[Consumer & Retail-Information vom 3. November 2022]

Steigende Kosten fossiler Energieträger befeuern Nachfrage nach Alternativen

Die Sicherung der Gasversorgung steht seit Ausbruch des Ukrainekriegs im Fokus der Aufmerksamkeit, ebenso die drastischen Preissteigerungen bei Gas, Öl und Strom, was private Haushalte und Wirtschaft gleichermaßen belastet. Im Endenergieverbrauch spielt die Wärmeerzeugung sowohl bei industriellen Prozessen als auch bei der Heizung von Gebäuden und Wohnungen eine wesentliche Rolle. Private Haushalte verbrauchen rund 70 % der benötigten Energie für Raumwärme, weitere 15 % für Warmwasser. In Gewerbe, Handel und Dienstleistungen dominieren Wärmeanwendungen mit über 60 %, in der Industrie hat Prozesswärme den größten Anteil am Endenergieverbrauch. Bezogen auf die Energieträger lag der Anteil Fossiler (Öl, Gas, Kohle) 2020 bei rund 59 % in privaten Haushalten bzw. 51 % in Gewerbe, Handel und Dienstleistungen sowie annährend 55 % in der Industrie. Demgegenüber kam die sogenannte „Erneuerbare Wärme“ in der Industrie lediglich auf ca. 5 %, bei privaten Haushalten nur auf 14 %.
Auch, wenn die Umsetzung der von der Expertenkommission „Gas und Wärme“ am 10. Oktober 2022 vorgestellten Vorschläge für eine Gas- und Wärmepreisbremse eine teilweise Entlastung der gewerblichen Wirtschaft und der Privathaushalte bringen wird, haben die Preisentwicklungen der vergangenen Monate sowie die Sicherstellung der kurz- und mittelfristigen Versorgung für erhebliche Nachfragebewegungen bei alternativen Energieträgern gesorgt, u.a. bei Holz als Brennstoff.

Die Zahl der Pelletkessel und -kaminöfen in Deutschland steigt seit einer Dekade kontinuierlich, Ende 2022 werden an die 650.000 Pelletfeuerungen installiert sein, was einem Plus von mehr als 30 % innerhalb der letzten zwei Jahre entspricht. Die Nachfrage nach Brennstoff steigt im Gleichschritt. In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres wurden nach Berechnungen des Deutschen Pelletinstituts (DEPI) rund 2,7 Mio. t Pellets in Deutschland produziert (+18 % gegenüber Januar bis September 2020). Alleine im 3. Quartal 2022 erreichte die Produktionsmenge einen Rekordwert für ein einzelnes Quartal von 946.000 t. Die Produktionssteigerungen sind das Ergebnis eines massiven Kapazitätsausbaus der Holz verarbeitenden Industrie in Pelletswerke im DACH-Raum in den vergangenen Jahren. Die Mehrheit der führenden Sägewerke und Holzwerkstoffhersteller hat in die eigene Verarbeitung von Restholz zu Presslingen investiert, weitere Projekte sind in Umsetzung bzw. Planung.

