[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 11. Februar 2021] Im Jahr 2020 stockte der anhaltende Wachstumstrend auf dem deutschen Markt für rezeptfreie Arzneimittel (OTC = over the counter). Einzelne Indikationsformen wie Grippe- und Erkältungsmittel erlitten hohe Umsatzeinbußen, während andere Produkte, wie Vitamine, boomten. Das veränderte Konsumentenverhalten bietet zahlreiche Chancen für Pharmaunternehmen und den Apothekenversandhandel.
Auf die Bevorratungswelle folgte eine schwache Nachfrage nach OTC-Arzneimitteln
Vor einem Jahr haben wir im IKB-Blog einen Beitrag mit dem Titel „Rezeptfreie Arzneimittel: Erkältungszeit fördert OTC-Marktwachstum“ veröffentlicht. Demnach entfiel in den letzten Jahren fast die Hälfte der Umsätze auf Husten- und Erkältungsmittel. Diese erzielten 2019 mit 5 % das höchste Wachstum. Die Corona-Pandemie prägte das Jahr 2020 und wirkte sich auch auf die Arzneimittelnachfrage aus.
Vor Inkrafttreten des ersten Lockdowns verbuchte der deutsche Apothekenmarkt im letzten Jahr Umsatzsteigerungen von 28 % im Vergleich zum Vorjahr. Verbraucher deckten sich aus Angst vor Lieferengpässen umfangreich mit verschreibungsfreien Arzneimitteln ein. In den nächsten Monaten folgten allerdings Umsatz- und Absatzrückgänge. Die Präventionsmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie führten zu einer geringeren Übertragung von Grippe- und Erkältungskrankheiten sowie zu einem Rückgang von Reisen und damit verbundener Arzneimittelnachfrage. Im Gegensatz zu den Vorjahren verbuchten Grippe- und Erkältungsmittel in den Monaten November und Dezember 2020 erhebliche Umsatzrückgänge von rund 50 % im Vergleich zum Vorjahr. Andere Indikationsformen hingegen profitierten von der veränderten Arzneimittelnachfrage; so erzielten beispielsweise Präparate zur Prävention und Immunstärkung (Vitamine, Mineralstoffe) zum Jahresende 2020 ein positives Momentum.
Auch bei den Vertriebskanälen gab es Veränderungen: die Dynamik in Richtung Versandhandel hat sich ungebrochen fortgesetzt. Sein Anteil am OTC-Markt war in Deutschland bereits von 11,7 % im Jahr 2013 auf 16,4 % im Jahr 2019 gestiegen. 2020 verlor der OTC-Absatz in deutschen Apotheken zwar erneut, und zwar um 9,1 %, in Versandapotheken stieg er allerdings um 12,1 %. Die Versandapotheken profitierten dabei besonders stark vom Vorweihnachtsgeschäft.
OTC-Hersteller punkten mit diversifizierten Portfolios und digitaler Präsenz
2021 werden die Auswirkungen der Corona-Pandemie weiterhin spürbar sein. Die Präventionsmaßnahmen der Bundesregierung und das höhere Hygienebewusstsein führen weiterhin zur erschwerten Übertragung von Grippe- und Erkältungskrankheiten. Die meisten Menschen haben ihr Reiseverhalten während der Pandemie angepasst. Für die Zeit nach Aufhebung der erheblichen Einschränkungen wird auf dem OTC-Markt dennoch eine Fortführung des Wachstumspfads der letzten Jahre erwartet. Denn das veränderte Konsumentenverhalten ermöglicht die Einführung von Innovationen und neuen Konzepten. Ein diversifiziertes Produktportfolio und starke Marken haben sich während der Pandemie als vorteilhaft erwiesen und werden auch von künftigen Gesundheitskrisen profitieren. Das große Wachstum im Apothekenversandhandel bietet auch für Arzneimittelhersteller Potential. Viele Verbraucher haben während der Pandemie erstmalig die Vorteile des Versandhandels von Medikamenten kennen gelernt und werden diesen Vertriebskanal verstärkt nutzen. Digitale Präsenz und eine angepasste Marketingstrategie sind für OTC-Hersteller daher unerlässlich.
Claudia Klein ist Prokuristin in der Industriegruppe Healthcare, Pharma & Chemicals der IKB. Sie ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Neben dem Master of Science an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management hat sie ihre ersten fünf Berufsjahre bei einer Sparkasse und in einer Unternehmensberatung absolviert, bevor sie 2019 zur IKB stieß.
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