[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 11. November 2021]
Die M&A-Aktivitäten im Chemiesektor haben im Jahr 2021 wieder deutlich an Fahrt aufgenommen, nachdem 2020 aufgrund der Corona-Pandemie von Zurückhaltung geprägt war. Laut IHS Markit Chemical Week lagen die Anzahl der Übernahmen und Fusionen weltweit um 26 % und das Investitionsvolumen um 54 % über dem Vorjahreszeitraum (Stand 26. Oktober 2021). Die meisten Transaktionen stammen aus der Spezialchemie; auch Unternehmenskäufe durch Private-Equity-Investoren haben wieder deutlich zugenommen. Gleichzeit steigen die Summen, die Investoren – seien sie strategisch oder finanziell motiviert – bereit sind, für eine Geschäftsübernahme zu bezahlen: Im Mittel sind es in Europa im Jahr 2021 13,9x EBITDA bzw. im Median 12,7x EBITDA. Diese Zahlen setzen die Reihe von hohen bzw. steigenden Bewertungen fort, wie wir sie im europäischen Markt seit 2015 beobachten können.
Die größten Übernahmen des Jahrzehnts lagen in den vergangenen vier Jahren
Die drei größten Übernahmen und Fusionen von europäischen Chemieherstellern der vergangenen Dekade waren die Übernahme der schweizerischen Syngenta durch China National Chemical Corporation für ca. 42 Mrd. € im Jahr 2017, die Fusion von Linde und Praxair für ca. 40,5 Mrd. € im Jahr 2018 und der Buyout von Nouryon (Chemiesparte von AkzoNobel) durch The Carlyle Group und GIC Private Limited für ca. 10 Mrd. €, ebenfalls im Jahr 2018. Der durchschnittliche Wert der Transaktionen war in den Jahren 2016 und 2017 mit ca. 930 Mio. € bzw. ca. 860 Mio. € am größten. Im Jahr 2021 liegt der Kaufpreis durchschnittlich bei ca. 525 Mio. €. Generell sind die Transaktionen bis 2017 stetig größer geworden, um dann bis 2019, einem eher schwierigen Jahr für die europäische Chemieindustrie, wieder auf ca. 365 Mio. € zu fallen. In den Jahren 2020 und 2021 sind wieder vermehrt größere Transaktionen abgeschlossen worden. Des Weiteren steigt die Bewertung der übernommenen Unternehmen seit 2015 im Median kontinuierlich an. Während Mitte des Jahrzehnts die durchschnittlichen Bewertungen in erster Linie von einigen sehr hohen Multiples im Feinchemikalienbereich getrieben wurden, sind es heute steigende Bewertungen in vielen verschiedenen Subsektoren, die den Median immer weiter anwachsen lassen.
Auf der Suche nach Marge
Integrierte Chemieunternehmen in Europa versuchen weiterhin ihren Spezialisierungskurs voranzutreiben und sind deshalb auch im M&A-Markt aktiv. Finanzinvestoren sind stets auf der Suche nach profitablen Kapitalanlagen und zahlen für Carve-Outs von Großunternehmen und große Mittelständler gute Preise. Wohin die Reise bei den Bewertungen noch gehen wird, ist schwer vorherzusagen. Solange der Anlagedruck hoch und die Zinsen niedrig bleiben, werden auch die Bewertungen für Unternehmen auf historisch sehr hohem Niveau verweilen. Erste Tendenzen an den Kapitalmärkten deuten jedoch auf mittelfristig steigende Zinsen hin. Dies könnte sich wiederum negativ auf die Gewinnmultiplikatoren auswirken.
Die IKB rechnet im europäischen Markt auf Sicht mit einer Fortsetzung des Trends zu steigenden Bewertungen sowie einer zunehmenden Anzahl an Fusionen und Übernahmen.
Sven Anders ist Abteilungsdirektor und Head des Sektorteams Industrials, Mobility & Construction der IKB. Er betreut insbesondere Unternehmen aus den Chemiebranche und ist hier involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Master of Science in Finance an der Norwegian School of Economics (NHH) hat er seine ersten beiden Berufsjahre bei einer Unternehmensberatung absolviert, bevor er 2018 zur IKB stieß.
Tolle Beratung was m&a betrifft. Vielen Dank für den interessanten und ausführlichen Artikel.