US-Geldpolitik und US-Renditen – eine deutliche Korrektur sieht anders aus
[Kapitalmarkt-News vom 23. Mai 2018] Wieder einmal sorgt die Fed mit ihrer geldpolitischen Wende für Volatilitäten insbesondere auf den Finanzmärkten der Schwellenländer. Die Geschichte hat gezeigt, dass, wann immer die Fed die Zinsen erhöht, sich Herausforderungen für diese Länder ergeben.
Anfang der 80er Jahre hatte die Fed unter Paul Volcker die Zinsen drastisch angehoben, um die zweistellige Inflationsrate in den USA zu bekämpfen. Das Ergebnis war eine deutliche Aufwertung des US-Dollar. Dies hatte zu einer Schuldenkrise in Südamerika geführt, da dort viele dieser Länder in US-Dollar verschuldet waren. Auch als Bernanke 2013 eine Wende der USZinspolitik nur andeutete, daraufhin die US-Renditen deutlich anstiegen und globales Finanzkapital in die USA zurückfloss, gerieten einige Schwellenländer deutlich unter Druck. Insbesondere für die Länder mit chronischem Leistungsbilanzdefizit, die auf internationales Finanzkapital angewiesen waren, ergaben sich heftige Probleme. Die Geschichte zeigt auch, dass die Fed dabei möglichen globalen Folgen ihrer Geldpolitik wenig Beachtung schenkt.
Derzeit wird der Druck auf die Devisenkurse der Schwellenländer vor allem wieder der Fed-Politik zugeschrieben, die mit der Leitzinsanhebung das lange Ende der US-Zinskurve aufwärts bewegt hat. Das Niveau der 10-jährigen US-Renditen, das lange Zeit Zweifel an der Nachhaltigkeit der geldpolitischen Wende widerspiegelte, ist jüngst auf rd. 3 % gestiegen. Doch wieviel Raum für eine weitere Zinserhöhung noch bleibt, ist nicht eindeutig. Zwar sollte die Fed auch dank der US-Steuerpolitik 2018 durchaus die Möglichkeit haben, ihren Leitzins weiter anzuheben; wie nachhaltig sich die konjunkturelle Erholung erweisen wird, bleibt allerdings abzuwarten. So könnte der Raum für weitere Fed-Zinsanhebungen eng werden – vor allem ab der zweiten Hälfte 2019. Aber selbst mit Zinserhöhungen über 2018 hinaus, ist dennoch von keiner deutlichen Korrektur am langen Ende der US-Zinskurve ausgehen. Aufgrund der US-Wachstums- und Inflationsprognosen dürfte die Fed-Funds-Rate ihren Höchststand bei um die 3,5 % erreicht haben. Zudem sollte perspektivisch das Risiko sinkender US-Leitzinsen nicht vernachlässigt werden.
Realwirtschaftliche Implikationen für Schwellenländern nicht überbewerten
Angesichts der graduell steigenden US-Zinsen ist der jüngste Druck auf die Devisenkurse vieler Schwellenländer überraschend; denn trotz US-Renditen von 3 % hatte sich keine deutliche Korrektur nach oben ergeben. Dies ist daran zu erkennen, dass sich schon seit Anfang 2017 die Renditen auf einem Niveau zwischen 2,0 % und 2,5 % bewegten und ihren Tiefstand von unter 2 % bereits im Juli 2016 gehabt hatten. Das aktuelle Renditeniveau ist somit alles andere als das Ergebnis einer deutlichen Korrektur, die eine nennenswerte und nachhaltige Umkehr globaler Finanzkapitalströme mit sich bringen sollte. Auch weiterhin wird von graduell steigenden US-Renditen ausgegangen.
Die potenzielle Gefahr hoher US-Renditen für die Schwellenländer sollte nicht überbewertet werden. Als 2013 die US-Renditen mit rund 100 Basispunkten stiegen, und die Devisenkurse der Schwellenländer wie z. B. Brasilien erheblich unter Druck gerieten, waren dieser Entwicklung mehrere Jahre mit hohem Wirtschaftswachstum, ausweitendem Leistungsbilanzdefizit und einer oftmals eskalierenden Korruption in vielen Emerging Markets vorausgegangen. Volkswirtschaften mussten einen deutlichen Anpassungsprozess von Angebot und Nachfrage bewerkstelligen – auch und vor allem getrieben durch einen enormen Öl- bzw. Rohstoffpreisverfall. Aktuell haben Schwellenländer weder Jahre mit Nachfrageüberschüssen hinter sich, noch sollten US-Dollar basierte Rohstoffpreise – allen voran der Ölpreis – eine deutliche Abwärtskorrektur vollziehen.
