[Kapitalmarkt-News vom 15. Dezember 2022]

Fazit: Auch wenn die aktuelle Zinserhöhung kleiner ausgefallen ist als beim letzten Mal, lässt die EZB dennoch keinen Zweifel daran, dass weitere Zinsanhebungen von 50 bp notwendig sind. Um ihre Entschlossenheit zu demonstrieren, wären heute allerdings mindestens 75 bp angebracht gewesen.

Lagarde wie zuvor ihr Pendant Jerome Powell von der Fed haben jeglicher baldiger Beendigung von Zinsanhebungen geschweige denn Zinssenkungen eine klare Absage erteilt. Die Märkte sehen dies anders. Der Glaube an eine deutliche Abkühlung vor allem der US-Wirtschaft schürt Erwartungen einer Fed-Zinssenkung bereits Ende 2023. In der Euro-Zone sind solche Gedanken jedoch vom Tisch, und dies weniger infolge der heutigen Pressekonferenz, als vielmehr aufgrund der Tatsache, dass die Zinsen in der Euro-Zone viel zu niedrig sind, um eine baldige Zinswende zu rechtfertigen. Außerdem steigt durch das zögerliche Verhalten der EZB das Risiko eines höheren Einlagenzinssatzes am Ende des Jahres 2023. Ein Zinssatz nahe 4 % und Zinsanhebungen bis zum Herbst 2023 scheinen aktuell plausibler als ein finales Zinsniveau von 3 %. 

Inflationstreiber gehen in die richtige Richtung, brauchen aber weitere geldpolitische Straffung

Auch wenn die aktuelle Inflationsrate noch hoch ist, deuten viele Inflationstreiber bereits in eine andere Richtung. Neben nachgebenden Rohstoffpreisen sind es die Stimmungsindikatoren, die zunehmend auf eine Nachfrageverschlechterung hindeuten, sowohl in Deutschland, wie auch global. Die deutlichen Zinsanhebungen der Fed werden die US-Wirtschaft spürbar abkühlen, während jüngste Konjunkturdaten aus China auf herausfordernde Wintermonate hindeuten, auch weil aufgrund der Lockerung der strikten Corona-Politik mit deutlich höheren Infektionszahlen zu rechnen ist. Ohne Zweifel wird sich die Weltwirtschaft im Jahr 2023 spürbar abkühlen. Eine schwache Nachfrage ist zudem von Bedeutung, damit die Rohstoffpreisrückgänge weitergegeben werden können. Ein Risiko für den mittelfristigen Inflationsausblick bleibt allerdings die Lohnentwicklung. Deutliche reale Einkommensverluste in diesem Jahr werden den Druck auf die Löhne in den kommenden Jahren hochhalten.

Doch neben den bekannten Entwicklungen ist ein weiterer Treiber ins Spiel gekommen: der Devisenkurs des Euro. Nach einer deutlichen Abwertung in den ersten zehn Monaten dieses Jahres ist nun eine Gegenbewegung erkennbar. Während der Euro-US-Dollar-Devisenkurs von Januar bis Oktober um 13 % abwertete, konnte er seitdem um über 7 % zulegen. Eine Euro-Aufwertung ist um einiges effektiver darin, den Inflationsdruck zu dämpfen, als Zinsanhebungen. Denn der Transmissionsmechanismus wirkt direkter und damit schneller. Dies gilt vor allem für offene Volkswirtschaften wie die der Euro-Zone. Aktuell vergünstigt der stärker werdende Euro die Importpreise, während die Binnennachfrage geschwächt ist. Allerdings braucht es für eine spürbare Aufwertung eine straffe Geldpolitik bzw. spürbar steigende Zinsen. Auch eine Bilanzreduktion der Notenbank, die langläufige Renditen stützt, wäre hilfreich. Es ist davon auszugehen, dass der Euro weiter an Wert gewinnen wird – zumindest gegenüber dem US-Dollar. Denn die Fed wird die Zinswende aufgrund ihrer deutlich aggressiveren Zinsanhebungen vor der EZB einleiten. Zudem sollte die Risikoaversion der Märkte im Jahr 2023 nachlassen, wodurch die Bedeutung des US-Dollar als „safe haven“ nachlassen sollte. Der Grund hierfür ist die erwartete Stabilisierung bzw. Erholung der Weltwirtschaft im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 2023. Ein Ende des Ukrainekriegs würde sicherlich zusätzliche Impulse liefern.

