[Kapitalmarkt-News vom 24. Februar 2021]

Fazit: Der Ausblick auf eine konjunkturelle Erholung führt zunehmend zu Inflationserwartungen, während eine anhaltende Depression immer unwahrscheinlicher wird. Dies wird nominalen Renditen Auftrieb geben – in dem Maße, wie es das EZB-Ankaufvolumen zulässt. Die EZB wird dieses aber zunehmend anpassen müssen, denn die Konjunktur sollte sich bis Anfang 2022 deutlich belebt haben. Doch für einen anhaltenden Anstieg des Verbraucherpreisindex benötigt es mehr als eine Geldmengenausweitung. Die effektive Nachfrage ist entscheidend. Ob die Nachfrage angesichts der europäischen Schuldenquoten stark genug ist, bleibt unsicher.

Extrem negative reale Renditen und Erwartungen einer Konjunkturerholung passen nicht lange zusammen. Es ist zunehmend an der Zeit, dass die deutschen Renditen aufholen – wenn es das EZB Ankaufprogramm zulässt. Dies könnte den DAX vorübergehend unter Druck setzen bzw. weniger unterstützend wirken. Doch solange der Renditeanstieg von der Erwartung einer sich aufhellenden Konjunktur getrieben ist, bleibt das Abwärtsrisiko für den DAX überschaubar. Raum für bedeutende Renditeanstiege gibt es in der Euro-Zone sowieso nicht.

Die nominalen Renditen steigen, weil die Inflationserwartungen zulegen und sich der Konjunkturausblick zunehmend aufhellt. Aus fundamentaler Sicht ist dies eine nachvollziehbare Entwicklung, die anhaltend sollte. Auch wenn es weiterhin viel Unsicherheiten gibt, gibt es dennoch robuste Entwicklungen, die eine wirtschaftliche Erholung signalisieren. Die Impfkampagnen gewinnen global an Fahrt und reduzieren die Wahrscheinlichkeit für erneute Lockdown-Maßnahmen in der zweiten Jahreshälfte 2021 und später. Mit einer Impfquote von über 30 % wie in Israel sinkt die Zahl der Neuinfektionen bereits spürbar. Auch wenn viele europäische Länder aktuell erst eine Impfquote von unter 3 % aufweisen, sollte der positive Einfluss der Impfkampagnen auf die zweite Jahreshälfte 2021 nicht unterschätzt werden. Denn es ist davon auszugehen, dass die Impfquote einen S-Kurvenverlauf zeigen wird. Sie wird also exponentiell steigen und somit im zweiten Quartal deutlich zulegen. Um den aktuellen Lockdown schnellstmöglich zu beenden, sind die Impfquoten allerdings noch zu niedrig. Aber spätesten in der zweiten Jahreshälfte ist von einer pulsierenden wirtschaftlichen Erholung auszugehen – in Deutschland, in Europa und zunehmend auch global. Diese relativ synchrone Erholung wird zu einem hohen weltweiten Wirtschaftswachstum im Jahr 2021 und 2022 führen. Selbst Schwellenländer mit einer aktuell weniger überzeugenden Impfquote sollten ab 2022 dazu beitragen.

Die Renditen werden also weiter steigen – es sei denn, die Notenbanken kontrollieren weiterhin durch Aufkaufprogramme das lange Ende der Zinskurve. Da allerdings auch bei der EZB im ersten Quartal 2022 eine Beendigung bzw. deutliche Reduzierung des Aufkaufprogramms anstehen sollte, ist mit einer fundamentalen Korrektur deutscher Renditen zu rechnen. Anders ausgedrückt: Die EZB ist gut beraten, früh genug einen Auftrieb bei den Renditen zuzulassen, um spürbare Korrekturen zu vermeiden. Treiber des Anstiegs ist nicht das kurze Ende der Zinskurve – also der Leitzins –, sondern es sind die Inflationserwartungen. Diese sollten im Jahr 2021 durch den eigentlichen Inflationsverlauf Auftrieb erhalten, aber auch durch das deutlich positive konjunkturelle Umfeld. Doch die EZB kann noch auf lange Sicht argumentieren, die höhere Inflation sei nicht nachhaltig und deshalb am kurzen Ende ihre Niedrigzinspolitik beibehalten. Dies gilt selbst dann, wenn die Inflationsrate über mehrere Jahre höher ausfallen sollte. Unterstützung für diese Haltung würde sie durch ein Inflationsziel bekommen, dass die durchschnittliche Inflationsrate im Fokus hat (siehe IKB). Schließlich lag die durchschnittliche Inflationsrate in der Euro-Zone in den letzten 10 Jahren deutlich unter 1,5 %. Somit ist es auch entscheidend, dass das Inflationsziel keine Bandbreite hat. Denn dann würde sich der Handlungsdruck erhöhen für die EZB, wenn die Inflationsrate kurzfristig deutlich ansteigen würde. Die Folge wäre eine destabilisierende Geldpolitik. Schließlich kann die Notenbank durch Ihren langen, oftmals wenig effektiven Transmissionsmechanismus nur langfristige Inflation steuern.

