[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 12. März 2020]
China und Indien produzieren ca. 60 % der weltweiten pharmazeutischen Wirkstoffe. Meldungen über eine eingeschränkte Wirkstoffproduktion in China sowie eingestellte Arzneimittel-Exporte aus Indien aufgrund der Coronavirus-Ausbreitung haben erneut die Debatte über eine teilweise Rückverlagerung der Pharmaproduktion nach Europa bzw. Deutschland angestoßen.
Rasantes Wachstum der pharmazeutischen Industrie in China
Die Pharmazeutische Industrie in China ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Während der Produktionsindex (2015 = 100) 2005 in China bei 26,2 lag, stieg er im Jahr 2018 auf 136,6 an. Im gleichen Zeitraum ist der Produktionsindex in der EU von 74,8 auf 111,0 gestiegen. Deutschland hat im gleichen Zeitraum ein Wachstum von 70,8 auf 127,4 generiert. Laut PA Industrie Report produzierten China und Indien im Jahr 2019 60 % der weltweiten API (Active Pharmaceutical Ingredient). Insbesondere generische Wirkstoffe werden dort kostengünstig produziert, sodass viele europäische und US-amerikanische Unternehmen ihre Produktion verlagerten. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Lieferengpässen für diverse Medikamente. Gründe waren Qualitätsmängel, Knappheit von Hilfsstoffen und Packmitteln oder größere Maschinenstörungen. Nun führte die Ausbreitung des Coronavirus in einigen chinesischen Unternehmen zu einem Produktionsstopp.
Deutsche Politiker fordern Rückkehr der Pharmaproduktion nach Europa
Daher befürchten führende Politiker parteiübergreifend Arzneimittelengpässe in Europa. Für einen starken europäischen Pharmastandort spricht darüber hinaus die Forderung nach einer nachhaltigen und CO2-armen Produktion, die in Deutschland durch das Klimaschutzprogramm gefördert wird. Die weltweite Pharmabranche benötigt allerdings Wirkstoffe aus China und Indien. Deshalb wird gefordert, die Abhängigkeit von China zu verringern und die EU-Wettbewerbsregeln zu reformieren. Politische Stimmen fordern zudem die Pharmaunternehmen auf, die Pharmaproduktion in Europa zu stärken.
Passend dazu kündigte Sanofi an, zeitnah einen API-Hersteller in Frankreich mit einem geschätzten Umsatz im Jahr 2022 in Höhe von 1 Mrd. Euro zu gründen. Dieses Projekt soll die Bedeutung der Wirkstoffherstellung in Europa stärken und Lieferkapazitäten sichern.
Politische Anreize müssen noch geschaffen werden
Mitte Februar 2020 beschloss der Bundestag bereits erste Maßnahmen gegen Lieferengpässe: Pharmafirmen können künftig verpflichtet werden, über ihre Bestände und die Produktion bestimmter Arzneimittel zu informieren. Bei Engpässen können die Behörden anordnen, dass die Produzenten oder Großhändler mehr Präparate auf Vorrat lagern. Ein entsprechendes Gesetz soll Ende März in Kraft treten. Es bleibt spannend zu beobachten, ob und welche Anreize der Gesetzgeber Pharmaunternehmen künftig setzen wird, um wieder mehr Produktion nach Deutschland zu verlagern.

Claudia Klein ist Prokuristin in der Industriegruppe Healthcare, Pharma & Chemicals der IKB. Sie ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Neben dem Master of Science an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management hat sie ihre ersten fünf Berufsjahre bei einer Sparkasse und in einer Unternehmensberatung absolviert, bevor sie 2019 zur IKB stieß.
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