[Energy & Utilities-Information vom 5. Dezember 2022]
Die Bundesregierung hat final die Strom- und Gaspreisbremse beschlossen. Im Rahmen der Ankündigung des 200 Mrd. Euro schweren Programms zur Abfederung von Energiepreisen erarbeitete die unabhängige Expertenkommission verschiedene Instrumente, um sowohl Industrie als auch Haushalte und Gewerbe zu entlasten. Ab März 2023 gelten rückwirkend zum 1. Januar 2023 genannte Preisbremsen sowohl für Industrie als auch Haushalt und Gewerbe. Für die Industrie gilt für ein Grundkontingent von 70 % des Vorjahresverbrauchs ein Preisdeckel von 7 ct/kWh netto für Gas. Darüber hinaus verbrauchtes Gas muss zum jeweiligen Tarif des Industrieunternehmens bezogen werden, der abhängig von der jeweiligen Vertragsstruktur in den heutigen Marktgegebenheiten die 7 ct/kWh in der Regel um ein Vielfaches übersteigt. Sollte ein Industrieunternehmen aufgrund von Einsparungen weniger als das Grundkontingent verbrauchen, darf dieses günstig erworbene Gas am Spotmarkt weiterverkauft werden. Der Anreiz zum Sparen soll damit weiterhin gewährleistet sein.
Analog zur Gaspreisbremse greift ab Ende März 2023 ebenfalls rückwirkend zum 1. Januar 2023 die Strompreisbremse für Haushalte, Gewerbe und Unternehmen. Mittlere und große Unternehmen mit einem Stromverbrauch von über 30.000 kWh erhalten einen Preisdeckel von netto 13 ct/kWh, exklusive Netzentgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen. Das Kontingent gilt ebenfalls für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Die Preisbremsen sind befristet bis Ende April 2024. Herausforderungen bei den Preisbremsen bestehen aus Sicht der Industrie insbesondere noch beim Beihilferecht. Große Unternehmen, deren Entlastungen insgesamt den gesetzlichen Schwellenwert von 150 Mio. Euro überschreiten, müssen gewisse Kriterien einhalten, um die Einzelfallprüfung bei der EU-Kommission zu bestehen. Die entsprechenden Kriterien liegen bislang jedoch noch nicht vor.
Industrie unter Transformationsdruck
Das Stimmungsbild der energieintensiven Industrie ist derweil gemischt. Einerseits helfen die Instrumente die steigenden Energiepreise am kurzen Ende etwas zu kompensieren, langfristig stehen die Unternehmen jedoch vor dem Hintergrund der Klimaziele vor großen Herausforderungen. Die Transformation erfordert Investitionen in Milliardenhöhe, die viele Unternehmen aufgrund steigender Energiepreise zurzeit zurückstellen. Studien sehen mittelfristig die Gefahr, die energieintensive Industrie könnte aus Deutschland und Europa abwandern, da langfristige selbst ein Gaspreis von 7ct/kWh nicht für alle Unternehmen tragbar ist. Auch die Strompreise in Deutschland liegen bereits seit langem im europäischen und globalen Vergleich auf überdurchschnittlich hohem Niveau. Zwar wurde mit dem EEG 2023 der notwendige Pfad gelegt, um die erneuerbare Energieerzeugung auszubauen und damit einhergehend die Strompreise zu reduzieren, jedoch steht die Branche immer wieder vor neuen Herausforderungen.
Abschöpfung trifft erneuerbare Erzeugung
Finanziert werden soll die Strompreisbremse unter anderem auch durch eine Abschöpfung der Erlöse aus Erzeugungsanlagen. Betroffen sind alle Technologien zur Erzeugung von Erneuerbarer -Energie (außer Biomethan) sowie Braunkohle, Kernenergie und die Stromerzeugung aus Abfällen mit einer installierten Leistung von größer 1 MW. Nachdem die Bundesregierung eine rückwirkende Erlösabschöpfung bis März 2022 geplant hatte, wurde dieser Vorstoß von den Verbänden und der Branche heftig kritisiert. Problematisch ist die rückwirkende Erlösabschöpfung insbesondere vor dem Hintergrund der Europarechtskonformität sowie der damit verbundenen Komplexität bei der Umsetzung. Zudem sorgt die Debatte für enorme Verunsicherung in der Branche, sodass bereits Projekte gestoppt wurden und das Investitionsklima massiv beschädigt ist. Erste Berechnungen zeigen, dass die Erlöseinbußen für Erneuerbare Energien zwischen 30 und 55 % betragen, wobei die per Marktprämie subventionierten EE-Anlagen stärker betroffen sind als nicht-subventionierte EE-Anlagen. Zwar ist die langfristige Rentabilität und Wirtschaftlichkeit von Erneuerbaren Energien weiterhin gegeben, jedoch stellt der starke Eingriff in den Strommarkt einen Vertrauensverlust bei allen beteiligten Marktteilnehmern dar.
Die aktuelle Diskussion ist natürlich kontraproduktiv und widerspricht somit dem eigentlichen Ziel, die Erneuerbaren Energien weiter auszubauen, um die Wirtschaft zu dekarbonisieren und die Strompreise wieder zu drücken. Zudem wurde im Kabinettsbeschluss der Passus einer Erhöhung der Vergütungssätze für Wind- und Solarenergie gestrichen, mit dem den gestiegenen Materialkosten und der Inflation Rechnung getragen werden sollte. Laut aktuellem Kabinettsbeschluss soll die Gewinnabschöpfung nun zumindest nicht mehr rückwirkend erfolgen, sondern seit 1. Dezember 2022 befristet bis Ende April 2024 greifen.
Lennart Seeger ist Prokurist im Sektorteam Energy, Utilities & Resources der IKB. Er ist involviert in Projekt- und Unternehmensfinanzierungs- sowie Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Zu den von ihm betreuten Unternehmen gehören insbesondere Energieversorger und Stadtwerke sowie Unternehmen aus der Recyclingindustrie. Nach seinem Business Administration Studium in Düsseldorf stieß er 2021 zur IKB und absolvierte berufsbegleitend den Masterstudiengang in Finance & Accounting.
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