[Industrials & Automotive-Information vom 22. März 2023]

Hohe Energiekosten belasten die europäische Metallindustrie. Hinzu kommen mittel- und langfristig hohe Investitionsbedarfe für die grüne Transformation der Branche. Internationale Wirtschaftsförderprogramme wie der US-amerikanische Inflation Reduction Act (IRA) verstärken die Sorgen um eine Deindustrialisierung Europas in energieintensiven Branchen. Als Reaktion auf den IRA hat die EU-Kommission am 1. Februar 2023 ihren Green Deal Industrial Plan vorgestellt und diesen im März durch Gesetzesentwürfe konkretisiert.

Konjunkturabkühlung und Energiepreise belasten Produktion

Die im vergangenen Jahr an den Energiemärkten gesehenen extremen Preisausschläge scheinen zwar vorbei zu sein, aber die aktuell laufende Konsolidierung der Strom- und Gaspreise findet auf sehr hohem Niveau statt. Damit wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas und speziell die der deutschen Metallindustrie weiter geschwächt. Bereits seit Jahren stellten die im internationalen Vergleich hohen Industriestrompreise einen Standortnachteil dar. Mit der durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelösten Energiekrise in Europa vervielfachten sich die Strom- und Gaspreise und notieren aktuell immer noch drei- bis fünfmal über dem Vorkrisenniveau von 2019.

 

Insofern überrascht auch nicht, dass die hohen Energiekosten neben der Nachfrageschwäche im Zuge der konjunkturellen Abkühlung ursächlich waren für die Produktionsrückgänge in 2022. Einige Unternehmen der deutschen metallerzeugenden und -verarbeitenden Industrie nahmen im Jahresverlauf Kapazitäten wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit aus dem Markt.

Zwar konnten viele Hersteller und Weiterverarbeiter gestiegene Kosten im vergangenen Jahr an ihre Kunden weiterreichen; die überwiegend guten bis sehr guten Jahresergebnisse 2022 spiegeln dies und schaffen ein gewisses Polster. Aber die zukünftigen Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs und der Transformation der Industrie zur klimaneutralen Wirtschaft können ohne politische Unterstützung nicht bewältigt werden.

Energiekostenanstieg verstärkt Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität

Die Herausforderungen der Dekarbonisierung der Metallindustrie sind so vielfältig wie die Branche selbst. Die Umstellung im Stahlsektor von der Hochofenroute auf Direktreduktion erfordert mittelfristig gewaltige Mengen an Wasserstoff und entsprechende Strommengen zu dessen Herstellung bzw. H2-Importkapazitäten. Um die Frage, welche Erzeugungsformen hierbei als nachhaltig anzusehen sind, wird derzeit auf EU-Ebene heftig gerungen. Sicher ist nur, dass die vorhandenen und mittelfristig verfügbaren Grünstrommengen nicht ausreichen werden und mit der allgemeinen Strommarktentwicklung ebenfalls im Preis gestiegen sind. Dies betrifft somit auch die stromintensive Aluminium-, Kupfer- und Elektrostahlherstellung und alle zur Elektrifizierung vorgesehenen Weiterverarbeitungsprozesse. Insofern ist mit Spannung zu erwarten, welche Ausgestaltung das vom BMWK für das erste Halbjahr 2023 angekündigte Konzeptpapier zur Einführung eines Industriestrompreises annehmen wird. In jedem Fall wird auch hierfür eine Abstimmung auf EU-Ebene und Notifizierung durch die EU-Kommission vonnöten sein.

Green Deal Industry Plan vs. Inflation Reduction Act

Die Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs hat der dem Inflation Reduction Act (IRA), das US-Förderprogramm für grüne Technologien, im vergangenen Jahr zusätzlich verschärft und die Befürchtungen einer Deindustrialisierung Europas weiter befeuert. Als Reaktion hierauf hat die EU-Kommission am 1. Februar 2023 einen grünen Industrieplan vorgestellt, der die technologische Entwicklung und Herstellung von Netto-Null-Produkten und die klimafreundliche Energieversorgung im nächsten Jahrzehnt im EU-Binnenmarkt massiv steigern soll. Der Plan basiert auf den vier Säulen Vereinfachung des regulatorischen Umfelds (schnellere Genehmigungen), schnellerer Zugang zu Finanzmitteln (Flexibilisierung staatlicher Beihilferegelungen), Know-how-Aufbau und offener Handel insbesondere auch für kritische Rohstoffe. Entsprechende Gesetzesentwürfe hat die EU-Kommission Mitte März 2023 vorgestellt.

Der am 16. März 2023 vorgestellte Gesetzesentwurf Net Zero Industry Act ist Teil der in diesem Zusammenhang angekündigten Maßnahmen, mit dem Unternehmen gefördert werden sollen, die innerhalb der EU in Produktionskapazitäten von Technologien investieren, die zum Ziel der Klimaneutralität beitragen. Dadurch sollen die Energiesicherheit Europas verbessert und die Importabhängigkeit bei Schlüsseltechnologien reduziert werden. Zu diesen sogenannten Netto-Null-Technologien gehören Photovoltaik und Solarthermie, Wind On- und Offshore, Batterie- und andere Stromspeichertechnologien, Wärmepumpen und Geothermie, Elektrolyseure und Brennstoffzellen, nachhaltige Biogastechnologien, Technologien zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 (CCU / CCS) sowie Netztechnologien. Die Technologien beziehen sich auf Endprodukte, spezifische Komponenten und Maschinen, die hauptsächlich für die Herstellung dieser Produkte verwendet werden. Als Ziele für den Aufbau der Produktionskapazitäten nennt die EU-Kommission im Gesetzesentwurf für Photovoltaik 30 GW, Windenergieanlagen 36 GW, Wärmepumpen 31 GW, Batterien 550 GWh und Elektrolyseure 100 GW sowie eine CO2-Speicherkapazität von 50 Mio. t.

Damit sollen bis 2030 von den jährlichen Installationen u.a. 40 % der Solarmodule und 90 % der Batterien aus EU-Produktion stammen.

Insofern sollten sich für die Metallindustrie mittelfristig zum einen Impulse aus dem Anlagenbau der Produktionskapazitäten ergeben und zum anderen aus der Produktion der Erneuerbare-Energien-Anlagen. Die EU hatte die Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren Energien bereits mit dem REPowerEU-Plan im Mai 2022 massiv angehoben. Hieraus ist somit ein signifikanter Anstieg der Binnennachfrage bei Aluminium, Kupfer und bestimmten Stahlprodukten zu erwarten. Direkte Impulse ergeben sich mithin nur für Unternehmen, welche die vorgenannten Abnehmerindustrien bedienen.

Fazit: Industrie muss in ihrer gesamten Breite beachtet werden

Schnelles und zielgerichtetes politisches Handeln im Hinblick auf Gesetzgebung und Förderung erscheint notwendig, um den Unternehmen die erforderliche Sicherheit für die jetzt anstehenden Investitionsentscheidungen zu geben und die Standortentscheidung entsprechend zugunsten Europas zu beeinflussen. Hierbei darf der Fokus nicht zu eng auf Zukunftstechnologien gerichtet werden, sondern Wertschöpfungsketten müssen in Gänze betrachtet werden. Mit Blick auf die Energiekosten sind praktikablere Lösungen als die aktuellen Strom- und Gaspreisbremsen zu finden.

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