[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 26. April 2019] Chemische Produktionsprozesse funktionieren heute weltweit nach dem gleichen Prinzip: bei stabiler Temperatur und stabilem Druck wird eine stetige Menge an Rohstoff zu einer konstanten Menge an Produkt umgesetzt. Die Rohstoffe der organischen Chemie sind Erdgas, Kohle und Erdöl. Die unterschiedlich langen Kohlenwasserstoffketten werden unter hohem Energieeinsatz separiert, gekürzt und durch verschiedene Kombinationen funktionalisiert und nutzbar gemacht. Hierfür ist eine robuste und einheitliche Energieversorgung unablässig. Im Zuge der Energiewende wird in Deutschland vermehrt auf erneuerbare Energien gesetzt. Die Herausforderung: die konstante Bereitstellung von Energie ist beim Einsatz von erneuerbaren Energien noch nicht immer gewährleistet. Im Falle einer Überversorgung im Netz kann die Wasserkatalyse eine effektive Speichermethode für Energie sein. Der entstehende Wasserstoff kann in Verbindung mit verschiedenen Abfallprodukten aus anderen Prozessen sowohl zu Gasen (Power-to-Gas), als auch zu flüssigen Substanzen wie Kraftstoffen (Power-to-Liquid) und zu Basischemikalien (Power-to-Chemicals) umgesetzt werden. Hierbei werden nicht bestehende Kohlenwasserstoffe gekürzt und funktionalisiert, sondern Abfallprodukte wie Kohlenstoffdioxid zur gewünschten Kettenlänge zusammengesetzt. Die Produktionsprozesse unterscheiden sich deshalb grundlegend von heutigen Verfahren.
Forschung und Industrie ziehen an einem Strang
Die Forschungszyklen für solch grundlegend neue Technologien werden in Jahrzehnten gemessen. Die chemische Industrie hat erkannt, dass sie ihren Beitrag zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit den weltweiten Ressourcen leisten muss. Hohe Energiekosten in Europa und vor allem in Deutschland machen diese Entwicklung auch wirtschaftlich sinnvoll, sollte sie von effizienten politischen Prozessen und einer zukunftsorientierten Industriepolitik begleitet werden. Diese muss auf eine nachhaltige Förderung ausgelegt sein, die zeitlich den Innovationszyklen entspricht. Führende Institute und Projekte sind hier die RWTH Aachen und das Kopernikus-Projekt, das neben dem Bundesministerium für Bildung und Forschung von vielen Partnern aus der Industrie unterstützt wird. Die chemische Industrie fördert zahlreiche Dekarbonisierungsprojekte, die die Zukunft der Chemieindustrie nachhaltig beeinflussen können.
Weitere Vernetzung der Industrien verspricht Effizienzgewinne
Um Rohstoffe effektiv im Kreis führen und Abfälle maximal verwerten zu können, sollten sich die einzelnen Industriezweige in Deutschland deutlich stärker vernetzen. Während die Chemieindustrie heute mit der Stahlindustrie bis auf einige wenige Geschäftsbeziehungen kaum Berührungspunkte hat, zeigt etwa das „Carbon2Chem“-Projekt von thyssenkrupp, dass eine Vernetzung der Industrien von unschätzbarem Vorteil sein kann. Durch effiziente Wasserelektrolyse und Nutzung der Hüttengase aus der Stahlindustrie lassen sich Kraftstoffe, Basischemikalien und Düngemittel herstellen. thyssenkrupp rechnet mit einer Marktreife des Prozesses im Jahr 2030; die große Herausforderung ist die Skalierung auf World-Scale-Anlagen. Es existieren zahlreiche weitere solcher Beispiele, die von einer effektiven Vernetzung der Industrien profitieren könnten. Derweil arbeiten Industrie und Forschung gemeinsam an weiteren Verfahren, die die ökonomische Herstellung von mehreren Grundstoffen ermöglichen sollen.
Sven Anders ist Abteilungsdirektor und Head des Sektorteams Industrials, Mobility & Construction der IKB. Er betreut insbesondere Unternehmen aus den Chemiebranche und ist hier involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Master of Science in Finance an der Norwegian School of Economics (NHH) hat er seine ersten beiden Berufsjahre bei einer Unternehmensberatung absolviert, bevor er 2018 zur IKB stieß.
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