[Consumer & Retail-Information vom 23. Februar 2021] Trotz des konjunkturellen Einbruchs im ersten Halbjahr konnte der Absatz deutscher Papierfabriken bei Papier, Karton und Pappe für Verpackungszwecke 2020 zulegen. Nach Angaben des Verbands Deutscher Papierfabriken (VDP) lag das Absatzplus zwischen Januar und November bei 2,1 %. Die Entwicklung im Jahresverlauf war dennoch herausfordernd. Während Firmen mit Kunden aus der Nahrungs-, Medizin- und Arzneimittelindustrie von der Sonderkonjunktur profitierten, brach die Nachfrage aus der Automobilindustrie und dem Maschinenbau ein. Nach eher verhaltenen Sommermonaten zog die Nachfrage im September an, als sich das Verarbeitende Gewerbe auf breiter Front erholte und auch der Export wieder zulegen konnte. Einen zusätzlichen Schub erhielt die Papierindustrie vom boomenden Online-Handel. Ab Herbst 2020 verzeichneten Wellpappenrohpapierhersteller Auftragseingänge in bisher nicht bekanntem Ausmaß. Trotz hoher Kapazitäten ist insbesondere Wellpappenrohpapier auf Altpapierbasis knapp geworden; ein Zustand, der das gesamte 4. Quartal andauerte. Auch aktuell melden die Hersteller eine sehr gute Auslastung. Bei allen Unsicherheiten zum weiteren konjunkturellen Verlauf: Die Aussichten für die Hersteller von Verpackungen aus Papier und Pappe sind 2021 und darüber hinaus positiv.

Anwendungsmöglichkeiten sind bei Weitem nicht ausgeschöpft, aber Anforderungen steigen deutlich

Ein wesentlicher Grund für den positiven Ausblick der Branche ist, dass papierbasierte Verpackungen von zwei Megatrends profitieren: Nachhaltigkeit und E-Commerce. Nachhaltige und recyclingfähige Verpackungen rücken zunehmend in den Fokus der Verbraucher und damit des Handels und der Hersteller. Weil Verpackungen als Teil eines ganzheitlichen Marken- und Produkterlebnisses wahrgenommen werden, gelten steigende Nachhaltigkeitsmaßstäbe auch für die Verpackung. Papierbasierte Verpackungen haben ein umweltfreundliches Image, aus Verbrauchersicht gelten sie als besonders nachhaltig und umweltverträglich. Neben dem Umweltaspekt profitiert die Papierverpackung zudem vom stark steigenden Online-Handel. Die Corona-Pandemie ist für diesen ein Wachstumsbeschleuniger. 2020 ist das Sendungsvolumen deutlich gestiegen, mit entsprechendem Mehrverbrauch von Kartonagen, Packpapier und Wellpappe. Prognosen des IFH Köln gehen davon aus, dass der Online-Handel in Deutschland in den kommenden Jahren kontinuierlich wachsen wird und in einem dynamischen Szenario auf rund 140 Mrd. € bis 2024 steigen kann (2019 = 70 Mrd. €). Die IKB sieht diese dynamische Entwicklungsvariante als realistisch an und erwartet spätestens 2025 einen reinen Online-Warenumsatz von 100 Mrd. €

Durch den wachsenden Online-Handel wächst das Verpackungsaufkommen in den kommenden Jahren erheblich. Nachhaltigkeitsaspekte rücken auch hier in den Vordergrund. Die Umverpackung sollte der Produktgröße entsprechen, was den Bedarf an individualisierter Verpackung erheblich erhöhen wird. Gleichzeitig soll das Material dünner und leichter werden, dennoch muss die Robustheit gewährleistet sein, um auch die Retourenfähigkeit von Waren zu ermöglichen.

