[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 18. August 2022]
Im Jahr 2021 erzielte das Europäische Patentamt (EPO) mit 188.600 Anmeldungen einen Rekord. Nach einem leichten Rückgang von 0,6 % in 2020 ging dieser Höchststand einher mit einer Rückkehr zum langfristigen Wachstumspfad von mehr als 4 %. Denn das Plus lag im Jahr 2021 bei 4,5 %. Die Medizintechnik gehört jedes Jahr zu den Branchen mit den meisten Patentanmeldungen. 2021 wurde sie nur von der Digitalen Kommunikation überflügelt.
Deutschland Nr. 2 nach USA bei den europäischen Patentanmeldungen
Die deutschen Firmen haben 2021 insgesamt 25.969 Anmeldungen (14 %) beim EPO eingereicht. Dies waren 0,3 % mehr als im Vorjahr. Damit liegt Deutschland zwar deutlich hinter den US-amerikanischen Unternehmen mit 25 % aller Anmeldungen, aber vor Japan mit 11 % und mit Abstand vor allen anderen europäischen Ländern. 75 % wurden dabei von großen Unternehmen beantragt. Immerhin stammen 20 % von kleinen und mittleren Unternehmen, 5 % von Universitäten und öffentlichen Forschungseinrichtungen.
Medizintechnikbranche als Innovationsmotor
2019 hatte die Medizintechnikbranche, die in Deutschland im Durchschnitt 8 bis 9 % F&E-Ausgaben p.a. aufweist, noch die Pole-Position als größtes Technologiefeld für europäische Patentanmeldungen verloren. 2020 hat sie diesen Platz mit 14.295 Patenteinreichungen allerdings zurückerobert. 2021 ist sie nun bei 15.321 Anmeldungen nur ganz knapp hinter der Digitalen Kommunikation gelandet.
Zu den Unternehmen mit den meisten Patentanmeldungen gehörten 2021: Philips, Medtronic, Johnson & Johnson, Boston Scientific, Becton Dickinson, Biotronik, Edwards Lifesciences, Fresenius, Fujifilm, B.Braun und SHL Medical.
Auch Pharma und Biotechnologie landen unter den ersten Zehn
Auch andere Segmente der Gesundheitsindustrie liegen in Sachen Patentanmeldungen weit vorne. Laut „Patent Index 2021“ belegte die Pharmabranche Rang sieben mit einem Anstieg bei den Patentanmeldungen um 6,9 % auf 9.026. Auf dem nächsten Platz folgt die Biotechnologie mit 7.611 Anträgen, ein Zuwachs von 6,5 % gegenüber dem Vorjahr.
Bremst die Medical Device Regulation?
Ob die erfreuliche Entwicklung der Medizintechnik aber langfristig Bestand hat, ist letztendlich auch von der Medical Device Regulation (MDR) abhängig. Diese Verordnung des Europäischen Parlaments wurde bereits 2017 beschlossen und wird bis Mitte 2024 in Europa verpflichtend sein. Sie soll Produktsicherheit- und -qualität medizintechnischer Produkte einheitlich regeln. Nach Schätzungen des Branchenverbandes BVMed liegen die Kosten der Umsetzung für die MedTech-Branche zwischen 7 und 10 Mrd. €.
Nach Beobachtung der IKB schränkt die Umsetzung der MDR aktuell jedoch die Innovationskraft der Branche ein. Fachliche Ressourcen und Kapazitäten sind derzeit verstärkt gebunden, um diese neuen europäischen Regularien zu erfüllen. Immerhin ist in diesen Tagen Bewegung in die Diskussion gekommen. Themen sind beispielsweise die weitere Verlängerung der Übergangsfrist, Zertifikate unter Auflagen, Verschlankung von Prozessen und praxistauglichere Regelungen der klinischen Bewertung von Medizinprodukten. Es wäre nach Meinung der IKB kontraproduktiv, wenn die Branche, die von ihrer enormen Innovationsstärke lebt, durch die MDR mittelfristig in ihrer Wettbewerbsfähigkeit vor allem gegenüber der USA und Asien zurückgeworfen würde. Teilweise sehen wir bereits heute zunehmende Investitionen an Standorten außerhalb Europas.
Johanna Eckert-Kömen betreut als Direktorin im Sektorteam Consumer, Retail, Logistics & Health der IKB insbesondere Unternehmen aus den Branchen Healthcare Services, Medizintechnik, Pharma sowie Kosmetik und ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Studium der Volkswirtschaft an der Universität des Saarlandes stieß sie bereits 1991 zur IKB.
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