[Consumer & Retail-Information vom 2. Oktober 2020] Gute oder schlechte Sommer, breit angelegte Preisaktionen, Nachfrageschübe im Zuge von Produkteinführungen und Neulistungen oder Gebindeinnovationen; das waren über Jahre die bestimmenden Parameter für die Jahresbilanz der Mineralbrunnen und Erfrischungsgetränkehersteller. Regionale Platzhirsche standen im Wettbewerb mit internationalen Konzernen wie Nestlé, Danone, Coca Cola oder PepsiCo sowie den großen Volumenanbietern im Preiseinstieg im Schulterschluss mit ihren Handelspartnern. Bei den Gebinden konkurrierten vor allem PET- und Glasmehrweg mit Einweggebinden um den preisverwöhnten deutschen Konsumenten.

Das Spielfeld war klar umrissen und die Entscheidungen für die eigene Marktantrittsstrategie erfolgte auch im Abgleich mit jener der Marktbegleiter. In den letzten beiden Jahren haben sich die Mechanismen verändert. Zum bestehenden Wettbewerbsdruck sowie strukturellen Veränderungsprozessen – wie der steigende Anteil von Glas-Mehrweggebinden – kommen exogene Faktoren wie die Coronakrise hinzu. In der allgemeinen Klima- und Nachhaltigkeitsdiskussion gewinnt das Thema „Wassersprudler“ an Bedeutung.

Abgefülltes Mineralwasser in Deutschland ist ein hochwertiges Naturprodukt, ebenso kontrolliert wie abgefüllte Erfrischungsgetränke. Dies ist die Basis des Markterfolgs und eines Pro-Kopf-Konsums im Jahr 2019 von 140 Litern (Wasser) bzw. 121 Litern (Erfrischungsgetränke). Unbenommen, ob die Diskussion pro oder kontra abgefüllte Produkte versus aufbereitetes Leitungswasser langfristig für die eine oder andere Richtung spricht, lohnt eine Bestandsaufnahme.

Das Geschäft mit der Trinkwasseraufbereitung

Trinkwasser und Mineralwasser liegen fast gleichauf, wenn Verbraucher nach ihren Trinkgewohnheiten gefragt werden. Eine Erhebung von FORSA im Auftrag der Techniker Krankenkasse im Frühjahr 2019 ergab, dass 69 % der Befragten täglich bzw. oft zu Mineralwasser als Durstlöscher greifen, 63 % zu Trinkwasser, insbesondere Verbraucher zwischen 18 und 39 Jahren.

Die Idee der Trinkwasseraufbereitung im Haushalt über sogenannte Wassersprudler ist nicht neu und Marktführer SodaStream befindet sich im 26. Jahr nach Markteinführung in Deutschland im Jahr 1994. Die Zahl der Anbieter von Wassersprudlern ist sukzessive gewachsen und der Verbraucher hat die Wahl zwischen verschiedenen Systemen, z. B. SodaStream, Sodastar, Sodatrend, My-Sodapop, Aarke, Levivo oder Rosenstein + Söhne, um nur die aktuell wichtigsten zu nennen. Die im Wesentlichen gleiche Funktionsweise der unterschiedlichen Geräte sorgt weitgehend für Kompatibilität bei den benötigten CO2-Zylindern zur Karbonisierung.

Mit dieser Flexibilität im täglichen Gebrauch ist gleichzeitig die Basis für den Austausch leerer gegen volle Kartuschen im Einzelhandel und damit die generelle Kaufbereitschaft für Wassersprudler gelegt. Mittlerweile liegt die Marktdurchdringung über alle angebotenen Systeme bei schätzungsweise 15 % der Haushalte in Deutschland, bei sehr dynamischem Wachstum in den letzten beiden Jahren. Bei 41,5 Mio. Haushalten und rechnerisch durchschnittlich zwei Personen pro Haushalt liegt die Haushaltsdurchdringung rechnerisch bei 12,5 Mio. Konsumenten von aufbereitetem Trinkwasser. Tendenziell sind es sogar mehr, da Haushalte mit mehr als drei Personen zu den Intensivkäufern zählen.

Während der ersten acht Monate 2020 sind die Verkaufszahlen für Wassersprudler Corona bedingt nochmals stark gestiegen. Marktführer SodaStream kommt nach GfK-Zahlen auf einen Marktanteil von rund 90 % und dominiert das Wachstum bislang.