Dass die papierbasierte Verpackung ökologisch sinnvoll ist, liegt auf der Hand. Insbesondere ein etablierter Stoffkreislauf, der eine hohe Recyclingquote – in Höhe von 78 % –­ ermöglicht, ist ein wesentlicher Aspekt für die Nachhaltigkeit, wie eine aktuelle Studie des bifa Umweltinstituts zeigt.1

In der Konkurrenz mit anderen Verpackungsmaterialien, insbesondere Kunststoff, sieht die IKB nennenswertes Potenzial für Papierverpackungen. Besonders der Aspekt der Wiederverwertbarkeit – die Altpapiereinsatzquote liegt bei 78 % – führt derzeit zum strategischen Nachhaltigkeitsvorteil gegenüber Plastik. Gerade die negativ behaftete Diskussion um Kunststoffverpackungen motiviert dazu, diese nach Möglichkeit durch papierbasierte Verpackungen zu ersetzen. Die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung zeigt in ihrer Studie2, dass in der DACH-Region allein durch Wellpappenlösungen 21 % der derzeit eingesetzten Kunststoffverpackungsmenge jährlich ersetzt werden können. Bei Lebensmitteln beträgt das Substitutionspotenzial 14 %, bei Non-Food sogar 31 %. Um ein adäquater Kunststoffersatz bspw. bei Lebensmitteln zu sein, müssen entsprechende Barriereeigenschaften gegenüber Sauerstoff, Wasserdampf und Fett bestehen. Die dafür notwendige Beschichtung besteht aktuell überwiegend noch aus Kunststoff. Aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten muss der nächste Schritt sein, Barrierebeschichtungen aus nachwachsenden Rohstoffen für die breite industrielle Anwendung zu etablieren. Zudem muss das Papier für das Recycling im Papierstrom zugelassen sein. Weitere Anforderungen bestehen in der Transportsicherheit und Bequemlichkeit sowie nach wie vor in einer anspruchsvollen Optik.

Viele Hersteller reagieren bereits

Die guten Zukunftsaussichten dokumentieren auch die Investitionsvorhaben der Papierhersteller. Ob Wellpappenrohpapier-, Wellpappen- oder Kartonhersteller, entlang der gesamten Wertschöpfungskette werden neue Anlagen installiert, bestehende erweitert und modernisiert. Allein 2020 sind aufgrund neuer Papiermaschinen und Ertüchtigungen europaweit neue Kapazitäten von knapp 2 Mio. Jahrestonnen hinzugekommen. Auch in den kommenden Jahren sind weitere deutliche Produktionserweiterungen geplant.

Die Angebotsausweitung kann allerdings dazu führen, dass eine Preissetzung im Sinne der Papierhersteller herausfordernd wird und die Ertragslage unter Druck bleibt. Hinzu kommt die Entwicklung der Rohstoffpreise als weiterer entscheidender Punkt für die Rentabilität. Besonders der Altpapierpreis hat 2020 deutlich angezogen und die Margen eingeengt. Auch 2021 wird trotz guter Auslastung ein herausforderndes Jahr werden. Die Altpapierpreise sind noch immer auf einem relativ hohen Niveau, zudem herrscht Unsicherheit über die weitere Entwicklung des Altpapiermarktes. Die neuen Maschinen führen zu einer erhöhten Nachfrage aus dem Inland und darüber hinaus läuft der Export besser, als noch vor einigen Monaten erwartet.

Vielversprechend, aber herausfordernd

Für Papierhersteller und Hersteller papierbasierter Verpackungen sind die Voraussetzungen in den kommenden Jahren positiv. Dennoch sorgen der Kapazitätsausbau sowie unsichere Rohstoffpreise für Ertragsrisiken und die Anforderungen an Produktionseffizienz, -flexibilität und Innovationsfähigkeit bleiben hoch. Wer sich den Herausforderungen stellt, hat gute Chancen, die sich bietenden Potenziale ausschöpfen zu können.

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1Nachhaltiger Papierkreislauf – eine Faktenbasis (Dezember 2020)
2Potenziale der Substitution von Kunststoffverpackungen durch Verpackungslösungen aus Wellpappe (Oktober 2019)

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