[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 7. Juli 2022]
Die Covid-19-Pandemie unterbrach den Wachstumspfad der rezeptfreien Arzneimittel (OTC = over the counter). Verstärkte Hygiene-Maßnahmen und Kontaktreduzierungen führten zu Verschiebungen bei einzelnen Indikationsformen. Zwar ist eine Normalisierung in den letzten Monaten zu verzeichnen, allerdings stehen neue Herausforderungen bevor.
Erste Erholungstendenzen ab dem zweiten Quartal 2021
Die Covid-19-Pandemie bildet sich in der Umsatzentwicklung von OTC-Arzneimitteln spürbar ab: Im ersten Pandemiejahr 2020 folgte auf einen kurzfristigen Absatzzuwachs durch Bevorratungskäufe ein Rückgang der Nachfrage aufgrund des Lockdowns und veränderten Konsumentenverhaltens. Im Gesamtjahr sank der Umsatz mit rezeptfreien Arzneimitteln um 1,3 % auf 9,34 Mrd. Euro nach jahrelangem Wachstumskurs.
2021 fand ein starker Rückgang im ersten Quartal und eine leichte Erholung ab dem zweiten Quartal statt. Diese Erholungseffekte führten 2021 in Summe zu einem Umsatzplus von 2,5 %. Beim Blick auf die Distributionskanäle sieht man, dass der Umsatzanteil des Apothekenversandhandels im Vorkrisenjahr 2019 bei 18 % lag und sich durch die Pandemie kontinuierlich auf 21 % in 2020 und 23 % in 2021 steigerte. Der Versandhandel bleibt damit Umsatz- und Absatztreiber und ist als Vertriebskanal mittlerweile etabliert.
Husten- und Erkältungsmittel 2021 weiterhin rückläufig
Die stärksten Produktkategorien im OTC-Markt sind 2021 die Husten- und Erkältungsmittel, gefolgt von Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln sowie Schmerzmitteln, auch für Muskeln und Gelenke. Diese Präparategruppen vereinen 58 % der abgesetzten Packungseinheiten. Die Husten- und Erkältungsmittel verloren 5 % ihres Umsatzes im Vergleich zum Vorjahr, da die Erkältungs- und Grippewelle erneut deutlich unterdurchschnittlich ausgeprägt war. Die Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel wuchsen um 1,7 %, nachdem sie bereits in 2020 aufgrund des Konsumentenfokus auf Krankheitsprävention stark profitierten.
Erholung wird im ersten Quartal 2022 fortgesetzt
2022 startete im ersten Quartal mit einer deutlichen Umsatzsteigerung auf dem deutschen OTC-Markt von 14,5 %, wobei das Wachstum stärker durch Offizin-Apotheken als den Apothekenversandhandel getrieben ist. Besonders stark mit 33 % fiel der Anstieg der Husten- und Erkältungsmittel aus, während präventive Teilmärkte wie Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel mit einem Wachstum von 9,2 % das starke Niveau der Vorjahre halten konnten. Die Daten des ersten Quartals deuten somit aktuell auf eine Normalisierung von Apothekenmarkt und Konsumentenverhalten hin.
Trotz positivem Start in das Jahr stehen Unternehmen diversen Herausforderungen gegenüber: Die aktuell steigenden Inflationsraten können dennoch zu einem Umdenken der Verbraucher hin zu Nicht-Markenarzneimitteln und einer weiteren Beflügelung des Apothekenversandhandels führen. Die Effekte des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine wirken sich auch auf die Rohstoff- und Energiepreise der Pharmaindustrie aus. Ein Gas-Embargo hätte massive Auswirkungen nicht nur auf die Energieversorgung der Produktionsstätten; die gesamte Wertschöpfungskette von der Versorgung mit notwendigen chemischen Grundstoffen bis zur Verpackung wären massiv beeinträchtigt. Auch hier zeigt sich die ökonomische Notwendigkeit verstärkt in nachhaltige Energieformen zu investieren, wenn auch in geringerem Maße als bei den Herstellern rezeptpflichtiger Arzneimittel.
Claudia Klein ist Prokuristin in der Industriegruppe Healthcare, Pharma & Chemicals der IKB. Sie ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Neben dem Master of Science an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management hat sie ihre ersten fünf Berufsjahre bei einer Sparkasse und in einer Unternehmensberatung absolviert, bevor sie 2019 zur IKB stieß.
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