[Consumer & Retail-Information vom 16. Juli 2020]
Der deutsche Sportfachhandel blickte zu Beginn des Jahres mit viel Optimismus auf ein Jahr 2020, das von der Fußball-Europameisterschaft sowie von Olympia getragen werden sollte. Gut fünf Monate später ist vom Optimismus nur noch wenig geblieben, denn wie so viele andere Branchen, hat die Coronakrise auch den Sportfachhandel empfindlich getroffen. Bei kleinen sowie manchen großen Händlern sind die Auswirkungen mitunter existenzbedrohend.
Die Branche blickt auf Wachstumsjahre zurück
Dabei geht es der Sportartikelbranche insgesamt alles andere als schlecht. 2019 erwirtschaftete sie einen Umsatz von rd. 7,6 Mrd. €. Ein Plus von mehr als 3,5 % im Vergleich zum Vorjahr und eine Bestätigung des Trends der letzten Jahre, in denen die Branche ebenfalls kontinuierlich um rd. 3,5 % p.a. wuchs.
Der Trend zu einer bewussteren und gesünderen Lebensweise mit mehr sportlicher Aktivität trieb Nachfrage und Umsätze im Sporthandel an. Grundsätzlich hat daran auch die Pandemie nichts geändert. Im Gegenteil: Laufschuhe, Hanteln oder Yoga-Matten erfahren einen regelrechten Nachfrageboom. Viele Menschen wollen trotz oder gerade wegen des Virus Sport treiben. Gleichzeitig schlossen aber zu Beginn der Pandemie Sportvereine und Fitnessstudios. Zudem fallen große Sportveranstaltungen als Nachfragetreiber in diesem Jahr weitgehend aus. Und das Budget der Konsumenten könnte im weiteren Jahresverlauf aufgrund der konjunkturellen Entwicklung knapper ausfallen.
Verbraucher bevorzugen (noch) das stationäre Einkaufserlebnis
Um künftige Entwicklung besser einschätzen zu können, lohnt sich ein Blick auf die Vertriebswege der Branche. Wie Daten des IFH Köln für das Jahr 2019 zeigen, erwirtschaftete der Fachhandel rd. 58 % der Umsätze, gefolgt vom Online-Handel (Versender und Online-Pure-Player) mit fast 19 % sowie Kauf- und Warenhäusern mit
15 %. Verbraucher setzen also aktuell noch überwiegend auf das stationäre Einkaufserlebnis und genau dieses ist durch das Pandemiegeschehen maßgeblich beeinträchtigt worden. Nicht nur, dass mit dem Beginn des Shutdowns Ende März die Umsätze komplett ausfielen, auch mit Einsetzen der Lockerungsmaßnahmen im Mai konnte bislang noch nicht an die Besucherfrequenzen der Vor-Corona-Zeit angeknüpft werden. Die IKB geht davon aus, dass die Sportartikelbranche das Jahr bei einer weitergehenden Erholung insgesamt maximal mit einem leichten Wachstum abschließen wird und sich erhebliche Verschiebungen bei den Warengruppen ergeben.
Online-Handel und neue Wettbewerber setzen etablierte Anbieter unter Druck
Gleichzeitig sorgt die Coronakrise dafür, dass sich die Konsumenten nicht nur während des Shutdowns aus Mangel an Alternativen vermehrt dem Online Handel zugewandt haben, vielmehr wirkt die Krise als Katalysator für einen Umbruch, der sich bereits vor der Krise angedeutet hat. Der Online-Handel mit Sportartikeln wird weiter auf Kosten der traditionellen stationären Vertriebswegs gewinnen. Nach Einschätzung der IKB wird der Online-Umsatzanteil bis zum Jahr 2024 auf fast 30 % steigen, während der stationäre Anteil deutlich zurückgehen wird.
Daneben drängen die großen Sportartikler in den Markt mit dem Endverbraucher. Adidas, Nike und Puma setzen zunehmend auf eine Multi-Channel-Strategie und somit neben dem Einzelhandel auch auf die eigene Online-Präsenz, das sogenannte D2C-Geschäft (Direct to Consumer). Auch dort ist die Coronakrise der Katalysator für einen bereits vorher in die Wege geleiteten Umbruch. Gefährlich wird die Online-Präsenz der Hersteller vor allem, weil sie nicht nur ihre eigenen Produkte verkaufen. Mit Apps und Dienstleistungen rund um die Themen Fitness und Mode binden sie vor allem jüngere Konsumenten und bieten eine Alternative zu einem USP des stationären Handels – den direkten Kundenkontakt inklusive Beratungsleistung.
Hinzu kommt weiterer Wettbewerbsdruck auf Ebene des stationären Geschäfts. Während etablierte Größen wie Karstadt Sport oder Runners Point ihre Filialen komplett oder zu einem signifikanten Teil schließen müssen, gewinnt der französische Sportartikelhändler Decathlon in Deutschland Marktanteile. Ausschlaggebend für den Erfolg ist neben der aggressiven Preisstrategie auch der vergleichsweise hohe Digitalisierungs- und Innovationsgrad. Rund 20 % erwirtschaftet das Unternehmen online. Erst kürzlich kündigte Decathlon ein Self-Checkout-System an, um Kunden das schnelle Bezahlen über das eigene Smartphone zu ermöglichen.
Mittelfristig wird der Sportartikelmarkt weiter wachsen -– das digitalisierte Einkaufserlebnis kann dem stationären Handel helfen
Die IKB prognostiziert dem Sportartikelmarkt ab dem Jahr 2021 ein Wachstum von 3 % p.a. Trotz aller Herausforderungen wird der stationäre Handel mittelfristig die erste Wahl für den Kauf von Sportartikeln bleiben. Ein entscheidender Aspekt für einen Besuch in der Filiale ist und bleibt weiterhin das Einkaufserlebnis inklusive Beratungsleistung, insbesondere bei größeren Anschaffungen wie Sportgeräten oder E-Bikes. Langfristig wird sich der Trend zum Online-Handel jedoch nicht aufhalten lassen. Hier sind sowohl die Händler selbst als auch die führenden Verbundgruppen der Branche gefragt, ihre stationären Konzepte mit digitalen Komponenten zu ergänzen, um so den Besuch in der Filiale für die Konsumenten so attraktiv wie möglich zu gestalten. Ein solches hybrides Konzept kann ein Weg sein, auch nach der Coronakrise die Erfolgsspur zu halten.
Dennis Rauen ist Prokurist im Sektorteam Consumer/Retail, Logistics & TMT der IKB. Er ist hauptsächlich verantwortlich für die Bereiche Holzwirtschaft, die Papier- und Verpackungsindustrie sowie ausgewählte Segmente des Non-Food Einzelhandels. Dort ist er involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Master of Science in Economics an der Universität zu Köln verbrachte er seine ersten Berufsjahre in der Industriegruppe Consumer & Retail der IKB, ehe er branchenübergreifende Corporate-Finance- und Transaktionserfahrung bei einer M&A-Beratung sammelte und 2025 wieder zur IKB stieß.
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