[Industrials & Automotive-Information vom 26. November 2020] Der gesellschaftliche Wandel hin zu einer klimafreundlicheren Mobilität führt zu einem Strukturwandel in der automobilen Produktion. Der Verbrennungsmotor soll nach Plänen vieler europäischer Regierungen zunehmend durch elektrische Antriebskonzepte ersetzt werden. Dies stellt bekanntermaßen viele Maschinen- und Anlagenbauer in Deutschland vor tiefgreifende Geschäftsmodellveränderungen, da etablierte Absatzfelder wegbrechen. Während aktuell batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge im Trend liegen, wird mittel- und langfristig auch die Bereitstellung der Energie über eine Brennstoffzelle eine größere Rolle spielen, um auch andere Mobilitätsträger elektrifizieren zu können. Unabhängig davon, welche Technologie man betrachtet, wird eine Kernkompetenz des deutschen Maschinenbaus wesentlicher Faktor bei der Bereitstellung effizienter Antriebe sein: die Prozessrobustheit. Darunter ist zu verstehen, wie empfindlich ein Prozess auf äußere Einflüsse reagiert. Somit sind aus unserer Sicht Fertigungsqualität und -geschwindigkeit ihre entscheidenden Bewertungsgrößen.

Viele Fertigungsschritte in der Zellproduktion mit ungünstiger Kostenverteilung

Verschiedene Studien stellen heraus, dass der Fertigungsprozess eines Elektroantriebs im Vergleich zu einem Antrieb mit Verbrennungsmotor weniger komplex ist, sodass ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen droht. Obwohl diese Argumentation nicht grundsätzlich falsch ist, wird oftmals die Fertigung der Batterie- bzw. Brennstoffzellen außer Acht gelassen.

Denn sowohl die Produktion der Batterie- als auch der Brennstoffzellen besteht aus einer Vielzahl von Fertigungsschritten. Bei Brennstoffzellen besteht die Fertigung der Einzelkomponenten (Bipolarplatten, katalysatorbeschichtete Membran und Gasdiffusionsschicht) in Summe typischerweise aus etwa 15 Fertigungsschritten. Diese umfassen bspw. das Mischen der Katalysatortinte oder das Stapeln der Einzelkomponenten zu einem Stack. Hinzu kommen prüftechnische Schritte, die hier erst einmal nicht betrachtet werden sollen.

Die zum Teil aggregierten Fertigungsschritte einer typischen Batteriezelle (Pouch) zeigt die Grafik. Darüber hinaus ist der Kostenanteil der typischen Fertigungsschritte ersichtlich.

Die Wertschöpfung erfolgt dabei überwiegend im ersten Produktionsschritt. Dies ist durch die Zuführung der teuren Aktivmaterialien in den Fertigungsprozess zu erklären. Bezogen auf die Gesamtkosten der Batteriezelle haben die Zellmaterialien typischerweise einen Anteil von rund 60 bis 75 %. Dies führt sowohl aus produktionstechnischer als auch aus gesamtsystemischer Sicht zu einer essenziellen Herausforderung: Die Ausschussrate in jedem einzelnen Prozessschritt ist zu minimieren, da die ansonsten anfallenden Kosten unverhältnismäßig hoch sind. Dies wird umso bedeutender, je werthaltiger die Aktivmaterialien sind.

Dieser Sachverhalt besitzt eine zusätzliche Relevanz, wenn die Gesamteffizienz und der Ausschuss einer Produktionskette betrachtet werden. Auch wenn in jedem Fertigungsschritt 99,5 % der Operationen korrekt durchgeführt werden, so verursachen die fehlerhaften 0,5 % der Einzelschritte in der betrachteten Batteriezellproduktion mit 12 Fertigungsschritten einen Gesamtausschuss von mehr als 5 %.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es sowohl in der Brennstoff- als auch in der Batteriezellenproduktion von entscheidender Bedeutung ist, eine Maschinentechnik bereitzustellen, die eine qualitativ hochwertige und reproduzierbare Fertigung ermöglicht. Sicherlich ist in diesem Kontext stets auch zwischen Produktionsqualität und -geschwindigkeit abzuwägen. Beide Faktoren profitieren allerdings von einer hohen Prozessrobustheit. Somit erhält diese bei zunehmender Hochdurchsatzproduktion von Batterie- und zukünftig auch Brennstoffzellen eine umso größere Relevanz, um die spezifischen Produktkosten zu senken.  

Nachfolgeoperationen erfordern ebenfalls hohe Effizienz

Darüber hinaus liegen weitere Absatzpotenziale für den Maschinenbau in der Weiterverarbeitung der Einzelzellen zu größeren Systemen. Insbesondere bei der Batterietechnik kommt des Weiteren noch die Recyclingtechnik hinzu. Aufgrund des hohen Werts der Batteriematerialien wirkt sich insbesondere die möglichst effiziente Aufbereitung des Kathodenmaterials gesamtsystemisch sehr positiv aus.

Für den erfolgreichen Wandel hin zu einer nachhaltigen Mobilität ist auch der deutsche Maschinen- und Anlagenbau gefragt. Die Branchenunternehmen haben in der Vergangenheit oftmals gezeigt, dass sie durchdachte Maschinentechnik bereitstellen können, die eine qualitativ hochwertige und kosteneffiziente Großserienproduktion ermöglicht. Deshalb sehen wir im automobilen Strukturwandel neben Risiken auch viele Marktchancen für den Maschinenbau.

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Dennis Rheinsberg
Direktor und Head des Sektorteams Energy, Utilities & Resources
E-Mail: dennis.rheinsberg@ikb.de