[Industrials & Automotive-Information vom 14. Juni 2021]
Seit Anfang des Jahres befinden sich die Preise für viele Rohstoffe in einem starken Aufwärtstrend. Betroffen sind unter anderem Holz, Kunststoff, Stahl und Dämmstoffe. Diese Preisentwicklungen treffen die Bauindustrie aktuell hart, die seit Ausbruch der Coronapandemie eine Stütze der deutschen Wirtschaft ist. Grund für die Preisexplosionen ist eine ausgeprägte Nachfrage, die auf ein sehr knappes Angebot trifft. Die Materialproduktion war in vielen Ländern aufgrund der Pandemie gestört. Das betrifft insbesondere Kunststoff: Zusätzlich zu geplanten Anlagenstilllegungen aufgrund von Wartungsarbeiten kamen Force Majeures hinzu, die die Produktionskapazitäten noch weiter sinken ließen. Zu beobachten war das etwa bei PVC, das in der Bauwirtschaft vielfältig entweder als Rohr und Profil für Türen und Fenster oder als Bodenbelag genutzt wird. Auch bei Holz ist die Lage dramatisch. Die deutschen Sägewerke sind voll ausgelastet und fahren hohe Umsätze ein. Laut dem Verband der deutschen Holzindustrie lagen die Umsätze der Sägeindustrie im ersten Quartal gut 27 % über denen des Vorjahreszeitraums. Auf der anderen Seite sind die Lager der Handwerker leergefegt. Mit der Folge, dass einige Bauunternehmen und Handwerksbetriebe ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen; trotz gut gefüllter Auftragsbücher.
Export nach Übersee verschärft die Situation
Neben den Produktionsengpässen und der guten Nachfrage im Inland ist vor allem der gesteigerte Export nach Übersee, insbesondere nach China und in die USA, verantwortlich für die knappe Materialversorgung in Deutschland. Nach dem ersten Lockdown zu Beginn der Pandemie hat China seine Wirtschaft wieder hochgefahren und dank der Infrastrukturprogramme der Regierung boomt die Bauwirtschaft. Ähnliches gilt für die USA: dort ist Holz als Baumaterial sehr weit verbreitet und der Bedarf steigt durch die von Präsident Biden angekündigten Konjunkturprogramme für klimafreundliches Bauen immer weiter. Der hohen Nachfrage aus den USA steht ein geringes Angebot gegenüber. Hauptlieferant Kanada hat mit Waldbränden und Käferbefall zu kämpfen, dies führt zu einem höheren Importbedarf aus Europa. China und die USA sind außerdem bereit sehr viel höhere Preise für Bauholz zu zahlen, was die deutschen Holzhändler dazu verleitet ihre Ware nicht im Inland zu verkaufen, sondern zu exportieren.
Wird Wohnen jetzt teurer?
Die Preisansteige sind für alle Materialklassen enorm. Laut Statistischem Bundesamt ist Nadelschnittholz im April 2020 ca. 36 % teurer gewesen als im Vorjahresmonat, und auch die Mineralölerzeugnisse, die als Vorprodukte für die Kunststofferzeugung eingesetzt werden, konnten einen Preisanstieg von 30 % verzeichnen. Für Betonstahl betrug der Preisanstieg im Vorjahresvergleich gut 30 %. Die Preise, die an den Börsen gezahlt werden müssen, um sich mit Rohstoffen zu versorgen, liegen momentan jedoch erheblich darüber. An der Chicagoer Börse haben sich die Preise für einen Kubikmeter Holz im Vorjahresvergleich verdreifacht. Die IKB erwartet gegen Ende der zweiten Jahreshälfte zwar eine Normalisierung des Preisniveaus, dieses verbleibt aber auf einem relativ hohen Level, da die Nachfrage aus der in- und ausländischen Bauwirtschaft weiterhin stark bleiben wird. Langfristig wird sich dies natürlich auch auf Baukosten und im Endeffekt auf die Immobilienkosten und Mietpreise auswirken.
Sina Lutter ist Analystin im Sektorteam Industrials, Mobility & Construction der IKB. Sie ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank und betreut schwerpunktmäßig die Baubranche und deren Zulieferer. Nach dem Master of Science in Betriebswirtschaftslehre an der Universität Düsseldorf stieß sie 2020 zur IKB.
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