[Kapitalmarkt-News vom 26. August 2024]
Fazit: Bei all den strukturellen Wachstumsbremsen und dem schwachen konjunkturellen Rückenwind wird sich die deutsche Wirtschaft nur graduell aus der aktuellen Stagnation und dem Stimmungstief verabschieden können. Größte Hoffnung mag kurzfristig der Export sein, was die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von der Weltkonjunktur wieder einmal bekräftigen wird. Es braucht keine Milliarden-Subventionen für einzelne Chipfabriken, sondern eine Investitionsunterstützung für das gesamte Verarbeitende Gewerbe. Dies würde einen bedeutenden Investitionsimpuls liefern und damit konjunkturunabhängiges Wachstum generieren. Den Unternehmen fehlt es für Investitionen an Zuversicht und klaren politischen Weichenstellungen. Eine zarte Konjunkturerholung allein wird dies nicht richten. Eine Stabilisierung der Stimmung sollte sich dennoch zeigen – wenn auch auf niedrigem Niveau.
Deutschland befindet sich im Stimmungstief. Eine kurzfristige Verbesserung der Indikatoren wie der Einkaufsmanager-Index oder das ifo Geschäftsklima wird dies kaum ändern. Denn die Gründe für den Pessimismus sind nachhaltig und grundsätzlich. Hierzu zählen die Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik und die bekannten strukturellen Defizite. Und wie schon oft betont, wird die konjunkturelle Erholung kaum ausreichend starke Impulse setzen, um diese Aspekte zu überdecken. Im Gegenteil, Risiken für die Konjunkturerholung bleiben bestehen – vor allem auch im Jahr 2025. So stagniert die deutsche Wirtschaft nun schon über viele Quartale, der immense Handlungsdruck scheint aber von der Politik nicht wahrgenommen zu werden. Stattdessen ist davon auszugehen, dass mit einem leichten BIP-Plus im dritten Quartal Argumente aufkommen werden, die Erholung sei auf einem guten Weg und die wirtschaftspolitischen Maßnahmen zeigen Erfolge. Doch mehr als eine zyklische Stabilisierung kann nicht erwartet werden. Denn für eine nachhaltige Belebung fehlen spürbare Impulse, um die negative Erwartungshaltung grundsätzlich zu verbessern. So hat sich das ifo Geschäftsklima im August zum vierten Mal in Folge verschlechtert. Dabei hat vor allem im Verarbeitenden Gewerbe der Index merklich nachgegeben. Die Unternehmen waren deutlich unzufriedener mit den laufenden Geschäften, und die Erwartungen fielen auf den niedrigsten Wert seit Februar.
Es fehlt an spürbaren Wachstumsimpulsen, um die Wirtschaft aus dem Stimmungstief herauszuziehen. Diese könnten außerhalb oder innerhalb der Wirtschaft generiert werden. So kann z. B. eine spürbare globale Belebung den deutschen Exporten einen Schub geben. Fiskalische Maßnahmen wie eine Investitionsoffensive könnten interne Impulse liefern. Diese müssten allerdings ausreichend stark sein, um den aktuellen Stimmungstrend zu brechen. Doch bis dato war die Wirtschaftspolitik eher kontraproduktiv. Wirtschaftspolitische Unsicherheit und nur marginale Anpassungen haben trotz des immensen Handlungsbedarfs die skeptische Stimmung eher verstärkt.
Subventionen in Höhe von 5 Mrd. Euro für eine einzelne Chipfabrik werden ebenfalls nicht helfen. Sie zeigen lediglich, dass der Staat aus politisch motivierten Gründen sehr wohl höhere Beträge mobilisieren kann. Die Summe von 5 Mrd. Euro entspricht rund 7 % der gesamten Ausrüstungsinvestitionen des Verarbeitenden Gewerbes. Angesichts der Vernetzung unserer Industrie am Standort Deutschland sowie der starken globalen Wettbewerbsfähigkeit würde solch ein Investitionsschub zu deutlich mehr Wachstum führen als die Subvention für eine Chipfabrik. Dies gilt gerade deshalb, weil die deutsche Industrie aufgrund der fehlenden Zuversicht einen erheblichen Investitionsstau aufweist, der eine erfolgreiche Transformation des Industriestandorts hin zu mehr Nachhaltigkeit in Frage stellt. Da die Subvention von 5 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt finanziert wird und Verdrängungseffekte generiert, ist diese klar negativ zu sehen. Wären der Chipfabrik dagegen Steuervergünstigungen gewährt worden, wären die fiskalischen Implikationen eher neutral und die Anreizstruktur um einiges zielführender: Die Subvention würde dann durch zusätzliche Wertschöpfung bzw. Gewinne finanziert werden, was das Risko auf den Betreiber und nicht auf den Steuerzahler verlegt.
Keine der BIP-Komponenten kann aktuell als Impulsgeber angesehen werden. Traditionell waren es immer die Exporte und damit die globale Nachfrage, die die deutsche Konjunkturbelebung einleiteten. Geopolitische Spannungen, eine schwache globale Konjunktur sowie zunehmende Handelsbarrieren belasten jedoch aktuell den Ausblick. Nicht überraschend haben auch die Exporte in den letzten Quartalen eher enttäuscht. Dennoch bleiben die Ausfuhren ein entscheidender Hoffnungsträger – vor allem für 2025. Denn der Konsum sollte zwar zum Anker der Stabilität werden, ein nennenswerter Konsumschub ist in Deutschland jedoch weniger zu erwarten. Auch von den Staatsausgaben wird wenig kommen.
Bleibt noch das bekannte Thema Investitionen. Ein Impuls durch die Binnenwirtschaft bzw. Investitionen ist schwieriger zu initiieren, als auf Exporte „zu warten“. Doch 2002 haben die Ankündigung der Hartz-4-Reformen gezeigt, dass es sehr wohl möglich ist, eine Stimmungsaufhellung oder einen Aufbruch zu erzeugen. So wurde ein Grundstein für einen von der Konjunktur unabhängigen Investitionsschub gelegt, der zum bedeutenden Wachstumstreiber wurde. Ohne deutlichen Reformimpuls bzw. ohne sichtbare Veränderungsbereitschaft werden sich zwar Investitionen im Umfeld der graduellen Konjunkturstabilisierung festigen, ein Treiber für Wachstum werden sie allerdings nicht werden. So ist von keinem der BIP-Komponenten ein spürbarer Impuls zu erwarten.
Dennoch ist eine Konjunkturstabilisierung zu erwarten, bzw. sie sollte im dritten Quartal erkennbar sein. Auch ist bei dem Niveau der aktuellen volkswirtschaftlichen Prognosen und Stimmungsindikatoren das Konjunkturrisiko eher aufwärtsgerichtet – es sein denn, negative Impulse wie ein eskalierender Nahostkrieg werden ersichtlich. Und selbst dann wäre auf Grundlage des aktuell niedrigen Stimmungsniveaus kein bedeutender Einbruch zu erwarten. Sicherlich gibt es derzeit keinen Grund, warum sich die Stimmung kurzfristig deutlich aufhellen sollte. Aber ebenso ist eine weitere Verstärkung negativer Erwartungen unangebracht. Schließlich sollten Wachstumsimpulse – wenn auch nur moderate – zunehmend positiv wirken. Zudem gibt es angesichts der vielen Konflikte auch die Möglichkeit von positiven Überraschungen – vielleicht bereits bei den US-Wahlen im November.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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