[Consumer & Retail-Information vom 21. März 2019] Der Lebensmitteleinzelhandel baut Sortiment und Flächen für Convenience-Produkte weiter aus, besonders stark derzeit bei „Chilled Convenience“. Das Frischesortiment insgesamt ist im bestehenden Verdrängungswettbewerb von zentraler Bedeutung für den Lebensmitteleinzelhandel, bietet es doch ein erhebliches Wertschöpfungs-, Differenzierungs- und Profilierungspotenzial.
In dem Maße wie die Nachfrage nach Frische und Tiefkühlwaren steigt, entwickelt sich der Bedarf an Logistikkapazitäten sowohl für Transport als auch für Lagerung entlang der gesamten Supply Chain. Neben der Distribution an den stationären Handel betrifft dies auch den Warenfluss zwischen den Verarbeitern, den Im- und Export von Frische- und Tiefkühlwaren und das Großverbrauchergeschäft, zu denen u. a. Hotels, Restaurants und Gemeinschaftsverpflegung zählen, sowie perspektivisch zunehmend den wachsenden Markt für Home Delivery.
Tiefkühl- und Frischelogistik sind Wachstumsmärkte
Der Wert der Logistikleistungen im Segment Lebensmittel in Deutschland liegt bei rund 19 Mrd. €, wovon etwa 40 % der temperaturgeführten (plus- und minusgradigen) Logistik zuzurechnen sind. Die Logistikaufwendungen für Tiefkühl- und Frischewaren belaufen sich damit auf etwa 7,6 Mrd. €.
Bei einer geschätzten Outsourcingrate von 35 bis 40 %, bewegt sich das Volumen der Fremdvergabe an Logistikdienstleister im temperaturgeführten Segment bei 2,7 bis 2,9 Mrd. €.
Rückblickend hat sich die Tiefkühl- und Frischelogistik damit ausgesprochen dynamisch entwickelt. 2013 lagen die Logistikaufwendungen insgesamt noch bei etwa 6,6 Mrd. €. Auch zukünftig erwartet die IKB ein jährliches Wachstum von 3 % bis 4 %.
Folgende fundamentale Trends unterlegen aus IKB-Sicht diese Prognose:
- Anhaltendes Wachstum von Tiefkühl- und Chilled Food
- Weiter steigende Verflechtung der internationalen Food-Märkte
- Steigende Nachfrage nach Regionalität erhöht Lieferantenanzahl
- Zunehmende Bedeutung der „Out-of-home“-Verpflegung, perspektivisch auch von E-Commerce und Home Delivery
Parallel und einhergehend mit der Forderung nach Öko-Effizienz und Logistik-Nachhaltigkeit verbreitert sich das Spektrum der nachgefragten Logistikleistungen. Zudem steigt der Bedarf an grenzüberschreitenden Dienstleistungen und flächendeckenden Logistiknetzwerken.
Investitionsbedarf in Digitalisierung, Kostendruck und Fahrermangel
Die Digitalisierung erlaubt Effizienzsteigerungen in der Planung, Steuerung und im Controlling logistischer Prozesse wie Zeitfenstersteuerung an den Handelsrampen, Austausch von Prognosedaten zur Disposition von Fracht- und Lagerkapazitäten oder für das sog. Freight Quality Tracking.
Diese Potenziale zu heben, ist die große Herausforderung der nahen Zukunft. Der Umfang und die Komplexität der Möglichkeiten stehen gleichzeitig für einen stetigen und nennenswerten Investitionsbedarf, den es darzustellen gilt.
Gleichzeitig nehmen Fahrer- und Frachtraummangel zu. Trotz signifikanter Lohnsteigerungen fehlen Berufskraftfahrer und die Verschärfung der Fahrerpersonalgesetze – Stichwort „Verbringen der Wochenruhezeiten im LKW“ – hat zu reduzierten Transportkapazitäten osteuropäischer Unternehmen in Deutschland geführt.
Eine Entlastung bei der Versorgung des Lebensmitteleinzelhandels könnte ein sechster Anlieferungstag der Zentral-/Regionallager bringen. Dies bedingt aber weitreichende Kompromisse von Lebensmittelherstellern und -handel, da nur so gewährleistet ist, dass die Kosten im annehmbaren Rahmen bleiben.
Die Preise für Transport- und Lagerleistungen der Tiefkühl- und Frischelogistik steigen und werden vor dem Hintergrund der knappen Kapazitäten sowie wachsender Kostenbelastungen für Personal, Energie, Maut und LKW weiter steigen. Die Outbound-Logistik, sprich Absatz- und Distributionslogistik, wird zur strategischen Aufgabe, damit die Warenversorgung kein Engpassfaktor wird, insbesondere bei Saisonspitzen oder bei Promotion- und Sonderaktionen des Handels.
Spannend bleibt die Frage, wann der Onlinehandel mit Lebensmitteln und Home Delivery nennenswerte Umsätze und Transportvolumina generiert. Noch ist die Frage des Handlings der „letzten Meile“ nicht befriedigend beantwortet. Sobald sich hier Lösungen zeigen, gehen wir davon aus, dass sich die Warenströme zum Endverbraucher auch im Tiefkühl- und Frischesegment nachhaltig verändern.
Johannes Sausen ist Direktor und Head of Consumer & Retail der IKB. Mit seinem Team betreut er Unternehmen aus den Branchen Konsumgüter und Handel und ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln hat er seine ersten fünf Berufsjahre bei einer Unternehmensberatung absolviert, bevor er 1999 zur IKB stieß. Er schreibt zu aktuellen Themen aus dem genannten Branchenspektrum.
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