehmend globalen Einflüssen unterliegt. Es sind auch die Vermögenswerte und damit die Bilanzentwicklung. Die Gefahr, dass ein immer größerer Anteil des Bilanzvermögens politischen und rechtlichen Risiken ausgesetzt ist, ist bei steigendem Auslandsumsatz und -vermögen nicht zu banalisieren. Sanktionen, Kapitalkontrollen, geopolitische Spannungen, Regime-Wechsel sowie strategische Abschottung von Industrien sind für deutsche Unternehmen deshalb größere Herausforderungen als Zollerhöhungen. So bleibt es auch entscheidend, dass Deutschland nicht nur Handelsabkommen, sondern vor allem Abkommen zur Investitionssicherheit vorantreibt.

Der Beitrag wurde in der WirtschaftsWoche vom 1. April 2021 als Gastbeitrag in ähnlicher Form publiziert

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