Roger Schilling, Werksleiter Mannheim von Essity: „Die Branchen- und Fördermittelexpertise der IKB hat uns unterstützt, die Finanzierung der Papierfabrik zu optimieren“.

Essity ist ein global führendes Hygiene- und Gesundheitsunternehmen.

Sie wollen Hygienepapier aus Stroh herstellen. Was ist neu an dem Prozess?

Papier aus Stroh ist nichts Neues. Das hat es bereits vor Hunderten von Jahren gegeben und auch heute gibt es weltweit Strohpapier-Hersteller. Bislang ist das Papier aber meistens von minderer Qualität, rauh und pieksig. Wir haben mit SFT in den USA ein Unternehmen gefunden, das ein neuartiges Verfahren für die Herstellung eines sehr hochwertigen Zellstoffs aus Stroh entwickelt hat. Gemeinsam haben wir die Technologie zur industriellen Reife weiterentwickelt und dafür am Standort Mannheim eine neues ‚Werk im Werk‘ gebaut. Die neue Anlage ist einzigartig, es gibt weltweit bislang nichts Vergleichbares. Sie wird langfristig Benchmarks in der Tissueherstellung setzen.

Die Essity Strohzellstoff-Anlage erstreckt sich auf einer Fläche von 8.000 Quadratmeter über mehrere Gebäude. Zunächst wird das Stroh gereinigt, anschließend wird es in seine Bestandteile aufgeschlossen. Der daraus resultierende Zellstoff wird im Bleichturm aufgehellt. Über Versorgungsleitungen, die bis zu 1 km lang sind, wird der Zellstoff in flüssiger Form direkt zu den Papiermaschinen gepumpt. Komplettiert wird die Anlage durch ein neues Strohlager, das auf einer Fläche von 10.000 Quadratmetern hinter der Anlage angelegt wird. Von hier aus wird das Stroh mittels Förderbändern in die Anlage transportiert.

Bei voller Auslastung kann die neue Anlage jährlich 35.000 Tonnen Strohzellstoff herstellen. Das entspricht über 12 % der Gesamtkapazität des Werkes Mannheim.

Essity verarbeitet den Strohzellstoff in Toilettenpapieren seiner marktführenden Marke Zewa. Damit ist Essity der erste Hersteller, der ein Restprodukt aus der heimischen Landwirtschaft in der industriellen Produktion einsetzt, um die Klimabilanz seiner Produkte sortimentsübergreifend zu verbessern, ohne dass Verbraucher*innen einen Qualitätsunterschied bemerken.

Wie nachhaltig ist Ihr Papier aus Stroh?

Zellstoff aus Stroh ist ein Riesenschritt hin zu mehr Nachhaltigkeit und Regionalität und zeigt, wie Kreislaufwirtschaft im industriellen Maßstab funktionieren kann. Denn Stroh ist ein Restprodukt aus der heimischen Landwirtschaft, das hierzulande jedes Jahr in großen Mengen ungenutzt bleibt. Wir führen das Stroh in den Materialkreislauf zurück und fertigen hochwertige Produkte daraus.

Die neue Anlage ist energieeffizienter als herkömmliche Zellstoff-Fabriken, da sie mit geringeren Temperaturen und Druckverhältnissen arbeitet. Sie benötigt im Herstellungsprozess auch weniger Wasser.

Der in Mannheim hergestellte Strohzellstoff ersetzt einen Teil des holzbasierten Zellstoffs, der bisher aus dem Ausland importiert werden musste. Die kurzen Transportwege in der lokalen Beschaffung resultieren in signifikante CO2-Einsparungen.

Verarbeitet wird der neuartige Strohzellstoff sortimentsweit in den Toilettenpapieren der Marke Zewa, die seit Sommer 2022 einen Strohzellstoffanteil von mindestens 10 % enthalten. Das ist ein großer Schritt auf dem Weg in eine nachhaltige Kreislaufgesellschaft, in der nichts vergeudet wird.

Wie geht es weiter?

Essity will bis 2030 seinen CO2-Ausstoß um mindestens 35 % verringern. Für ein energieintensives Unternehmen wie wir es sind, ist dies ein ambitioniertes Ziel. Wir konzentrieren uns dafür auf acht Handlungsfelder und werden dann in Riesenschritten voran kommen, wenn es uns gelingt, karbonreduzierte Materialien mit Hilfe von Breakthrough-Technologien zu verarbeiten. Unser neuartiger Strohzellstoff ist ein solches Beispiel. Die Klimabilanz unseres Strohzellstoffs ist um mindestens 20 % besser als die von Zellstoff aus holzbasierten Frischfasern oder Recyclingfasern.

In der Zellstoffherstellung fällt Lignin als Nebenprodukt an. Dieses wird bislang meistens thermisch verwertet und dient der Energiegewinnung. Das in der Strohzellstoffherstellung anfallende Lignin hingegen lässt sich  in verschiedenen Anwendungsbereichen stofflich weiterverwerten. Nebenstromprodukte bekommen damit eine neue Bedeutung – und eröffnen Perspektiven auf neue Geschäftsfelder.

Ein Roll-out in andere Länder ist denkbar. Weil die Technologie viele unterschiedliche Pflanzenfasern, beispielsweise auch Bagasse oder Reis, verarbeiten kann, können die Zellstoffhersteller nicht nur unabhängiger werden von internationalen Lieferketten. Es ergeben sich auch Möglichkeiten geografische Regionen mit essenziellen Hygieneprodukten zu versorgen, in denen bislang nur wenig Zellstoff und Tissue zur Verfügung steht.

Wir sehen heute viele gute Nachhaltigkeitsinitiativen von Start-Ups oder Nischenanbieter. Wirklich große Auswirkungen werden wir aber nur erzielen, wenn konventionelle Hersteller ihr Kerngeschäft im industriellen Maßstab nachhaltiger gestalten. Essity leistet hierfür Pionierarbeit.

Finanzierungen mit der IKB

Essity hat die IKB bereits mehrfach mandatiert, KfW-Fördermittel für Investitionen in die energetische Optimierung von Produktionsanlagen zu beantragen und zu koordinieren. Die „Strohzellstoff-Anlage“ basiert auf ehrgeizigen Umwelt- und Klimaschutzzielen. Für dieses Vorhaben konnten wir für Essity einen KfW-Förderkredit mit signifikantem Tilgungszuschuss erschließen.

Essity vertreibt seine Produkte und Lösungen in rund 150 Ländern unter vielen starken Marken, darunter die Weltmarktführer TENA und Tork, aber auch bekannte Marken wie Jobst, Leukoplast, Libero, Libresse, Lotus, Nosotras, Saba, Tempo, Vinda und Zewa. Essity beschäftigt weltweit rund 46.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Umsatz im Jahr 2021 betrug 12 Mrd. Euro. Essity hat seinen Hauptsitz in Stockholm (Schweden) und ist an der Nasdaq Stockholm notiert.