Konkurrenz um den Rohstoff Holz treibt die Preise

Zusätzliche Dynamik hat die Nachfrage nach Energieholz seit Herbst 2021 durch die stark gestiegenen Kosten bei Heizöl, Gas und den zunehmenden Preisabstand zu Holzpellets erhalten – bezogen auf die Preise je erzeugter kW/h Energie. Ab dem Jahreswechsel 2021/22 sind die Pelletspreise signifikant gestiegen und lagen im September bei ca. 764 €/t (DEPI; Preis ENplus A1, bundesweit, Abnahme 6 t) gegenüber 432 € im Juni bzw. 303 € zum Jahresende 2021. Das entspricht einer Zunahme um 77 % bzw. 152 %. Im Ergebnis lagen die Kosten pro erzeugter kW/h Energie im September mit knapp über 15 Ct auf dem Niveau von Heizöl, aber noch um ca.
5 Ct unterhalb der Brennstoffkosten von Gas. Im Oktober hat sich die Preissituation bei Pellets leicht entspannt, was insbesondere aus einer Beruhigung der Nachfrage durch Bevorratungskäufe in den Vormonaten resultiert. Erstmalig seit einem Jahr ist der Pelletspreis gesunken und war mit 744 €/t um 2,6 % günstiger als im Vormonat.
Erwarten wir eine weitere Entspannung? Nach jetzigem Stand ist diese Frage aus IKB-Sicht zunächst mit einem Ja zu beantworten. Für November und Dezember 2022 gehen wir von einer Preisbewegung in Richtung 600 €/t aus. Die weitere Entwicklung Anfang 2023 ist aufgrund der komplexen Rahmenbedingungen wieder von höherer Unsicherheit geprägt. Durch die positiven Effekte der Gaspreisbremse wird sich die Preisschere zwischen Gas und Pellets reduzieren, aktuell tendieren Öl- und Gaspreise abwärts, Pelletsvorräte sind angelegt und die psychologische Komponente des Ukrainekriegs sollte die Nachfrage zumindest nicht zusätzlich stimulieren. Gleichzeitig erwarten wir bei nachlassendem Nadelholzeinschnitt der Sägewerke ein sinkendes Angebot an Sägerestholz und -nebenprodukten, insbesondere bei Sägespänen, welche in der Pelletsproduktion ca. 90 % des Rohstoffs ausmachen. Dieser gegenläufige Effekt wird einen Preisrückgang im Trend bremsen.

Während die Preisentwicklung bei wesentlichen Holzwerkstoffen und Nadelschnittholz nach Höchstständen im Sommer 2021 und einer nochmaligen zwischenzeitlichen Aufwärtsbewegung im April/Mai 2022 klar nach unten weist, befinden sich die Preise für Sägerestholz in Deutschland in einem bislang anhaltenden Aufwärtstrend. Nach EUWID-Berechnungen lag der Preis für Sägespäne Anfang Oktober 2022 (Preis Süddeutschland; Sägespäne o.R.) bei ca. 33 bis 38 € je Schüttraummeter (srm). Mitte Juni betrug der Preis noch 18 bis 22 €, vor einem Jahr 8,50 bis 10 € und zum Jahresanfang 2021 lediglich 4,50 bis 5,50 €. Die Erwartungen des Marktes hinsichtlich des weiteren Preisverlaufs sind derzeit uneinheitlich. Selbst bei einem Rückgang um 10 €/srm läge der Preis noch um annähernd 200 % über dem Vorjahresniveau. Ein geringeres Angebot durch reduzierte Einschnittmengen bei gleichzeitig steigender eigener Verwertung von Sägerestholz durch integrierte Sägewerke wird die Rohstoffversorgung nicht integrierter Pelletsproduzenten perspektivisch verschlechtern.

Holzwerkstoffplatten geraten unter Preisdruck

Problematisch ist die Konkurrenzentwicklung zwischen stofflicher und thermischer Verwertung insbesondere für die Hersteller von HDF-/MDF- und Spanplatten. Hackschnitzel und Sägespäne sind wesentliche Inputfaktoren bei der Produktion und auch bei einem zunehmenden Einsatz von Recyclingholz – das im Preis ebenfalls deutlich gestiegen ist und u. E. hoch bleiben dürfte –, bleiben Hackschnitzel und Sägespäne aus Frischholz ein bedeutender Kostenfaktor. Die Holzplattenhersteller konnten anziehende Inputpreise ab Sommer 2020 zunehmend gut an ihre Abnehmer weiterreichen. Die Wohnmöbel- und Küchennachfrage während der Coronapandemie war expansiv, ebenso zählten Hersteller von Do-it-yourself-Produkten durch anziehende Renovierungsaktivitäten zu den Branchen, die von Budgetumschichtungen der Konsumenten profitierten. Nicht zuletzt war auch die Bautätigkeit trotz steigender Baustoffpreise stabil. Die Preise für Rohspanplatten stiegen nach EUWID-Erhebungen von 110-115 €/m³ (Rohspanplatte 16-19 mm, Standard) Anfang April 2020 über 150-160 € im April 2021 auf 290-310 € Anfang April 2022, was einem Plus von ca. 170 % binnen 24 Monaten entspricht.

