[Energy & Utilities-Information vom 17. August 2020]

Anfang Juli 2020 haben Bundestag und Bundesrat im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes auch eine Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes „KWKG 2020“ beschlossen. Kernstück der Gesetzesänderung sind die Neuregelung des Kohleersatzbonus sowie die Einführung weiterer Boni, um die künftige Netzsystemdienlichkeit von KWK-Anlagen zu erhöhen.

Es stellen sich aus heutiger Sicht folgende Fragen: „Führen diese Maßnahmen zu entsprechenden weiteren Investitionsentscheidungen sowie höheren Gebotsmengen in den Ausschreibungen?“ und „Was ist mit beschiedenen KWK-Projekten, die die Bauphase bereits mit einer gültigen Genehmigung (BAFA-Vorbescheid bzgl. KWK-Förderung) erreicht haben?“

Zunächst aber ein kurzer Blick auf den Status Quo:

KWK-Ausschreibungen häufig unterzeichnet

Das KWKG unterscheidet bei der Ermittlung der Höhe der Zuschläge für den KWK-Strom, der „aus neuen, modernisierten und nachgerüsteten KWK-Anlagen auf Basis von Abfall, Abwärme, Biomasse, gasförmigen oder flüssigen Brennstoffen gewonnen wird“, zwischen Anlagen kleiner und größer 50 MW elektrischer Leistung. Während Betreiber von Großanlagen ihren Zuschlag durch Antrag beim BAFA sichern, muss für KWK-Anlagen zwischen 1 und 50 MW elektrischer Leistung ein Zuschlag im Rahmen der von der Bundesnetzagentur durchgeführten Ausschreibungen erzielt werden. Während in KWK-Anlagen größer 50 MW in signifikantem Umfang auch Industrieunternehmen mit großen und oftmals dauerhaften Wärmesenken in der Produktion investieren, sind in den bisher veröffentlichten Zuschlagslisten ausschließlich Energieversorgungsunternehmen zu finden, die ihre Wärmesenke häufig in der Fernwärme haben. Speziell diese sind hinsichtlich ihrer Auslastung jahreszeitlich beeinflusst. Die entsprechenden Ausschreibungen waren – mit nur einer Ausnahme – alle unterzeichnet, was sich die Politik sicher anders vorgestellt hat.

Grundsätzlich hohes Potenzial für KWK-Investitionen in der Industrie

Die Bundesnetzagentur weist rund 1,6 GW an Erdgas befeuerten KWK-Anlagen von industriellen Betreibern aus, die älter als 20 Jahre sind (Stand: April 2020). Davon befinden sich über 700 MW in der für die Ausschreibungen relevanten Größenklasse bis 50 MW elektrischer Leistung. Hinzu kommen noch einmal rund 450 MW bzw. 280 MW an alten KWK-Anlagen mit mehreren Energieträgern (insbesondere Erdgas und Öl). Häufig werden auch Reststoffe der jeweiligen Produktion mitverbrannt. Industrielle KWK-Anlagen mit Kohle als einzigem Energieträger finden sich nur in geringem Umfang. Desweiteren ist insgesamt bei der Ableitung des Potenzials für Investitionen in die Modernisierung industrieller KWK-Anlagen zu berücksichtigen, dass einige Großprojekte bereits in der Umsetzung sind und die Investitionen häufig im Zusammenhang mit Energieeffizienzmaßnahmen in der Produktion zu sehen sind.

Neue Investitionsanreize im KWKG 2020 durch Boni mit Lenkungswirkung

Der Kohleersatzbonus wurde neu gestaltet und wie die anderen drei neuen Boni in eigenen Paragraphen im KWKG verankert (§ 7c). Aus dem Kohleersatzbonus von bisher 0,6 Cent/kWh für 30.000 Vollbenutzungsstunden wird eine Einmalzahlung zwischen 5 und 390 Euro je kW ersetzter elektrischer Leistung. Den höchsten Bonus gibt es für ab 1995 in Betrieb genommene kohlebefeuerte KWK-Anlagen, die bis zum 31. Dezember 2022 durch Aufnahme des Dauerbetriebs einer neuen KWK-Anlage ersetzt werden. Der Bonus sinkt mit zunehmendem Alter der zu ersetzenden Anlage und je später der Zeitpunkt der Inbetriebnahme der neuen Anlage ausfällt.

Der neu eingeführte Bonus für innovative erneuerbare Wärme (§ 7a) wird in Abhängigkeit von deren Anteil an der Referenzwärme der KWK-Anlage gewährt. Der Bonus startet bei einem Anteil von 5 % erneuerbarer Wärme mit 0,4 Cent/kWh und erhöht sich in Schritten von fünf Prozentpunkten bis hin zu einer Maximalförderung von 7,0 Cent/kWh bei 50 % Erneuerbaren-Anteil.

