[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 20. Mai 2020] Analysten erwarten für 2020 bei den im DAX und MDAX gelisteten deutschen Chemieunternehmen im Durchschnitt 9,6 % weniger Umsatz und 17,8 % weniger EBITDA als noch vor einem halben Jahr.

Chinas Bruttoinlandsprodukt ist im ersten Quartal um 6,8 % gesunken, zum ersten Mal seit 28 Jahren. Der Manufacturing-Purchase-Manager-Index für Deutschland fiel im April auf 34,5 Punkte und damit so stark wie seit 2009 nicht mehr. IHS markit erwartet für das zweite Quartal einen BIP-Rückgang in den USA von 37 % – eine nie dagewesene Größe. Die schlechten Wirtschaftsnachrichten haben längst den gesamten Planeten erfasst und auch die Chemieindustrie entkommt nicht der abrupt abebbenden Konjunktur. Während das erste Quartal noch vergleichsweise gut verlaufen ist und je nach Subsegment positive Überraschungen bei Umsatz und Ergebnis nicht selten waren, wird das zweite Quartal voraussichtlich deutlich herausfordernder. Glücklicherweise hat die Branche in den Krisenjahren 2008 und 2009 viel gelernt und frühzeitig Maßnahmen zur Liquiditätssicherung ergriffen. Durch Capex-Einsparungen, Working-Capital-Management und flexible Finanzierungsstrukturen kann ein Rückgang des operativen Geschäfts häufig für einige Zeit abgefedert und der Free-Cash-Flow in Krisen für einen begrenzten Zeitraum sogar gesteigert werden.

Hersteller von Basischemikalien und Kunststoffen leiden besonders

Seit der Finanzkrise haben sich deutsche Chemiekonzerne neu aufgestellt, sich spezialisiert und in erster Linie Commodity-Geschäft verkauft. Dies sollte zu einer geringeren Abhängigkeit von der globalen Konjunktur führen. Heute gibt es mit BASF nur noch einen deutschen Anbieter, der fast die gesamte Wertschöpfungskette abbildet. Die Nachfrage nach Petrochemikalien, Basischemikalien, Kunststoffen, Farben und Lacken leidet besonders unter der aktuellen wirtschaftlichen Situation. Dies liegt in erster Linie an den Abnehmermärkten, zu denen vor allem Automotive, Haushaltswaren, Maschinenbau und Baugewerbe zählen. Weiterhin übt der niedrige Ölpreis Druck auf die absoluten Umsätze aus. Für BASF gingen Aktienanalysten im Dezember 2019 von einem Umsatz von knapp 64 Mrd. € und einem EBITDA von 9,4 Mrd. € im Jahr 2020 aus. Im Mai 2020 haben sich diese Zahlen auf gut 56 Mrd. € Umsatz und ein EBITDA von 7,1 Mrd. € verringert. Beim Kunststoffhersteller Covestro sind die Einschätzungen noch negativer. Während der Umsatz im Dezember 2019 noch mit 12,9 Mrd. € prognostiziert wurde, liegt die aktuelle Erwartung bei 10,6 Mrd. €. Parallel hat sich das erwartete EBITDA von rund 1,6 Mrd. € auf knapp 900 Mio. € fast halbiert.

Spezialisierung auf Gesundheit, Ernährung und Umwelttechnologien zahlt sich aus

Wirkliche Gewinner gibt es im Zuge der Coronakrise auch in der Chemieindustrie kaum. Es existieren jedoch einige Unternehmen, die sich dank ihrer Spezialisierungsbemühungen oder ihrem starken Fokus auf den Gesundheitsbereich leichter tun, Umsätze und vor allem Profitabilität aufrecht zu erhalten. Unternehmen wie Bayer und Merck, die sich größtenteils Life Sciences verschrieben haben, sehen Analysten weiterhin mehrheitlich auf Kurs. Resiliente Geschäftsmodelle wie beim Industriegasehersteller Linde sind auch in Krisenzeiten erfolgversprechend. Zwar werden alle Unternehmen der deutschen Chemischen Industrie Rückschläge verkraften müssen, doch sind die robusten Businessmodelle und der verstärkte Fokus auf Nachhaltigkeit stabilisierende Elemente, die den Fortbestand vieler Unternehmen sichern. Die IKB erwartet, dass Unternehmen der Chemischen Industrie, deren   Geschäftsmodelle vor der Krise wohldurchdacht und strategisch durchgeplant waren, die Krise verhältnismäßig gut überstehen werden. In Summe rechnen wir mit durchschnittlichen Umsatzrückgängen von 10 % und operativen Ergebnissen (EBITDA), die ca. 20 % unter dem Vorjahr liegen werden.

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Lennart Seeger                      
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