Seit Juni hat allerdings eine Gegenbewegung eingesetzt, der Preis lag Ende September bei 255-275 €/m³.
Der Konjunkturausblick trübt sich weiter ein, wesentliche Abnehmerbranchen wie die Möbelindustrie verzeichnen zum Teil deutlich rückläufige Auftragseingänge. Zwar ist durch die Auftragsbestände bei einzelnen Produkten noch für eine hohe Auslastung bis zum Jahresende gesorgt, für das Jahr 2023 rechnet die IKB in Summe mit einer sinkenden Produktion von Büro-, Wohn- und Küchenmöbeln. Auch ist von geringeren Impulsen aus dem Auslandsgeschäft auszugehen und trotz des aktuell noch bestehenden Auftragsüberhangs werden im Neu-, Renovierungs- und Ausbau im nächsten Jahr geringere Volumina erwartet. Die Rahmenbedingungen sprechen in Summe für eine sinkende Nachfrage nach Holzwerkstoffplatten. Dies wiederum limitiert bzw. verhindert notwendige Preisanpassungen, sofern die Plattenproduzenten ihre Ausbringung nicht adäquat anpassen. Von der Rohstoffseite sind bei Sägerestholz und -nebenprodukten aufgrund des skizzierten Ausblicks für die thermische Holzverwertung im ersten Halbjahr 2023 nach jetzigem Stand nur bedingt Entlastungen realistisch.        

Was kommt nach dem aktuellen Boom?

Der Anteil sogenannter „Erneuerbarer Wärme“ am Energiemix von Industrie, Gewerbe und Privathaushalten wird in den kommenden Jahren steigen. Die Weichenstellung auf politischer Ebene ist EU-weit und national vollzogen und es besteht ein weitgehender gesellschaftlicher Konsens, dass dieser Weg der richtige ist.
Aktuell führen Preisverwerfungen bei Heizöl und Gas sowie die Diskussion um eine mögliche Gasmangellage zu einem Boom bei Holzpellet-, Hackschnitzelheizungen sowie Biomasseheizkraftwerken. Welche mittel- und langfristige Rolle die thermische Verwertung von Holz im Zusammenspiel mit anderen alternativen Energien – insbesondere Solarenergie, Geothermie und Windkraft – spielen wird, hängt stark von der Regulatorik sowie der Behandlung von Holz- und Pelletfeuerungen im Rahmen der Förderung für effiziente Gebäude ab. Im Zuge der jüngsten Verabschiedung der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (Renewable Energy Directive – RED III) wurde kontrovers über die Definition von Holz als nachhaltige Biomasse zur Strom- und Wärmeerzeugung im industriellen Bereich diskutiert. Nach unserem Verständnis ist weiterhin nicht klar, ob, ggf. ab wann und in welchem Umfang Beschränkungen erfolgen werden. Im Raum stehen zudem Änderungen bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), wodurch ab 2023 reine Biomassekessel möglicherweise nicht mehr als förderfähig eingestuft werden, sondern lediglich in Verbindung mit einer Solarthermieanlage. Die wirtschaftliche Attraktivität von Holz-/Pelletfeuerungen im Vergleich zu anderen Systemen würde damit sinken, im Trend sieht die IKB perspektivisch trotzdem eine steigende Nachfrage und damit eine anhaltend starke Konkurrenz zwischen stofflicher und thermischer Holzverwertung.

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Dennis Rheinsberg
Direktor und Head des Sektorteams Energy, Utilities & Resources
E-Mail: dennis.rheinsberg@ikb.de