[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 8. Juli 2021]
Der europäische Medizintechnikmarkt repräsentiert mit einem Marktvolumen von rund 120 Mrd. € einen Weltmarktanteil von 27 %. Damit liegt Europa auf Platz zwei hinter Nordamerika, das einen Anteil von 43 % hat. Asien folgt mit knapp 26 %. Mit weitem Abstand ist Deutschland mit einem Umsatzvolumen von über 33 Mrd. € größter europäischer Anbieter vor Frankreich, UK, Italien und Spanien. Europäische MedTech-Hersteller müssen sich auf den Emerging Markets und insbesondere in Asien frühzeitig positionieren, denn der Bedarf an medizinischen Geräten wird innerhalb der nächsten Jahre aufgrund der dort wachsenden Mittelschicht stark ansteigen; und Asien wird deshalb Europa von Platz zwei der wichtigsten MedTech-Märkte verdrängen. Haben wir auf dem Blog zuletzt die Märkte für Endoskopie und Orthopädische Geräte sowie für Bildgebende Diagnostik und Kardiologie betrachtet, so legen wir dieses Mal den Fokus auf Augenheilkunde, also Opthalmologie.
Augenerkrankungen nehmen über alle Generationen hinweg zu
Die alternde Bevölkerung und die damit verbundene höhere Inzidenz bei Augenerkrankungen ist einer der Treiber in der Augenheilkunde. Ca. 90 % aller Augenarzt-Behandlungen von Krankheiten wie Glaukom, Katarakt, Altersbedingte Makular-Degeneration oder Fehlsichtigkeiten erfolgen laut WHO bisher bei älteren Menschen. Für Deutschland erwarten Gesundheitsexperten bis 2030 einen Anstieg der Inzidenzrate des Glaukoms, das für 15 % aller Fälle von Blindheit verantwortlich ist, auf 2,4 Fälle pro 100 Tsd. Einwohner über 40 Jahre. Im Jahr 2010 betrug der Wert erst 1,65. Ein weiterer Trend ist der Anstieg der Kurzsichtigkeit vor allem bei der jüngeren Generation, Stichwort: intensive Mediennutzung. Auch durch Stress, ungesunden Lebensstil und chronische Krankheiten ausgelöste Erkrankungen wie Diabetische Retinopathie tragen zu einem grundsätzlich steigenden Bedürfnis nach ambulanten und stationären Dienstleistungen bei. Betrachtet man allein die Prognose für Patienten, die in Europa an Diabetes leiden, so wird die künftige Dimension klar: deren Anzahl wird laut International Diabetes Federation von 58 Mio. im Jahr 2017 auf fast 67 Mio. in 2045 anwachsen.
Covid hat auch hier Bremsspuren hinterlassen
Der bisher wachsende Markt für Augenheilkunde wurde durch Covid-19 jäh gestoppt: die Zahl der Untersuchungen und auch der operativen Eingriffe am Auge, die meist elektiv sind, sanken insbesondere im Frühjahr 2020 um geschätzt bis zu 70 %. Die aufgeschobenen Behandlungen wirkten sich wiederum negativ auf den Absatz von mit Augenheilkunde verbundenen Produkten wie Intraokularlinsen (IOL) oder Femtosekunden-Lasern aus. Langsam lassen die Folgen von Covid allerdings nach und die Unternehmen kehren erneut auf ihren Wachstumspfad zurück. Die Erstattungssysteme seitens der Krankenkassen der einzelnen Länder sind allerdings sehr unterschiedlich gestaltet. Wir können in der Augenheilkunde eher von einem Selbstzahlermarkt sprechen. Die zum Teil deutlichen Preisunterschiede bei Behandlungen wie Augenlasern oder Kataraktoperationen führen zu Gesundheitstourismus in Richtung Süd- und Osteuropa.
Integrierte Systeme für Opthalmologische Eingriffe auf dem Vormarsch
Neben den aufgeführten Trends spielen aber auch neue Technologien und innovative Arzneimittel zur Diagnose und Behandlung eine wichtige Rolle. Zu nennen ist etwa die Entwicklung der OCT-Angiographie, die eine nichtinvasive, dreidimensionale Darstellung der vaskulären Strukturen von Netz- und Aderhaut erlaubt, mit der krankhafte Veränderungen frühzeitig erkannt werden können. Auch hier erleben wir die Diskussion um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bzw. Algorithmen, die insbesondere in der Diagnostik unterstützen. Die Kombination von diagnostischen und chirurgischen Geräten zu vollständig integrierten Systemen hilft bei der Rationalisierung chirurgischer Verfahren. Bedeutende, auf Augenheilkunde spezialisierte MedTech-Player sind Carl Zeiss Meditec AG (D), Essilor Luxottica (F), Haag-Streit Group (CH), Topcon Corporation (JAP), NIDEK Co., Ltd. (JAP), Lumenis Ltd. (D) und Ziemer Ophthalmic Systems (CH).
Die steigende Akzeptanz integrierter Systeme zur Verbesserung der (Kosten)Effizienz von ophthalmologischen Eingriffen und die Verbesserung der Behandlungsresultate für die Patienten lässt signifikante Wachstumschancen für die innovativen Akteure in Europa erwarten. Daher geht die IKB in den nächsten Jahren für den europäischen Markt im Durchschnitt von einem Wachstum in der Opthalmologie von um die 6 % p. a. aus.
Johanna Eckert-Kömen betreut als Direktorin im Sektorteam Consumer, Retail, Logistics & Health der IKB insbesondere Unternehmen aus den Branchen Healthcare Services, Medizintechnik, Pharma sowie Kosmetik und ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Studium der Volkswirtschaft an der Universität des Saarlandes stieß sie bereits 1991 zur IKB.
Es ist unglaublich, dass Corona selbst in Richtung Augenlasern alles gestoppt hat. Wer mit der Hoffnung war, seine Sehstärke korrigieren zu lassen oder auf einen Fortschritt gehofft hat, wurde da auf einmal gestoppt. Dann mussten bei vielen auch diese Behandlungen warten.