[Consumer & Retail-Information vom 30. August 2023]
Neue Herausforderungen dominieren die Branche
Die Logistikbranche wuchs in Deutschland von 2013 bis 2023 mit einer jährlichen durchschnittlichen Wachstumsrate von rund 3,3 % auf ein Umsatzvolumen von ca. 330 Mrd. €. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich insbesondere nach der erlebten volatilen Nachfrage in der Corona-Pandemie und seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges weiterhin immensen Herausforderungen gegenübersieht.
Wesentlicher Indikator für die hohe Volatilität waren nicht zuletzt stark schwankende Preise für Transportcontainer, die im September 2021 im Peak ein Niveau von bis zu 10.377 US-$ für einen 40-Fuß-Container erreicht haben. Zurzeit befinden sich die Preise für Frachtcontainer mit ca. 1.830 US-$ zwar deutlich unter dem Vorjahres-Zeitraum (-70 %), liegen aber noch rund 29 % über den Vor-Corona-Werten von ca. 1.420 US-$. Die IKB rechnet auch zukünftig mit erheblichen Verwerfungen und Preisvolatilitäten.
Neben den volatilen Containerpreisen gibt es strukturelle Veränderungen, die die Branche massiv beeinflussen und die Geschäftsmodelle der Logistiker in zentralen Punkten vor Herausforderungen stellen. Zu nennen sind u.a. Fachkräftemangel, gestiegene Kosten für Energie und Diesel, aber auch der Wandel zu nachhaltigen Antriebsarten. Allein der Engpass bei LKW-Fahrern hat laut Konsortialstudie von Kille et al. (2023) einen wesentlichen Einfluss auf die Ertragsseite: Das Fehlen von rund 50.000 Fahrern in 2022 hat demnach zu Mehrkosten für die deutsche Wirtschaft von rund 10 Mrd. € geführt. Perspektivisch wird mit einem Anstieg der Personallücke um ca. 20.000 Fahrer p.a. gerechnet. Für das Jahr 2025 bedeutet dies, dass mehr als 100.000 Fahrer fehlen! Der Wettbewerb um Personal wird sich damit nochmals drastisch verschärfen und nicht zuletzt die Personalkosten treiben.
Mit Blick auf die aktuelle Situation verdeutlicht das Absinken des vom ifo Institut berechneten Logistikindikators auf einen Indexwert von 89,1 Punkten im 2. Quartal 2023 die herausfordernde Lage der Branche, insbesondere aufgrund der erlebten Preissteigerungen bei Energie und Treibstoff. Im Vorjahr lag der Indexwert noch bei 90,9 Punkten. Insbesondere die Geschäftslage wird von den befragten Unternehmen seit sieben Quartalen negativ eingeschätzt –, eine kurzfristige Erholung ist nicht in Sicht. Den konjunkturellen Aussichten folgend und der engen Verknüpfung der Branchenentwicklung mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, erwartet die IKB eine leichte Seitwärtsbewegung in diesem Jahr. Für 2024 ist dann aus IKB-Sicht aufgrund der verbesserten Prognosen und aufgrund des prognostizierten BIP-Wachstums mit deutlich positiveren Aussichten zu rechnen.
Was heißt dies konkret für die Branche?
Die steigenden Anforderungen hinsichtlich Prozessoptimierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit erlauben den Logistikunternehmen keine Verschnaufpause bei der Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle, sondern veranlassen diese zunehmend zu signifikanten Investments, z.B. in die digitale Infrastruktur, teilweise bis hin zum Ausbau eigener F&E- Aktivitäten im Bereich digitaler Lösungen.
- Abhilfe beim Fahrermangel könnten z.B. unternehmensübergreifende digitale Plattformlösungen zur Kapazitätssteuerung schaffen, die eine optimale Routen- und Kapazitätsplanung sicherstellen.
- Vielfach haben Hersteller Pilotprojekte zur Automatisierungstechnik gestartet oder neue Technologien zur Routenoptimierung in Kooperationen oder stand-alone getestet, denn Kunden verlangen nicht mehr nur einzelne Logistikdienstleistungen, sondern erwarten oft die komplette Übernahme von Logistikdienstleistungen – insbesondere in der Kontraktlogistik.
- Investitionen in die digitale Infrastruktur (Roboticsysteme / Automatisierung als Key Word) sind daher nicht nur erforderlich für die interne effiziente Prozesssteuerung, sondern auch wesentlich für die gestiegenen Anforderungen der Kunden vor allem in der Kontraktlogistik.
Was früher eher „nice-to-have“ war, wird im Hinblick auf die gestiegenen Kosten zur „need-to-have“-Variante, um die im Branchenvergleich traditionell geringen Margen der Logistik zumindest stabil zu halten.
Auch die Standortfrage der Kunden wird durch die gestiegenen Kosten wieder in den Vordergrund gerückt. Insbesondere in aktuell von der gedämpften gesamtwirtschaftlichen Lage betroffenen Branchen wie Automotive können Logistikdienstleister zunehmend beobachten, dass Kunden die Produktion bei zu hohen Kosten vermehrt an kostenseitig günstigere Standorte verlagern – was im grenznahen Raum zu einem Engpass an Logistikimmobilien führt.
Durch die zunehmende Relevanz von ESG sind Logistikunternehmen zum einen regulatorisch gefordert, die eigene CO2-Bilanz zu optimieren, zum anderen steigen die Anforderungen der Kunden, etwa aus dem Einzelhandel, hinsichtlich ESG-Reporting und CO2-Nachweis im Rahmen ihrer eigenen Scope3-Betrachtungen.
Was bringt die Zukunft?
Die Branche bleibt im Umbruch und muss sich neu sortieren. Investitionen in die digitale Infrastruktur und in nachhaltige Lösungen sind nicht alternativlos. Flexible Lösungen und Innovationen stehen im Vordergrund.
Logistik als Bestandteil der Wertschöpfungskette kann nicht (mehr) separat betrachtet werden, sondern muss zunehmend als zentraler Bestandteil in die Planung der Geschäftsprozesse der Unternehmen integriert werden. Die Optimierung der Routenplanung bleibt hierbei zentrale Herausforderung für Logistikunternehmen. Digitale Lösungen können dabei unterstützen – sowohl mit Blick auf die Ökonomie als auch bei der Ökologie. Dies gilt ebenso für Investitionen in die Automatisierung der Lagerlogistik, z.B. in Form von Autostore-Systemen.
Insbesondere die hohen Investitionen, mit denen sich Logistikunternehmen konfrontiert sehen, zwingen die traditionell margenschwache Branche zu einer frühzeitigen, vorausschauenden Finanzplanung und zu (neuen) bilanzschonenden Finanzierungslösungen. Leasing bleibt neben traditionellen Working Capital-Finanzierungen wesentlicher Baustein. Eine solide Bodensatzfinanzierung mit ausreichendem Liquiditätspuffer sollte immer vorhanden sein. Idealerweise lassen sich neue Konzepte, wie Autostore Lösungen, gemeinsam mit Logistikkonzern und Kunden umsetzen, um den Finanzierungsbedarf möglichst adäquat unter den Beteiligten aufzuteilen.
Sabine Steinbach ist Abteilungsdirektorin im Sektorteam Consumer, Retail, Logistics & TMT der IKB. Sie ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank in den Branchen Konsumgüter und Handel und im Speziellen für die Bereiche Logistik & E-Commerce sowie Fashion zuständig. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen und am Institut Supérieur du Commerce in Paris stieß sie 2007 zur IKB, wo sie zunächst im Bereich Leveraged Loans und später in der Marktfolge ähnliche Branchenschwerpunkte verantwortete.
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