Ob Renditen steigen oder nicht, hängt weniger vom definierten Inflationsziel als vom eigentlichen Inflationsverlauf und der Glaubwürdigkeit der Notenbank ab. Doch ob sich die Sorge vor einem mittelfristigem Inflationsdruck bestätigen wird – sei es aufgrund der EZB-Geldschöpfung, einer alternden Bevölkerung in China oder einer robusten globalen sowie lokalen Konjunkturerholung – bleibt abzuwarten. Würde die Inflationsrate nachhaltig und überzeugend steigen, wäre mit einer deutlich steileren Zinskurve zu rechnen, was den Handlungsdruck auf die Notenbank erhöhen würde. Dann müssten Kurzfristzinsen steigen, um das lange Ende einzufangen bzw. die Glaubwürdigkeit der EZB zu festigen. Ein Aufkaufproramm zur Deckelung der langfristigen Zinsen, etwa, um die Schuldentragfähigkeit mancher Eurostaaten zu sichern, wäre hingegen kontraproduktiv, da das eine expansivere Geldpolitik signalisieren würde und die Glaubwürdigkeit der Notenbank ernsthaft in Gefahr bringen würde.

Eine Leitzinsanhebungen ist nur im Falle einer nachhaltig steigenden Inflation denkbar. Die Frage ist, was macht einen Inflationsanstieg nachhaltig? Werden nicht nur Konsumgüter, sondern auch Vermögenswerte einbezogen, ist es sicherlich ein nachhaltiger Anstieg der Geldmenge. Wird nur der Anstieg der Verbraucherpreise berücksichtigt, braucht es eine Nachfrageausweitung für Konsumgüter, um Preisdruck zu erzeugen. Erhöhen sich Preise von Konsumgütern und die Löhne folgen diesem Trend nicht, sinken Realeinkommen und Nachfrage – Inflation wird sich dann nicht als nachhaltig erweisen. Reagieren allerdings die Löhne, bleibt die Nachfrage bestehen, und es ergibt sich eine Lohn-Inflations-Spirale, da die gute Auftragslage es den Unternehmen ermöglicht, den Kostendruck weiterzugeben. Allerdings kann der hohe Offenheitsgrad der Euro-Zone diese Entwicklung dämpfen, da Importgüter dann einen preislichen Wettbewerbsvorteil haben. Die inländische Nachfrage würde eher durch Importe ausgeglichen werden, was dann wiederum über einen sinkenden Bedarf an lokalen Arbeitskräften die Nachfrage schwächen würde. Ein nachhaltiger Inflationsanstieg wäre also nur im Falle einer Lohn-Preis-Spirale bei gleichzeitiger Abwertung der Währung bzw. höherer Importpreisinflation gegeben. Aktuell wird die Wahrscheinlichkeit einer Lohn-Preis-Spirale jedoch als gering gesehen. Ökonomen verweisen hierbei auf eine relativ flache Phillipskurve.  

Ausblick – Renditen

Langfristige Renditen werden auf Grundlage der Konjunktur und des Inflationsverlaufs im Jahr 2021 weiter steigen. Die realen Renditen werden aber wegen des EZB-Ankaufprogramms weiter fallen bzw. deutlich negativ bleiben. Denn das EZB-Aufkaufprogramm wird den Deckel auf die Langfristzinsen halten – zumindest kurzfristig. Von dieser Politik muss sie sich aber zunehmend abwenden, da die realwirtschaftlichen Realitäten sich deutlich ändern werden. Wie stark die Inflationserwartungen zunehmen werden, bleibt allerdings abzuwarten. Hohe private sowie staatliche Schulden belasten die Nachfrage – vor allem wenn Zinsen steigen und die Schuldenlast damit spürbarer wird. Bedeutende Zinsanstiege sind demnach noch auf Jahre nicht zu erwarten – am kurzen wie am langen Ende. Dies hat weniger mit der Schuldenquote, als mit der sich daraus ergebenen effektiven Nachfrage und der Inflationsentwicklung zu tun. Die IKB erwartet in der Euro-Zone eine Inflationsrate von 1,3 % im Jahr 2021 und von 1,8 % im Jahr 2022.

Ausblick DAX

Da reale Renditen negativ bleiben sollten, bleibt das Umfeld für den DAX weiterhin unterstützend, – wenn auch nicht so stark, wie aktuell. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Notenbank durch eine Anpassung des Inflationsziels Raum für eine anhaltend unterstützende Geldpolitik schaffen sollte. Solange die Inflationserwartungen eher durch die Konjunkturentwicklung beeinflusst werden als durch steigende Löhne, ist die Stimmung für den DAX positiv. Aber: Der Aktienmarkt hat schon lange eingepreist, was sich nun mehr und mehr auf den Zinsmärkten zeigen wird – vor allem mit einer sich ändernden EZB-Ankaufpolitik. Dies wird auch dem DAX etwas Perspektive bringen. Extrem negative Zinsen und eine spürbare konjunkturelle Erholung passen nun mal nicht zusammen. Bedeutende positive Korrekturen werden sich demnach erst mit einer spürbaren Konjunkturbelebung ergeben, was sich in das dritte Quartal 2021 hinziehen könnte. Da es angesichts der hohen Schuldenquoten kaum Raum für bedeutende Renditeanstiege in der Euro-Zone gibt, bleibt der grundsätzliche Ausblick für den DAX positiv.

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