[Consumer & Retail-Information vom 12. November 2020] Der globale Markt für Luxuskonsumgüter als Segment des gesamten Luxusgütermarktes zeigt seit zwanzig Jahren eine beeindruckende Wachstumsstory, die nur während der letzten Finanzkrise temporär unterbrochen wurde. So ist der Umsatz zwischen den Jahren 2000 und 2019 um 4,8 % p. a. gewachsen und hat sich damit absolut betrachtet mehr als verdoppelt. Alleine im vergangenen Jahr konnte die Branche nach Zahlen des Beratungsunternehmens Bain & Company um ca. 7 %, auf rund 281 Mrd. € zulegen. Inklusive der übrigen Segmente des Luxusgütermarktes, zu denen u. a. Autos, Yachten oder Luxusreisen zählen, stieg der weltweite Umsatz im vergangenen Jahr um 4 % auf circa 1,3 Bio. €.
Die aktuelle Krise trifft die Branche besonders hart
Umso deutlicher ist der Einbruch, der Corona-bedingt in diesem Jahr zu erwarten ist. Einen Umsatzrückgang von bis zu 35 % prognostizierte etwa im Mai Bain & Company. Mit Blick auf den vergleichsweise positiven Geschäftsverlauf großer Luxuskonzerne wie LVMH, Kering oder Richemont im dritten Quartal ist die IKB für das laufende Jahr weniger pessimistisch und sieht einen Rückgang von etwa 25 %. Im nächsten Jahr dürfte es dann zu deutlichen Aufholeffekten kommen, insbesondere, wenn sich die Meldungen der letzten Tage über die schnelle Einführung eines Impfstoffes bestätigen.
Dass die derzeitige Situation die Branche besonders hart trifft, ist kein Zufall. Im Jahr 2019 waren 90 % des globalen Marktwachstums auf Einkäufe chinesischer Konsumenten zurückzuführen. Zu Beginn dieses Jahres stotterte der Wachstumsmotor China jedoch erheblich. Das Land war von der Pandemie zuerst betroffen und begegnete dieser mit strikten Ausgangssperren, Geschäftsschließungen und Reiseverboten. So brach nicht nur der Umsatz mit Luxusgütern in China selbst ein, sondern auch in vielen anderen Regionen der Welt, da die Ausgaben der konsumstarken Chinesen an den Flughäfen und in den internationalen Luxusmetropolen wie Paris, Mailand, London oder New York ausblieben.
Inzwischen hat sich die Lage in China und in vielen Ländern Asiens deutlich beruhigt. Davon angetrieben, verzeichnen einzelne Luxusmarken wie Hermès sogar ein Umsatzwachstum gegenüber dem Vorjahr. Doch insbesondere Europa und die USA werden aktuell mit den Auswirkungen der zweiten Welle der Pandemie konfrontiert. Erneute Ausgangsbeschränkungen, Geschäftsschließungen und anhaltende Reisebeschränkungen werden sich gerade in der anstehenden Vorweihnachtszeit auf den privaten Konsum und damit auch auf die Umsatzentwicklung des Luxusgütermarktes auswirken.
Die Anforderungen der Konsumenten verändern sich
Bereits im vergangenen Jahr hatten wir thematisiert, dass sich Konsummotive auch bei Luxusgütern verändern (https://www.ikb-blog.de/luxus-lifestyle-im-wertewandel/). Die Vertriebsform, die Demografie der Konsumenten und eine sich verändernde Definition des Begriffs Luxus waren die bestimmenden Themen – und sind es trotz oder gerade wegen der Coronakrise noch immer.
Der Online-Handel hat über so gut wie alle Branchen und Segmente hinweg bereits vor der Pandemie deutlich an Bedeutung gewonnen, die aktuelle Dynamik konnte jedoch kaum jemand vorhersagen. Gezwungenermaßen verlagert sich das tägliche Leben in vielen Bereichen zunehmend in das Digitale und dazu gehört auch der Kauf von Luxusgütern.
Der Online-Anteil im Markt lag 2019 bei rund 12 %. Bis zum Jahr 2025 prognostiziert Bain & Company einen Anstieg auf bis zu 30 %. Aufgrund der aktuellen Dynamik schätzt die IKB diese Prognose als konservativ ein. Wir gehen davon aus, dass die 30-Prozent-Marke bereits früher übersprungen wird und der Anteil im Jahr 2025 auf bis zu 40 % wachsen kann. Hersteller und Händler, die bisher keine oder eine nur unzureichende Onlinepräsenz vorweisen, werden sowohl die direkten als auch die indirekten Folgen der Pandemie stärker zu spüren bekommen. Der wieder einsetzende Aufschwung der Branche wird zwar nicht vollständig, aber zu signifikanten Teilen online stattfinden. Auch, weil sich der Markt zunehmend für mehr Gesellschaftsschichten und damit für jüngere Konsumenten öffnet, die den digitalen Vertrieb voraussetzen. Nicht umsonst bieten sowohl große Luxusgüter-Hersteller als auch reine Online Pure Player wie das deutsche Unternehmen Fashionette bereits verschiedene digitale Plattformen für Luxusprodukte wie Taschen oder Mode an.
Schon vor der Pandemie definierten die jüngeren Verbraucher auch den Luxusbegriff neu. Weniger Prunk und Protz und Statussymbole, dafür bewusster Konsum von qualitativ hochwertigen Produkten; stiller Luxus statt Dekadenz, Nachhaltigkeit statt Verschwendung stehen zunehmend im Fokus der Konsumenten. Durch die Coronakrise werden auch die Faktoren Freizeit und Gesundheit im Kontext des Luxusbegriffs verstärkt an Bedeutung gewinnen. Dies wird auch die Hersteller von Luxusprodukten zwingen, ihre Kommunikation mit den Kunden zu verändern und den Nutzen ihrer Produkte in diesem Zusammenhang stärker herauszuarbeiten. Gelingt dies, können neue Alleinstellungsmerkmale herausgearbeitet werden.
Größte Herausforderung seit langem
Die aktuelle Situation mit zum Teil deutlichen Umsatz- und Ertragsrückgängen ist für viele Marktteilnehmer neu und die größte Herausforderung seit langem. Sie werden ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen müssen. Zum einen mit Blick auf eine digitalisierte Vertriebsstrategie, zum anderen mit Blick auf die sich verändernden Anforderungen der Konsumenten an die Produkte aufgrund einer neuen Definition von Luxus. Wem es schnell und nachhaltig gelingt sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen, wird gestärkt aus der Krise hervorgehen.
Dennis Rauen ist Prokurist im Sektorteam Consumer/Retail, Logistics & TMT der IKB. Er ist hauptsächlich verantwortlich für die Bereiche Holzwirtschaft, die Papier- und Verpackungsindustrie sowie ausgewählte Segmente des Non-Food Einzelhandels. Dort ist er involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Master of Science in Economics an der Universität zu Köln verbrachte er seine ersten Berufsjahre in der Industriegruppe Consumer & Retail der IKB, ehe er branchenübergreifende Corporate-Finance- und Transaktionserfahrung bei einer M&A-Beratung sammelte und 2025 wieder zur IKB stieß.
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