Abwertung der Türkischen Lira: Fast ausschließlich „Made in Turkey“
Der aktuelle Abwertungstrend der Türkischen Lira ist nicht primär von der US-Notenbankpolitik induziert, sondern eher von der türkischen Politik selbst. Die Türkei ist ein Land mit chronischem Leistungsbilanzdefizit und historisch relativ hoher Inflation. Beides deutet daraufhin, dass in der Türkei ein Nachfrageüberschuss besteht. Dieses Ungleichgewicht wird durch Importe und Inflation temporär ins Gleichgewicht gebracht. Zur Finanzierung braucht die Türkei Portfoliokapital aus dem Ausland. Es benötigt Investoren, die bereit sind, US-Dollar in Türkische Lira zu tauschen und so dem Land notwendige Devisen zu verschaffen, damit es sein Leistungsbilanzdefizit finanzieren kann. Hierfür ist eine attraktive Rendite erforderlich. Nicht hilfreich sind hingegen innenpolitische Unsicherheiten, die die Risikoeinschätzung der Investoren negativ beeinflussen. Türkische Renditen befinden sich bereits seit mehreren Jahre im Aufwärtstrend. So erwarten Investoren eine immer höhere Rendite, um für die anhaltenden, möglicherweise eskalierenden politischen Probleme und für die sich ausweitenden Risikoprämien ausreichend kompensiert zu werden. Anders ausgedrückt: Türkische Staatsanleihen werden immer unattraktiver. Das lässt ihren Kurs sinken.
Steigende Zinsen stützen grundsätzlich eine Währung. Hebt allerdings die Notenbank, in ihrem Versuch die Währung zu stabilisieren, ihren Leitzins zu stark an, kann sich dies oftmals kontraproduktiv auswirken; die Realwirtschaft wird durch die extrem steigenden Zinsen außerordentlich belastet. Dies wiederum nährt Zweifel nicht nur an der Nachhaltigkeit einer solchen Zinspolitik, sondern auch an der politischen Stabilität im Land. Wird eine Währung grundsätzlich als überwertet angesehen, kann eine Notenbank diese selbst durch drastische Zinsanhebungen nicht nachhaltig stützen. Dies gilt vor allem dann, wenn Erwartungen über die zukünftige Entwicklung einer Währung einseitig sind – also wenn es keinen Grund gibt, dass die Währung aufwerten könnte. Auch mag die wirtschaftliche Lage in dem Sinne dafür verantwortlich sein, dass eine schwächere Währung absolut notwendig ist, um die Wirtschaft neu auszurichten. Devisenkurse vieler Länder wie Großbritannien Anfang der 90er Jahre, Russland 1998 oder immer wieder Südafrika waren diesen einseitigen Erwartungen ausgesetzt. Erst eine massive Abwertung führte endgültig zu einer stärkeren ausgeglichenen Einschätzung über die zukünftige Entwicklung der Währung.
Es gibt schon länger Gründe dafür, von einer anhaltenden Abwertung der Türkischen Lira auszugehen. Die grundsätzlich höhere Inflation als die der Handelspartner und die innenpolitischen Entwicklungen in Kombination mit dem strukturellen Leistungsbilanzdefizit rechtfertigen ein Bild der einseitigen Erwartungshaltung gegenüber der Lira. Jüngste Äußerungen über die Abschaffung einer unabhängigen Notenbank und die damit verbundene Sorge über eine eskalierende Inflationsentwicklung stärken diese Einschätzung zudem. Grundsätzlich ist es auch die Haltung der türkischen Regierung. Sie interpretiert die sich eskalierende Abwertung als Folge feindlicher Spekulanten, die die Währung schwächen wollen und sieht hierfür keine fundamentalen Gründe. Die türkische Regierung agiert, als wenn ihre Finanzierung und ihre Volkswirtschaft unabhängig von innenpolitischen Entwicklungen sind bzw. ihre Politik trotz der hohen Inflation, des Ungleichgewichts der Wirtschaft und des Wertverfalls der Lira richtig ist. Mit solch einer Haltung ist es schwierig, einen fundamental besseren bzw. positiven Ausblick für die Lira zu formen. So dürfte eine stabile Lira vor allem erst nach einer deutlichen Abwertung bzw. einer Überreaktion der Märkte möglich sein.
Fazit
Die Sorge steigt, dass mit der geldpolitischen Wende in den USA vor allem Schwellenländer durch die Re-allokation von Finanzkapital zunehmend unter Druck geraten und ihre Devisenkurse deutlich abwerten könnten. Doch Schwellenländer sind aktuell bei weitem nicht in dem Maße durch ein Ungleichgewicht ihrer Volkswirtschaften gekennzeichnet, das sie in früheren Phasen steigender US-Zinsen in Bedrängnis gebracht hätte. Auch sind Rohstoffpreise relativ stabil, während die US-Renditen alles andere als eine deutliche Aufwärtskorrektur gezeigt haben. So sind erhebliche Abwertungen der Devisenkurse vor allem die Folge der inländischen Wirtschaftspolitik der Schwellenländer. Hierfür ist die Türkei ein gutes Beispiel. Einseitige negative Erwartungen, die durch innenpolitische Fehlentwicklungen geschürt werden, strukturelle Ungleichgewichte sowie historisch hohe Inflationsraten sorgen für eine Abwärtsspirale von Abwertung und negativen Einschätzungen. So sollte die Lira trotz des schon länger anhaltenden Kursverfalls erst nach einer weiteren drastischen Abwertung etwas Stabilität finden. Es gibt wenig Grund, anderes zu erwarten.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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