[Kapitalmarkt-News vom 25. August 2022]

Fazit: Jeder spricht davon, alle sind überzeugt: Die Klimaziele benötigen massive Investitionen am Industriestandort Deutschland. Leider ist bisher wenig passiert. Im Gegenteil: Aktuell liegt die Investitionsquote unter dem Niveau vor der Pandemie. Und auch der Ausblick gibt wenig Hoffnung auf eine kurzfristige Wende. Die schlechte Stimmung der Unternehmen sollte im Schatten von steigenden Zinsen, Rezession und Gewinnrückgängen anhalten und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in den kommenden Quartalen belasten. Zwar sind höhere staatliche Ausrüstungsinvestitionen zu erwarten; allerdings reichen diese nicht für eine nachhaltige Lösung. Die Neuausrichtung der deutschen Wirtschaft wird deshalb warten müssen, zumindest wenn sie durch unternehmerisches Handeln des Privatsektors erreicht werden soll.

Investitionsquote – fehlende Dynamik schon länger ersichtlich 

Die deutsche Investitionsquote bleibt trotz der Klimazielvorgaben und des damit verbundenen hohen Erneuerungs- und Abschreibungsbedarfs auf einem niedrigen Niveau. Zwar ist in den letzten 20 Jahren insgesamt ein leicht positiver Trend bei der privaten Ausrüstungsquote zu erkennen. Trotz des hohen Investitionsbedarfs zur Erreichung der Klimaziele scheint er sich in den letzten Jahren allerdings eher abgeflacht zu haben. Selbst nach dem Einbruch zu Beginn der Pandemie ist keine dynamische Erholung zu erkennen – weder bei den absoluten Investitionszahlen noch bei der Quote. Im ersten und zweiten Quartal 2022 sind die privaten Ausrüstungsinvestitionen zwar leicht angestiegen. Das Niveau lag aber im zweiten Quartal immer noch über 5 % unter dem von Ende 2019. Auch bleiben private Ausrüstungsinvestitionen mit 6,3 % des BIP relativ niedrig und deutlich unter dem in den letzten Jahrzehnten leicht positiven Trend. Die Investitionsdynamik am Standort Deutschland hat sich also trotz des hohen Investitionsbedarfs vom Corona-Einbruch immer noch nicht erholt. 

Kurzfristig wird sich das wirtschaftliche Umfeld für Unternehmen weiter spürbar eintrüben. Kostendruck und eine nachlassende Nachfrage sollten Gewinnmargen und die Stimmung der Unternehmen zunehmend unter Druck setzen. So ist davon auszugehen, dass sich die im zweiten Quartal bereits abzeichnende Investitionszurückhaltung in den kommenden Monaten verstärken wird; bei den privaten Ausrüstungsinvestitionen zeichnen sich im dritten und vor allem vierten Quartal 2022 absolute Rückgänge ab.

ifo Geschäftsklima belastet Investitionsausblick – auch für das kommende Jahr

Das ifo-Geschäftsklima hat sich im August weiter leicht eingetrübt. Zwar wurde allgemein ein stärkeres Minus erwartet, aber da es bereits im Juli  einen deutlichen Einbruch gab, ist der Indikator weiter klar abwärtsgerichtet und befindet sich auf einem niedrigen Niveau – insbesondere der Ausblick bleibt nahezu unverändert pessimistisch. Angesichts konjunktureller Unsicherheiten und zunehmenden Kostendrucks, der immer weniger weitergegeben werden kann, ist die maue Stimmung der Unternehmen nicht überraschend. Zudem ist mit einer weiteren Eintrübung in den nächsten Monaten zu rechnen, denn mit anhaltend hohen Lohnforderungen in Verbindung mit dem bestehenden Fachkräftemangel und einer sich abschwächenden Nachfrage werden die Gewinne und damit auch die Unternehmerstimmung in den kommenden Monaten weiter belastet werden.

Das ifo-Geschäftsklima hat einen bedeutenden, aber verzögerten Einfluss auf private Ausrüstungsinvestitionen bzw. auf die Investitionsquote. Das bedeutet: Hellt sich die Unternehmerstimmung auf (ifo Index steigt), vergehen noch mehrere Quartale, bis die Investitionsquote in Deutschland zulegt. Dies ist nicht überraschend. Schließlich werden bei einer Stimmungsverbesserung Investitionsentscheidungen getroffen, deren Umsetzung durchaus Zeit braucht. Auch muss die Erwartungshaltung durch ein Anziehen des BIP-Wachstums bestätigt werden. Und da das ifo Geschäftsklima ein Frühindikator für das BIP-Wachstum im nächsten Quartal darstellt, braucht der Effekt des ifo Index auf die Investitionen spürbar mehr Zeit. So ist die aktuelle Eintrübung des Geschäftsklimas nicht nur ein Indiz für eine erwartete konjunkturelle Eintrübung; es signalisiert auch zurückhaltende Investitionsbereitschaft und damit geringe Investitionen in den kommenden Quartalen. Der aktuelle BIP-Ausblick für Deutschland bestätigt diese Einschätzung 

