[Consumer & Retail-Information vom 15. Oktober 2021]

Süßwaren und Knabberartikel begleiten den Großteil der Verbraucherinnen und Verbraucher von Kindesbeinen an durch das Leben. Idealerweise in einem gesundheitlich vernünftigen Maß verzehrt, sind sie kleine Belohnungen im Alltag, gehören zu Festtagen und Feiern, werden für zu Hause und unterwegs gekauft. Keine andere Nahrungsmittel- und Getränkebranche verzeichnet eine vergleichbare Produktvielfalt und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keine ähnlich hohe Dynamik bei Produkteinführungen bzw. -anpassungen.      

Corona–Effekte im In- und Ausland prägten die vergangenen 18 Monate   

So breit wie das Warenspektrum bei Süßwaren, Eis und Knabberartikeln ist, so unterschiedlich ist die Bewertung der Zeit seit Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020. Abhängig davon, ob Markenartikler oder Private-Label-Produzent, Saison- oder Ganzjahresartikel, Umsatzanteilen im Außer-Haus-Geschäft oder Abhängigkeit vom Export: die Auswirkungen schlagen sich in unterschiedlichem Maße in den Jahresbilanzen der Süßwarenhersteller 2020 nieder. Und sie ziehen sich hin bis in den Herbst des laufenden Jahres.

Der Wert der inländischen Produktion von Süßwaren lag im Jahr 2020 laut Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) bei 12,8 Mrd. € oder +0,7 %, die Produktionsmenge mit 3,8 Mio. to bzw. + 0,4 % nahezu auf Vorjahresniveau. Allerdings zeigt sich eine deutliche Spreizung bei den Produktgruppen. Der Export von Süßwaren sank 2020 um 2 % auf 8,5 Mrd. €.

Das Jahr 2021 verläuft weiterhin sehr unterschiedlich. Der Außer-Haus-Konsum kommt nur langsam wieder in Gang, Süßwarenumsätze von Freizeiteinrichtungen, Schwimmbädern, Zoos, Kinos, Tankstellen etc. fehlen weiterhin in Teilen. Exemplarisch steht hier die Warengruppe Speiseeis, die im ersten Halbjahr 2021 im Lebensmitteleinzelhandel bei leicht rückläufigem Absatz von-2 % im Umsatz um 4 % zulegen konnte, aber weitere Rückgänge im Außer-Haus-Markt zu verzeichnen hatte, insbesondere der Gastronomie.

Das erste Halbjahr 2021 schlossen Süßwaren im Lebensmitteleinzelhandel mit einem Umsatzplus von 3,5 % (Quelle: IRi InfoScan Retailer) ab, wobei die Verschiebung der Marktanteile von Private-Label hin zu Markenartikeln anhält. Bei Kakao-/Schokoladehalberzeugnissen und kakaohaltigen Lebensmittelzubereitungen ist mittlerweile eine gegenläufige Entwicklung zum starken Rückgang 2020 zu beobachten. Nach Meldung des BDSI stieg die Kakaovermahlung im zweiten Quartal um 18 % sowie im dritten Quartal um 16 % deutlich gegenüber den Vorjahresquartalen und bewegt sich wieder auf dem Vor-Corona-Niveau.  

Der für die deutsche Süßwarenindustrie mit einem Mengenanteil von über 50 % wichtige Export lag im ersten Halbjahr 2021 weiterhin unter Vorjahresniveau. Innerhalb Europas zeichnet sich ab, dass der Brexit über einen längeren Zeitraum die Ausfuhren nach Großbritannien belasten wird. Insgesamt erwartet die IKB allerdings, dass sich das Auslandsgeschäft sowohl mit EU- als auch mit Drittländern im Jahr 2022 erholen wird.

Corona rückt in den Hintergrund, Rohstoffversorgung und -preise bestimmen die aktuelle Diskussion

Das bestimmende Thema der gesamten Ernährungsindustrie und damit auch bei Süßwaren und Snacks ist die Situation auf den Rohstoffmärkten, sprich Warenverfügbarkeit sowie Preisentwicklung. Deutliche Preiserhöhungen bei einer Vielzahl wichtiger Rohstoffe – Getreide, Milchpulver, Kakao, Fruchtzubereitungen, Öle, Zucker, Nüsse – belasten die Branche. Der Index der Großhandelspreise für landwirtschaftliche Grundstoffe ohne lebende Tiere hat nach Meldung des Statistischen Bundesamtes alleine im September 2021 um 23,9 % gegenüber dem Vorjahresmonat zugelegt. Einige Rohstoffpreise peilen bei einer prognostizierten weiteren Aufwärtsbewegung Rekordmarken an. Die aktuelle Ernteeinschätzung des US-Landwirtschaftsministeriums USDA im Oktoberreport heizt z. B. die Weizenpreise an. Die Terminbörse MATIF verzeichnet aktuell Wochenpreise von etwa 264 € im Vergleich zu rund 190 € vor einem Jahr. Die Preise für Kakao liegen zwar weit unterhalb historischer Höchststände, sind aber seit Juli 2021 von ca. 1.850 €/to auf rund 2.200 € am aktuellen Rand gestiegen, was einem Anstieg von 19 % entspricht.
Neben den Rohstoffen haben sich die Preise für Energie ebenso deutlich erhöht wie die Aufwendungen für Verpackungsmaterial (Kunststoff, Papier und Pappe). Problematisch sind neben dem negativen Ertragseffekt die zum Teil massiven Verfügungsengpässe, wie jüngst bei Holzpaletten. Aktuell aufgerufene lange Lieferzeiten bei Verpackungsmaterial sind Indiz dafür, dass sich die Situation kurzfristig nicht entscheidend entspannen wird. Auch in der nationalen und internationalen Logistik manifestieren sich Kapazitätsprobleme – Stichwort Seecontainerpreise – und führen zu Brüchen in den Lieferketten. Ein längeres Stottern des Logistikmotors wäre auch für die Süßwarenindustrie mit ihrer wertmäßigen Exportquote von 60 % und einer Importquote von 43 % gravierend (aktueller Beitrag im IKB Corporate Blog hierzu: „Wohin steuert die Logistikbranche“).