Unsicher bleibt, wo der Höhepunkt des Einlagenzinses sein muss, um die eingeleitete Abwärtsdynamik der Inflation zu verstärken bzw. aufrecht zu halten. Hier wird die Fiskalpolitik eine entscheidende Rolle spielen. Stützungsmaßnahmen für Haushalte und damit für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage verwässern die restriktiven geldpolitischen Anstrengungen. So mag die Gas- und Strompreisbremse die Inflationsrate im Jahr 2023 in Deutschland dämpfen. Gleichzeitig stärkt der Staat allerdings die Kaufkraft der Konsumenten, was den Preisdruck für andere Verbrauchskategorien weniger schnell abklingen lässt – zumindest im Jahr 2023.

Einschätzung: Viele Inflationstreiber deuten bereits in eine andere Richtung. Doch um das Momentum aufrecht zu halten bzw. den Risiken durch die Fiskalpolitik entgegenzuwirken, darf die EZB den Fuß nicht zu früh von der Bremse nehmen. Dies gilt auch für den Euro-Devisenkurs, dessen aktuelle und erwartete Aufwertung wichtige Impulse für eine sinkende Inflation liefern sollte. Deshalb sind nicht nur weitere Zinsanhebungen notwendig, sondern auch eine Bilanzreduktion. Schließlich sind es die langläufigen Renditen, die den Euro-Devisenkurs stützen.

EZB Pressekonferenz: Trotz moderater Zinsanhebung warnende Töne

Wie erwartet, hat die EZB ihren Einlagenzinssatz von 1,5 % um 50 Basispunkte auf 2,0 % angehoben. Der Leitzins liegt nun bei 2,5 %.  Auch hat sie ihre Bilanzreduktion konkretisiert. So ist angedacht, die Tilgungen aus dem APP-Programm nicht mehr vollständig zu reinvestieren. Ziel ist es, die Bilanz bis zum zweiten Quartal 2023 um monatlich 15 Mrd. Euro zu reduzieren, was in etwa der Hälfte der Tilgungen entspricht. Oberstes Gebot bleibt allerdings, spürbare Marktreaktion bzw. mögliche Verzerrungen zu verhindern.

Die EZB hat ihre Inflationsprognosen für 2023 deutlich nach oben revidiert. So erwartet sie nun eine Inflationsrate in der Euro-Zone von 8,4 % im Jahr 2022, 6,3 % im Jahr 2023 und 3,4 % im Jahr 2024. Die EZB geht von einem BIP-Wachstum in der Eurozone von 3,4 % im Jahr 2022, von 0,5 % im nächsten Jahr und von 1,9 % im Jahr 2024 aus. Eine geringere Wirtschaftsleistung im aktuellen und kommenden Quartal ist durchaus möglich. Eine tiefe Rezession sieht die EZB allerdings nicht, was sich auch in ihren Inflationsprogosen für 2024 spiegelt.

Einschätzung:

  • Die EZB betont die Notwendigkeit, ihre Zinsen weiter und spürbar anzuheben. Dennoch hat sie heute gezögert, sie um 75 bp oder sogar mehr anzuheben. Sicherlich hätte solch eine Erhöhung die Einschätzung bekräftigt, dass die EZB mit ihren Zinsschritten bis Mitte 2023 größtenteils durch ist. Aktuell läuft sie den Entwicklungen weiter hinterher. Die Sorge einer möglichen Übertreibung der Notenbank ist angesichts des aktuellen Zinsniveaus zu vernachlässigen. Dies hätte allerdings auch bei einer Anpassung um 75 bp gegolten.
  • Das zögerliche Verhalten der EZB im Hinblick auf die Inflationsentwicklung erhöht das Risiko höherer Zinsen im Jahr 2023. Das Risiko eines Einlagenzinses deutlich über 3 % im Verlauf des nächsten Jahres ist deshalb gestiegen. Denn laut EZB sind Markterwartungen eines Einlagenzinses von 3 % nicht hoch genug. Mit Schritten von 50 bp wird die EZB womöglich deutlich über das zweite Quartal 2023 hinaus die Zinsen erhöhen müssen. Ein finaler Einlagenzins von 4 % scheint aktuell wahrscheinlicher als einer von um die 3 %.
  • Die Erwartung, die Fed würde vor der EZB ihren Straffungszyklus beenden, wird durch die heutige Reaktion der EZB bekräftigt. Das lässt einen deutlich stärkeren Euro-Devisenkurs bis Ende 2023 erwarten, vor allem wenn Zinssenkungen der Fed Ende 2023 mehr und mehr wahrscheinlich werden.

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