[Consumer & Retail-Information vom 8. Juni 2021]
Die Zeiten, in denen Kraft- und Leistungssportler Whey Protein, Aminosäuren und Co. ausschließlich über den Fachhandel erwarben und diese ein Nischendasein pflegten, sind vorbei. Spätestens mit dem einsetzenden Fitnessboom im letzten Jahrzehnt schaffte die Sporternährung den Sprung in den Mainstream. Inzwischen finden sich die Produkte namhafter nationaler und internationaler Hersteller in einschlägigen Online-Shops, im stationären Lebensmitteleinzelhandel sowie in den Drogeriemärkten.
Temporäre Delle im Jahr 2020
Wie nahezu jede Branche beeinflusste die Corona-Pandemie auch den Geschäftsverlauf der Sporternährung in Deutschland. Nach einer starken Entwicklung zwischen 2015 und 2019, mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 9 %, kam es im vergangenen Jahr zu einer deutlichen Eintrübung. Der Umsatz ging laut der Marktforscher von EUROMONITOR im Vergleich zu 2019 um 13,1 % von 304 Mio. € auf 264 Mio. € zurück. Wesentlicher Grund sowohl für die bis dahin sehr positive Entwicklung als auch für den deutlichen Rückgang im Jahr 2020 ist die für das Segment so wichtige Fitnessindustrie, die von den Einschränkungen rund um das Pandemiegeschehen maßgeblich betroffen war. Fitnessstudios und andere Indoor-Sportaktivitäten in Deutschland haben seit vielen Monaten geschlossen, und erst jetzt zeichnet sich im Zuge der fortschreitenden Impfkampagne und rückläufiger Inzidenzen eine nachhaltige und flächendeckende Öffnung der Studios ab. Dies dürfte im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 2021 für eine Belebung des inländischen Marktes für Sporternährung sorgen, bei der kurzfristig auch deutlichere Nachholeffekte auftreten können. Aus Sicht der IKB wird sich der Markt jedoch erst 2022 vollständig erholen und zum Wachstumspfad von vor der Krise zurückkehren.
„Melting Pot“ bestimmender Ernährungstrends
Grundlage für die zu erwartende anziehende Wachstumsdynamik ab der zweiten Jahreshälfte 2021 sind neben einer Belebung der Fitnessindustrie vor allem die Nachfrageimpulse aus den bestimmenden Konsumtrends der Nahrungsmittelindustrie, die sich auch bzw. gerade bei Sporternährung wiederfinden. Diese werden wesentlich von einer jüngeren Verbraucherschicht getragen, die einen aktiven Lebensstil pflegt und zunehmend gesundheits- und umweltbewusster konsumiert. Besonders hervorzuheben sind die Themen Nachhaltigkeit, Bio und natürliche Zutaten sowie Convenience. Im größten Segment der Sporternährung, den Proteinprodukten, sind diese Trends besonders gut zu beobachten. So erweiterten nicht nur Hersteller in der Milch- oder fleischverarbeitenden Industrie in jüngster Vergangenheit ihre Sortimente in Richtung alternative Proteine. Getrieben von der Nachfrage der Verbraucher bieten auch Hersteller von Proteinprodukten zunehmend vegane Produkte auf pflanzlicher Basis an. Gleichzeitig rückt die Qualität der Roh- und Inhaltsstoffe und ihr ökologischer Fußabdruck in den Vordergrund. Es findet seitens der Hersteller nicht nur eine Sortimentserweiterung in Richtung pflanzlicher Alternativen statt, sondern auch in Richtung Bio-Qualität aus nachhaltigem und ökologischem Anbau.
Online-Handel dominiert
Auch die Distributionsebene wird maßgeblich von der Alterstruktur der Konsumenten geprägt. Die meist jungen Verbraucher sind online-affin und kaufen entsprechend im Netz, entweder im Online-Fachhandel, bei großen Online-Vollsortimentern wie Amazon oder direkt beim Hersteller (Direct-to-Consumer). Der Online-Handel war bei der Sporternährung in Deutschland schon vor der Pandemie der dominierende Distributionskanal. Er ist im vergangenen Jahr trotz eines insgesamt rückläufigen Marktes zweistellig gewachsen und konnte seinen Anteil daher weiter ausbauen. Die Auswirkungen der Pandemie beschleunigten auch hier den Channel-Shift. Eine wichtige Rolle spielt dabei Influencer-Marketing über große Social-Media- und Video-Plattformen wie TikTok, Instagram oder Youtube, was maßgeblichen Einfluss auf den Aufbau von Marken hat sowie eine hohe Customer Loyalty hervorruft.
Konkurrenz aus der traditionellen Ernährungsindustrie
Ein zunehmender Wettbewerbsdruck auf klassische Sporternährung entsteht vor allem durch Produktinnovationen aus der traditionellen Ernährungsindustrie, die den Hype rund um das Thema Fitness und proteinhaltige Lebensmittel für sich entdeckt hat. Insbesondere Hersteller aus der Milchwirtschaft nutzen den Trend und erweitern ihre Produktrange um einzelne Linien, die jüngere, gesundheitsbewusste und sport-affine Verbraucher ansprechen sollen. Im Kühlregal lässt sich mittlerweile von Proteinmilch und -drinks, über Skyr bis hin zu Proteinpudding alles finden. Da diese Produkte gezielter den „durchschnittlichen“ Verbraucher und weniger den Leistungssportler ansprechen, sind sie für die Sportnahrungsindustrie, die ihre Produkte zunehmend im Massenmarkt platziert, eine ernstzunehmende Konkurrenz.
Ungeachtet der Widrigkeiten des letzten Jahres und des zunehmendes Wettbewerbsdrucks um Verbraucher aus dem „Mainstream“ sind die Aussichten für die Sportnahrungsindustrie durchaus positiv. Die voraussichtliche Belebung der Fitnessbranche im zweiten Halbjahr dieses Jahres sowie die genannten Food-Trends werden auch mittelfristig Treiber des weiteren Wachstums sein.
Dennis Rauen ist Analyst in der Industriegruppe Consumer & Retail der IKB. Er ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank in den Branchen Konsumgüter und Handel. Nach dem Master of Science in Economics an der Universität zu Köln stieß er 2019 zur IKB. Während seines Studiums sammelte er Erfahrungen in der Wirtschaftsforschung und im Banking.
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