Revolution durch die Hintertür: NRW.Bank führt Fördererstattung ein
[Fördermittel-Infomation vom 31. August 2018] Am 20. August 2018 stellte das Landeswirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen mit dem Digitalisierungsindex ein Bündel von Maßnahmen vor, das dem Mittelstand des Landes helfen soll, Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung besser zu meistern. Wenig verwunderlich verhallte die Botschaft ohne großes Echo, denn im Vergleich zu anderen industriestarken Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg hat sich Nordrhein-Westfalen lange zurückgehalten und auch der Inhalt der entsprechenden Pressemitteilung birgt wenig Neues.
Dennoch versteckt sich in diesem Bündel eine Maßnahme, die die Förderwelt so noch nicht gesehen hat und die damit wirklich revolutionären Charakter hat. Sie trägt den unscheinbaren Namen „Fördererstattung“. Was ist hier gemeint? Teil der Maßnahmen ist die Auflage eines besonderen Förderkreditprogramms für Digitalisierungszwecke, den das Ministerium mit seiner heimischen NRW.Bank ins Leben gerufen hat und über das wir an dieser Stelle noch einmal separat berichten werden, wenn es zum 1. September diesen Jahres in Kraft getreten ist. Das Besondere: Die NRW.Bank will Antragstellern bis zu 1 % des Endkreditnehmerzinssatzes erstatten. Wie kann man sich das vorstellen? Der Endkreditnehmersatz für einen Förderkredit setzt sich zusammen aus einerseits dem Programm-Einstand, der für jeden Antragsteller gilt und den die Förderbank festlegt, in diesem Fall die NRW.Bank, sowie andererseits aus der Durchleitungsmarge. Die Durchleitungsmarge wird über das förderbankenübergreifende risikogerechte Zinssystem (kurz RGZS) kundenindividuell und in Abhängigkeit von Bonität und Besicherung bestimmt. Nehmen wir an, der Programm-Einstand sei „0“ – was wir zumindest für den Programmstart des NRW.Bank-Digitalisierungskredites erwarten würden – und die sich aus dem RGZS ableitende Durchleitungsmarge sei 1,4 %, so ergibt dies einen Endkreditnehmersatz von 0 + 1,4 % = 1,4 %. Nun kommt die Fördererstattung ins Spiel, denn anstelle des Kunden übernimmt die NRW.Bank hiervon 1 %, so dass der Kunde nur 0,4 %-Zinsen p.a. über die gesamte Laufzeit des Förderdarlehens zu zahlen hat. Allen, die nun auf negative Sätze hoffen, sei an dieser Stelle gesagt, dass die NRW.Bank den Zins nach unten auf „0“ begrenzt (sog. floor). Der Grund hierfür ist insbesondere rechtlicher Natur, denn ein Darlehen, für das der Kreditnehmer keine Zinsen zahlt, sondern erhält, deckt deutsches Recht nicht ab. Auch das Programm NRW.Bank-Elektromobilität soll mit einer Fördererstattung versehen werden. Bislang kannte die Förderwelt den auf Betreiben des BMWi zunächst für die wohnwirtschaftlichen und später auch für ausgewählte gewerbliche und kommunale KfW-Programme eingeführten Tilgungszuschuss. Der Tilgungszuschuss war sicher zumindest zum Teil auch eine Reaktion auf die Niedrigzinspolitik der EZB; denn diese führte zeitweise dazu, dass der Zinsvorteil der Förderkredite gegenüber Kapitalmarktprodukten dahinschmolz wie Eis in der Sonne. Ebenso wie die Fördererstattung steht der Tilgungszuschuss im zwingenden Zusammenhang mit einem Förderkredit, allerdings setzt er nicht an der Marge an, sondern am Kreditvolumen. Bei Vorliegen entsprechender Förderparameter wird der gewährte Tilgungszuschuss gegen das Obligo gerechnet und der Darlehensnehmer zahlt weniger zurück, als er an Kredit aufgenommen hat. Juristen würden hier von einem Teilschuldenerlass sprechen. Diese Vorgehensweise hat sich in den gewerblichen Programmen KfW-Energieeffizient Bauen & Sanieren und KfW-Abwärme seit einigen Jahre bewährt und gibt angesichts teilweise beträchtlicher Zuschussquoten erhebliche Anreize für die Antragsteller mehr in das Thema Energieeffizienz zu investieren, als vielleicht ursprünglich vorgesehen. Allerdings unterliegen die Tilgungszuschüsse grundsätzlich – genau wie reguläre Zuschüsse – dem Beihilferecht (AGVO – Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung). Ein durchaus komplexes Thema, mit dem man umzugehen wissen muss. Und genau da liegt dann auch der Knackpunkt. Die Fördererstattung der NRW.Bank fällt zumindest auf absehbare Zeit nicht unter das Beihilferecht und ist somit beihilfefrei, zumindest solange, wie der EU-Referenzzinssatz für Deutschland das Niveau „0“ nicht übersteigt. Insofern zunächst ein einfacher und pragmatischer Lösungsansatz, der Klein- und mittelständischen Unternehmen entgegenkommt. Aber auch Nachteile sind nicht von der Hand zu weisen: Zum einen sollte öffentliche Förderung grundsätzlich hinterfragt werden, wenn sie mit der Gießkanne erfolgt. Auch wenn Nordrhein-Westfalen Angabe gemäß auf ehrgeizige Vorhaben abstellt, liegt auf der Hand, dass die Fördererstattung die Individualität des Fördervorhabens nicht berücksichtigt. Dies leistet der Tilgungszuschuss hingegen schon, denn dessen Höhe wird stets individuell und projektspezifisch ermittelt und gerechtfertigt. Zum anderen bleibt der NRW.Bank mit der vorliegenden Programm-Konfiguration kaum eine andere Möglichkeit, als mit einer Anpassung der Einstände zu reagieren, sobald der EU-Referenzzinssatz sich bewegt und das Thema Zinssubvention wieder zum Leben erwacht. Das Tal der Nullzinsen für Langfristkredite ist auf jeden Fall schon seit Herbst letzten Jahres verlassen worden, wie der Blick auf die Swap-Sätze an den Kapitalmärkten zeigt. Auf jeden Fall ist dem Land Nordrhein-Westfalen und der NRW.Bank zu diesem genauso mutigen wie innovativen Schritt zu gratulieren. Wir werden in den nächsten Monaten sehen, wie sich die Fördererstattung in der Praxis bewährt und wie lange die Mittel der NRW.Bank ausreichen. Für die KfW hingegen, die ihr ERP-Digitalisierungs- und Innovationsprogramm aufgrund von Übernachfrage – wir berichteten an dieser Stelle – im März des Jahres zunächst ausgesetzt und für das laufende Jahr nur mit Einschränkungen wieder aufgenommen hat, stellt das neue NRW.Bank- Digitalisierungsprogramm eine neue Benchmark dar.
Jens Fröhlich ist Leiter Fördermittel & Exportfinanzierung und zusammen mit seinem Team verantwortlich für die Akquisition und Umsetzung von Kundenprojekten in den entsprechenden Bereichen und hält den Kontakt zu allen hierfür relevanten öffentlichen Stellen. Er studierte Volkswirtschaft in Duisburg und Soka (Japan) sowie Rechtswissenschaften in Münster. Seine ersten Berufsjahre absolvierte er in auf den Mittelstand ausgerichteten Beratungsunternehmen, bevor er 2000 zur IKB stieß. Er schreibt zu aktuellen Themen, die relevant für die Förderpolitik, Förderkredite und Zuschussförderung sowie die Exportfinanzierung des deutschen Mittelstands sind.
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