[Kapitalmarkt-News vom 6. November 2024]
Fazit: Es wird viel über die Folgen der erneuten Trump-Präsidentschaft diskutiert: Mehr Protektionismus, zunehmende Unsicherheit, schwierige internationale Beziehungen, schwächeres globales Wirtschaftswachstum sind u. a. die Themen. Für die deutsche Politik ergibt sich jedoch eine klare Handlungsnotwendigkeit: Der Wirtschaftsstandort Deutschland wird weiter an Attraktivität verlieren. Umso dringender ist deshalb eine spürbare Investitionsoffensive am Standort Deutschland, wie sie z. B. Wirtschaftsminister Habeck mit seinem Deutschlandfonds fordert.
Hochrechnungen deuten auf einen Sieg der Republikaner im Repräsentantenhaus und im Senat hin. Dieses Ergebnis würde dem zukünftigen Präsidenten Trump weitreichende politische Freiräume für seine Agenda geben. Aus wirtschaftspolitischer Sicht sind die Kernthemen:
- Weitere Steuersenkungen für Unternehmen ohne substanzielle Ausgabenkürzung.
- Protektionistische Handelspolitik mit Zollerhebungen zum Schutz der US-Industrie. Dies bleibt ein zentraler Aspekt der Trump-Politik. So ist grundsätzlich, aber insbesondere gegenüber China, mit Zolleinführungen bzw. weiteren Anhebungen zu rechnen. Im Raum stehen Tarife von bis zu 60 % auf chinesische und zwischen 10 % und 20 % auf alle anderen Güter.
Was heißt dies für die Märkte, die Weltwirtschaft und vor allem für Deutschland? Die Sorge eines ausufernden US-Fiskaldefizits und steigender Schuldenquoten könnte den US-$ weiter belasten und die US-Inflation erhöhen. Zusammen mit einem Konfrontationskurs gegenüber China könnte sich ein Aufwärtsdruck auf langläufige US-Renditen ergeben. Denn zunehmende Inflationssorgen werden zu einer höheren Inflationsprämie bzw. steigenden Inflationserwartungen führen. Für die Fed wird der Raum für Zinssenkungen im Jahr 2025 damit enger. Grundsätzlich wird die Schuldentragfähigkeit der USA mehr und mehr in Frage gestellt werden, eine Situation wie sie auch Anfang der 80er Jahre unter Reagan der Fall war. Doch infolge der damaligen Reformen wuchs die US-Wirtschaft kräftiger, und die US-Schuldenquote sank in den 90er Jahren sogar. Ob solche Angebotsreformen dieses Mal eine ähnliche Wirkung haben, bleibt abzuwarten. Die US Budget Office prognostiziert einen weiteren deutlichen Anstieg der staatlichen Schuldenquote.
Doch sind die Inflationssorgen berechtigt? Höhere Defizite und Zölle würden in erster Instanz für mehr Nachfrage und direkte Preisschocks sorgen, was erst einmal inflationär wirkt. Doch sinkende Unternehmenssteuern sowie mehr Protektionismus werden auch für eine Zunahme der Investitionen aus dem In- und Ausland sorgen, was die Angebotsseite der Wirtschaft stärken wird. Bereits unter der ersten Trump-Präsidentschaft waren infolge der protektionistischen Maßnahmen deutsche Direktinvestitionen in die USA deutlich angestiegen.
Grundsätzlich wird das Potenzialwachstum der Weltwirtschaft durch einen stärkeren Protektionismus sinken. Doch auch ohne eine zweite Trump-Präsidentschaft wäre dies der Fall. Bereits seit seiner ersten Präsidentschaft und insbesondere seit der Corona Pandemie ist die westliche Welt gefangen in einem fragwürdigen Narrativ: Globalisierung bzw. Welthandel führe zu Abhängigkeiten, und Chinas Interessen wären diametral zu denen des Westens. Auch ist China laut den USA verantwortlich für das anhaltende US-Handelsbilanzdefizit und damit für den Niedergang der US-Industrie. Ohne Zweifel werden die chinesischen Beziehungen mit der westlichen Welt grundsätzlich und mit den USA insbesondere weiter belastet werden. Dies gilt vor allem deshalb, weil sich Chinas Industriepolitik auf eine Zunahme der Wertschöpfung und die Etablierung der Marke „Made in China“ fokussiert. Diese Politik und damit der Industriestandort China wird durch einen steigenden Protektionismus und einer eskalierenden Anti-China-Haltung weiter geschwächt.
Der Ausblick für die US-Wirtschaft hat sich kurzfristig aufgehellt. Zusammen mit der Steuerpolitik sollte dies die „bullishe“ Stimmung auf den US-Aktienmärkte stützen. Für global agierende Unternehmen außerhalb der USA ist das Bild weniger eindeutig. Investitionsentscheidungen werden mehr und mehr durch politische Einflüsse wie Zölle getrieben, das globale Wirtschaftswachstum wird insgesamt niedriger und weniger berechenbar ausfallen. Infolge sollte die Risikoaversion zunehmen, was den US-$ und US-Treasuries etwas stützen könnte. Inflationssorgen, politische globale Unsicherheit und ein schwächerer US-$ sollten hingegen den Goldpreis (in US-$) stützen bzw. weiteren Auftrieb geben.
Deutsche Exporte werden durch ein niedrigeres globales Wirtschaftswachstum, höhere US-Zölle und Gegenmaßnahmen aus China belastet. Ein etwas positiverer Ausblick für die USA, die der größte Handelspartner der deutschen Wirtschaft sind, wird den negativen Einfluss etwas dämpfen. Doch Zölle, niedrigere US-Steuern und ein stabiles US-Wachstum auf der einen Seite sowie eine stagnierende deutsche Wirtschaft auf der anderen schaffen klare Anreize für deutsche Direktinvestitionen in die USA. Der Wettbewerbsstandort Deutschland wird im direkten Vergleich mit den USA weiter an Attraktivität verlieren. Dies gilt auch aufgrund der hohen Energiekosten in Deutschland. Und anders als während der ersten Trump-Präsidentschaft sind die Anreize nun noch deutlicher: Der Inflation-Reduktion-Act und die neue Trump-Präsidentschaft mit Zollmauern, niedrigeren Steuern und einer stärkeren US-Wirtschaftsdynamik schaffen insgesamt deutliche Anreize für Investitionen in die USA – zumindest kurzfristig.
Einschätzung: Es ist zwingend notwendig, dass die deutsche Wirtschaft und die Standortpolitik auf die jüngsten internationalen Entwicklungen reagieren. Denn das Umfeld hat sich für Deutschland infolge des Trump-Wahlsieges nochmals verschlechtert. Dies betrifft das globale und deutsche Potenzialwachstum, die durch mehr Protektionismus belastet werden. Mit Trump wird der Investitionsstandort USA weiter an Attraktivität gewinnen. Jüngste Umfragen und Analysen der Bundesbank deuten bereits für die letztem Jahren auf eine höhere Präferenz deutscher Investitionen gerade in die USA hin. So bleibt es zwingend notwendig, dass die deutsche Politik nicht nur Reformen anstößt, sondern auch einen spürbaren Impuls für Investitionen in Deutschland liefert. Gerade infolge des Wahlsieges von Donald Trump muss Deutschland eine Investitionsoffensive starten, wie sie von Wirtschaftsminister Habeck mit seiner Idee eines Deutschland-Fonds vorgestellt wurde.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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