Vor dem Hintergrund der skizzierten Kostenentwicklungen und der Erwartung keiner kurzfristigen und in Summe spürbaren Entspannung erwarten wir Preisanpassungen in der Breite der Süßwarensortimente und Snacks. Der Lebensmitteleinzelhandel wird Preiserhöhungen argumentativ kaum abweisen können. Je nach Preisdynamik werden Private-Label-Produkte bei Konsumentinnen und Konsumenten wieder verstärkt den Vorzug vor Markenartikeln erhalten und Marktanteilsverluste zumindest teilweise wieder ausgleichen können. Höhere Herstellerabgabepreise sind dabei nicht nur notwendig, um Deckungsbeiträge als Reaktion auf die jüngste Kostenwelle zu korrigieren; die Wertschöpfungsstufen der Erzeugung und Verarbeitung benötigen Substanz, um die Investitionsaufgaben der laufenden Transformation zu nachhaltigeren und klimafreundlicheren Produktions- und Logistikprozessen darstellen zu können.   

Die Perspektive: Ernährungstrends und Innovationspotenziale eröffnen vielfältige Chancen

Süßwaren und Knabberartikel spiegeln die allgemeinen Ernährungsgewohnheiten und sich ändernde Präferenzen für Produkte, Geschmacksrichtungen, Rohstoffe und Texturen. Die Branche ist ausgesprochen innovativ bei der Umsetzung von neuen Trends in Produktlösungen. Sowohl der Lebensmitteleinzelhandel als auch Konsumentinnen und Konsumenten fordern zudem kontinuierlich Neuerungen bei einem Sortiment, das nicht unerhebliche Umsatzanteile durch Impulskäufe erzielt.

Es sind entsprechend die übergeordneten Trendthemen, die der Süßwarenindustrie Absatz- und Ertragspotenziale bieten und die Branche auf dem Weg in die nächsten Jahre begleiten werden:

  • Nachhaltigkeit – Das Thema entwickelt sich zum zentralen Erfolgsfaktor für die Konsumgüterindustrie. Besonders für die Lebensmittelindustrie bieten sich vielfältige Anknüpfungspunkte von der Herkunft von Rohstoffen, etwa Bio, Regionalität, Fair Trade, über ressourcen- und klimaschonende Produktion bis hin zu nachhaltigen Verpackungslösungen. Neben dem Konsumentenverhalten setzt auch die Regulatorik entsprechende Rahmenbedingungen, Sortiment und Geschäftsmodelle in den kommenden Jahren strategisch auszurichten.
  • Convenience & Snacking – In dem Maße wie klassische Ernährungsmuster verloren gehen, z. B. beim Frühstücken oder beim Mittagessen im beruflichen Alltag, richtet sich das Augenmerk auf ToGo- und Snacking-Produkte. In diesem Zusammenhang bieten auch Süßwaren im Einzelfall Potenzial als Snacking-Komponenten. Beispiele sind Gemüsechips, Trockenobst- und Nussprodukte oder Riegel auf Getreidebasis.
  • Gesundheit/Wellness – High Protein, Low Carb, Ballaststoffe, zuckerreduzierte Produkte, Vitamine. Die Liste mit Schlagwörtern zum Thema gesunde Ernährung lässt sich beliebig fortführen. Die Quintessenz ist, Verbraucher legen zunehmend Wert auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung und informieren sich bewusst über Inhaltsstoffe und Nährwerte. Bei Riegeln wächst das Segment Getreide-/Vollkornriegel überproportional, bei letzteren ist der Umsatzanteil von High-Protein-Varianten auf mittlerweile 34 % gewachsen (Quelle: IRi Handelspanel).
  • Plant based – Aus der Nische heraus bewegen sich pflanzliche Alternativen für Fleischwaren und Molkereiprodukte auf einem Wachstumspfad mit deutlich zweistelligen Zuwachsraten. Vegane Süßwaren profitieren ebenfalls von diesem Trend. Der Marktanteil veganer Tafelschokolade liegt zwar erst bei 3 %, die Wachstumsrate lag im Jahr 2020 jedoch bei 89 % (Quelle IRi Handelspanel).
  • Genuss – Dieses Motiv ist ein wesentliches für Kauf und Verzehr von Süßwaren und wird es auch in Zukunft bleiben. Im Zusammenhang mit der Klassifizierung der Sortimentsentwicklung im Lebensmitteleinzelhandel während der Hochphase der Coronapandemie ordnete die GfK Süßwaren den sogenannten „Sündigen Sortimenten“ zu. Das bewusste stellenweise Ausbrechen aus ernährungsphysiologisch förderlichen Ernährungsmustern, z. B. zu besonderen Anlässen wie Feiertagen bleibt fester Teil der Nachfrage.

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Lennart Seeger                      
Prokurist

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