Der neue Bonus für elektrische Wärmeerzeuger (§ 7b) beinhaltet eine Einmalzahlung von 70 Euro/kW thermischer Leistung für fabrikneue elektrische Wärmeerzeuger, die mindestens 80 % der Wärmeleistung der neuen oder modernisierten KWK-Anlage erzeugen können. Dieser Bonus soll somit genauso wie der ebenfalls neu eingeführte Südbonus (§ 7d) einen Beitrag zur Netzstabilität leisten. Insofern können beide Boni auch nicht kumulativ in Anspruch genommen werden.

Auf den „Südbonus“ haben Betreiber von neuen, modernisierten oder nachgerüsteten KWK-Anlagen einen Anspruch, u. a. wenn:

  • der Standort der KWK-Anlage sich in der im KWKG definierten Südregion (Bayern, Baden-Würtemberg, Teile von Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland) befindet,Baubeginn des Vorhabens nach Ende 2019 aber vor 2026 ist,
  • der gesamte Strom, abzüglich des Verbrauchs der elektrischen Wärmeerzeuger, in ein Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist wird,
  • die KWK-Anlage auf Anforderung des Netzbetreibers auch in Zeiten ohne Nutzwärmenachfrage in voller Höhe der elektrischen Leistung Strom erzeugen kann.Der Südbonus beträgt einmalig 60 Euro je kW elektrischer Leistung, KWK-Zuschläge werden dann aber auf maximal 2.500 Vollbenutzungsstunden im Jahr beschränkt.

Weitere wesentliche Änderungen des KWKG umfassen die schrittweise Begrenzung der KWK-Förderung bei insgesamt geförderten 30.000 Vollbenutzungsstunden (Vbh) auf grundsätzlich 3.500 Vbh pro Jahr ab dem Jahr 2025 und den Wegfall der Förderung im Zeitraum negativer Strompreise sowie eine Verlängerung der Laufzeit des Gesetzes bis Ende des Jahres 2029. Zudem erhalten KWK-Anlagen > 50 MWel bei Aufnahme des Dauerbetriebs nach dem 31. Dezember 2022 einen um 0,5 ct / kWh höheren Zuschlag von 3,6 ct / kWh.

Fazit und Ausblick

Mit dem Kohleausstiegsgesetz wird das KWKG bis 2029 verlängert und somit Planungssicherheit für die Marktteilnehmer geschaffen. Grundstruktur und Förderschwerpunkte des KWKG bleiben erhalten. Mit den modifizierten bzw. neu eingeführten Boni sollen einerseits der Kohleausstieg und andererseits die Stabilität des Energiesystems durch Investitionen in moderne, flexible KWK-Anlagen sowie Netze und Speicher unterstützt werden. Allein die Planungssicherheit sollte wieder zu erhöhten Angebotsmengen in der KWK-Ausschreibung führen. Die Begrenzung der jährlichen Vollbenutzungsstunden empfinden alle Betreiber von KWK-Anlagen als herben Einschnitt, insbesondere Industrieunternehmen mit einer dauerhaft hohen, über das Jahr verteilten Wärmesenke.

Doch was ist mit Projekten, die bereits einen gültigen BAFA-Vorbescheid erhalten haben? Wird die Förderung nun aufgrund der rückwirkend zum 1. Januar 2020 in Kraft tretenden KWK-Novelle angepasst? Im Ergebnis bleibt die Förderung kumulativ gleich, was positiv zu bewerten ist. Allerdings verschiebt sich das Einspielen der Förderung (geplanter Cashflow) für diese Anlagen deutlich nach hinten, da die Zahlung der KWK-Zuschläge auf max. 3.500 Vollbenutzungsstunden pro Jahr ab 2025 begrenzt werden soll. Frühestens also nach 8 bis 9 Jahren wären die Zuschläge dann komplett generiert. Viele dieser KWK-Projekte haben allerdings mit einem schnelleren Rückfluss geplant und hierauf die Investitionsentscheidung getroffen (4 bis 5 Jahre). Für diese Unternehmen stellt die Novelle eine massive wirtschaftliche Veränderung dar. Branchenverbände wie VCI, BDEW, VKU haben dies bereits erkannt und laufen Sturm. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Rechtsmittel einzelner Betreiber sind allerdings nicht ausgeschlossen.

Die Energiepolitik hat in der Vergangenheit viele Gesetzesnovellen erlebt, insbesondere zum EEG und KWKG. Nie wurden allerdings Projekte, die bereits unter gültiger Gesetzgebung positiv beschieden wurden, rückwirkend geändert. Es galt hier immer der Bestandsschutz. Neue Gesetzesnovellen waren also bisher immer auf die Zukunft ausgerichtet, was wir an den aktuellen Änderungen nicht erkennen können. Die verschiedenen Industrieverbände dürften deshalb nichts unversucht lassen, weiter Druck auf die Bundesregierung auszuüben, um einen Bestandsschutz zu erzielen. Schließlich sollen die Energiewende im Konsens weitergeführt und langjährige Rechtsstreitigkeiten vermieden werden.

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