Höhere Staatsinvestitionen sind nicht die Lösung

Der ifo Index hat einen bedeutenden positiven Einfluss auf private, aber einen negativen Einfluss auf die staatlichen Ausrüstungsinvestitionen. Hellt sich das Geschäftsklima auf und verbessert sich somit der konjunkturelle Ausblick, fährt der Staat seine Investitionen zurück. Diese empirische Erkenntnis deutet auf ein klares kontrazyklisches Verhalten der öffentlichen Ausrüstungsinvestitionen hin. Dies heißt, im aktuellen schwierigen konjunkturellen Umfeld sollte die staatliche Investitionsquote in den kommenden Quartalen ansteigen, was sich im weiteren Verlauf positiv auf private Investitionen auswirken sollte. Allerdings ist der Einfluss staatlicher auf private Ausrüstungsinvestitionen zwar empirisch bestätigt, jedoch eher überschaubar. Deshalb kann auch nicht argumentiert werden, dass es nur höhere Investitionen des Staates braucht, um den Investitionsstau in Bezug auf die Klimaziele zu adressieren. Dies würde zu einer grundsätzlich höheren Staatseinmischung in die Wirtschaft führen, da der staatliche Anteil an den deutschen Ausrüstungsinvestitionen spürbar ansteigen würde. Dies wäre weder für einen erfolgreichen Wandel der deutschen Wirtschaft bzw. Industrie noch für ein höheres Wachstumspotenzial wünschenswert.

Vor allem seit der Finanzkrise ist der Anteil des Staates an den Ausrüstungsinvestitionen von rund 5 % auf inzwischen rund 7 % angestiegen. Der positive Trend der gesamten Investitionsquote in den letzten Jahrzehnten ist demnach auch maßgeblich durch staatliche Ausrüstungsinvestitionen getrieben. So ist der Aufwärtstrend der privaten Investitionsquote zwar statistisch signifikant, allerdings verläuft er um einiges flacher als der für die gesamten deutschen Ausrüstungsinvestitionen. Staatliche Ausrüstungsinvestitionen stützten demnach schon in den letzten Jahren die Investitionsdynamik am Wirtschaftsstandort Deutschland.

Ausblick – die Klimaziele müssen warten

Abb. 3 zeigt die privaten Ausrüstungsinvestitionen sowie Modellschätzungen basierend auf BIP-Wachstum, ifo-Geschäftsklima, Veränderungen der staatlichen Ausrüstungsinvestitionen (jeweils mit positivem Einfluss) sowie 10-jährige Bundrenditen (negativer Einfluss). Bis auf die staatlichen Investitionen sollten alle Treiber die Investitionstätigkeit belasten: Das BIP-Wachstum trübt sich ein, und es ist von einem Rückgang des BIPs in den nächsten Quartalen auszugehen. Die Bundrenditen sind deutlich angestiegen und werden eher weiter zulegen als sinken. Zudem trübt sich infolge von Margen- und Umsatzeinbußen die Stimmung der Unternehmen ein. Hinzu kommt die anhaltend hohe Inflationsrate. So deuten Prognosen inzwischen auch für 2023 auf eine Inflationsrate in Deutschland von über 4 % hin. Da bei Tarifverhandlungen in Deutschland die aktuelle bzw. vergangene Inflation berücksichtig wird und nicht die zu erwartende, ist somit auch für 2023 von einem hohen Lohndruck auszugehen, was Margen und Stimmung der Unternehmen belasten wird – vor allem wenn das realwirtschaftliche Wachstum wenig Raum für Produktivitätssteigerungen bietet. Grundsätzlich zeigt die Modellschätzung, dass notwendige strukturelle Veränderungen noch nicht ersichtlich sind. Denn dies würde zu einer zunehmenden und vor allem anhaltenden Divergenz zwischen geschätzten und eigentlichen Daten führen. Neue oder zusätzliche Treiber von Investitionen – wie Klimaziele – hätten höhere tatsächliche Investitionen zur Folge, als es die Modellschätzung (ohne diese Treiber) signalisieren würde. Am aktuellen Rand ist jedoch eher das Gegenteil zu erkennen: Die Modellschätzung für das erste Halbjahr 2022 liegt deutlich über den tatsächlichen Investitionen.

Aufgrund des negativen Ausblicks für die Treiber privater Ausrüstungsinvestitionen ist von einer sinkenden Investitionsquote in den kommenden Monaten bzw. Quartalen auszugehen. Auch ist keine spürbare Belebung im Jahr 2023 zu erwarten. So wird die Investitionsquote im laufenden und nächsten Jahr weiterhin unter ihrem langfristig leicht ansteigenden Trend verlaufen, trotz eines sinkenden bzw. nur moderat ansteigenden Nenners (BIP). Um die Klimaziele zu erreichen, ist hingegen ein spürbarer Anstieg der Quote bzw. ein stärker positiver Trend erforderlich. Die konjunkturellen Realitäten werden dies kurzfristig verhindern, und steigende staatliche Investitionen werden hier nicht ausreichend gegensteuern können. Der Krieg in der Ukraine mag zwar aufgrund der Preisanstiege bei fossilen Energiequellen die Energiewende und damit die Notwendigkeit von Investitionen grundsätzlich beschleunigen. Doch hierfür ist eine allgemeine und vor allem glaubhafte konjunkturelle Erholung notwendig, die im laufenden und nächsten Jahr nicht zu erwarten ist. Die Klimaziele müssen deshalb warten, zumindest wenn sie durch unternehmerisches Handeln des Privatsektors erreicht werden sollen.

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