Und was könnte kommen?

Jeder Kauf eines Wassersprudlers geht – sofern nicht zuvor schon ausschließlich Leitungswasser konsumiert wurde – zulasten abgefüllter Produkte der Mineralbrunnen und Erfrischungsgetränkehersteller. Marktbeobachter rechnen für die kommenden Jahre weiterhin mit zweistelligen Zuwachsraten bei Wassersprudlern, was für eine Haushaltsdurchdringung von bis zu 25 % sprechen würde. Neben karbonisiertem Wasser werden aromatisierte Getränke sowie andere Zusätze wichtiger und Wachstumsimpulse bringen sowohl die Geräteanbieter selbst als auch insbesondere die absatzstarken Lebensmitteldiscounter, die bei abgefülltem Mineralwasser für einen Distributionsanteil von mehr als 45 % stehen.

  • SodaStream, 2019 von PepsiCo für einen Kaufpreis von 3,2 Mrd. US-$ übernommen, pusht das Geschäft mit PepsiCo-Sirup und hat im Frühjahr 2020 den Wettbewerber Sodatrend gekauft. Zudem hat das Unternehmen die Ausgaben für TV-Werbung in Deutschland 2020 nochmals massiv erhöht
  • Danone ist über Danone Manifest Ventures seit 2018 an dem Start-Up Mitte beteiligt, das an der Einführung eines massentauglichen Gerätes mit Filtersystem und Remineralisierungstechnologie arbeitet. Als Investor ebenfalls beteiligt ist Bitburger Ventures
  • Die Krüger Group hat Mitte 2020 Jahr BL Balanced Lifestyle Food and Beverages übernommen, den Hersteller von My-Sodapop und Gerätelieferant von Aldi. Als etablierter Food-Produzent hat Krüger u. a. Erfahrung in der Herstellung von Instantprodukten, Kaffee-Kapseln und Nahrungsergänzungsmitteln   
  • Nestlé arbeitet am Roll-out seines Systems Refill+ für den Haushaltsgebrauch, das Leitungswasser reinigen, karbonisieren, mineralisieren und aromatisieren kann. Auch Nestlé wird ein besonderes Interesse am Geschäft mit Aromen- und Wirkstoffzusätzen haben
  • Filterhersteller Brita hat, vorbehaltlich der kartellrechtlichen Prüfung, im September 2020 den CO2-Abfüller Filltech aus Warburg übernommen. Filltech war zuvor bereits Lieferant von CO2-Zylindern für Brita-Wasseraufbereitungssyteme und der EDEKA-Eigenmarke
  • Aldi Süd hat den Markteintritt 2019 mit der Marke Sodastar vollzogen und führt unter der gleichen Eigenmarke Soda-Sirup 
  • Lidl führt aktuell Soda-Sirups unter der Eigenmarke Freeway ein. Umgerechnet auf den Liter fertig zubereitetes Getränk liegen die Sirups preislich unterhalb der abgefüllten Freeway-Getränke. Bei den Wassersprudlern und CO2-Zylindern vertreibt Lidl SodaStream-Produkte, nach Information der Lebensmittelzeitung hat die Lidl-Stiftung jedoch „Soda World“ und „Soda World Twin“ als Unionsmarken im Markenregister eintragen lassen

Der Markt ist in Bewegung und es deutet sich an, dass Wassersprudler einen festen Platz in den Trinkgewohnheiten der Verbraucher finden werden. Das Geschäft mit CO2-Kartuschen und insbesondere mit Aromen und anderen Zusätzen eröffnet interessante Ansätze bis zum individualisierten Angebot. Denkbar sind beispielsweise spezielle Mischungen abgestimmt auf den Bedarf von Ausdauersportlern, von Schwangeren oder andere Lebenssituationen und Ernährungsmotive.   

Mineralbrunnen und Erfrischungsgetränkeindustrie werden sich hierauf einstellen und Antworten auf Produkt- und Kommunikationsebene finden, etwa über Mineralisierung, Geschmacksinnovationen und geprüfte Produktqualität. Und das nicht alle Entwicklungen einem Trend folgen, zeigt jüngst die Ankündigung von Aldi Süd, zumindest vorübergehend den Test von Mehrweggebinden zu beenden, während Wettbewerber Netto (EDEKA) sein breites Mehrwegsortiment werblich herausstellt.  

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