[Consumer & Retail-Information vom 19. Dezember 2024] 

Künstliche Intelligenz (KI) hat im deutschen Einzelhandel in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. KI-Technologien bieten vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, von der Optimierung der Lieferkette bis hin zur Verbesserung des Kundenerlebnisses. Es besteht erhebliches Potenzial in der weiteren Umsetzung, welches auch vor dem Hintergrund der Konsumzurückhaltung und des Strukturwandels der Branche gehoben werden sollte.

Das Wichtigste im Überblick:

·       KI-Anwendungen im Handel sind vielfältig und reichen von Self-Checkout-Systemen an den Kassen, über Chatbots als virtuelle Service-Assistenten für die individuelle Kundenberatung über visuelle Suchassistenten hin zu KI-unterstützten Produktempfehlungen auf Basis individueller Kundenpräferenzen. Weiterhin werden kameragestützte Diebstahlsysteme genutzt oder auch Anwendungen, um das Kundenerlebnis zu erhöhen wie Gaming-Elemente oder KI-gestützte Berater. Zudem kann KI zur Ladengestaltung und Optimierung des Bestandsmanagements genutzt werden, z.B. durch den Einsatz von digitalen Zwillingen im Category Management.

·       Die Herausforderungen bei der Implementierung von KI sind nicht trivial: Die Nachfrage nach KI-Lösungen wächst stark, wodurch die Unternehmen hinsichtlich Implementierung und Investitionen vor große Herausforderungen gestellt werden. Der interne Aufwand und die Bedenken der Mitarbeiter bei der Implementierung von KI-Lösungen dürfen nicht unterschätzt werden und können potenzielle Effizienzen, die durch KI-Anwendungen im Unternehmen erzielt werden könnten, signifikant mindern. KI-Anwendungen können im stationären Handel helfen, die Attraktivität auf der Fläche zu erhöhen.

·       Die Rahmenbedingungen im Handel bleiben herausfordernd: Der Konkurrenzdruck durch Markteintritte von internationalen Unternehmen steigt bei begrenzten Wachstumsaussichten. Gleichzeitig bindet die KI-Implementierung interne Unternehmenskapazitäten bei komplexen regulatorischen Anforderungen an die Unternehmen.

 

Die Rahmenbedingungen für den Handel bleiben herausfordernd

Trotz des wachsenden Interesses zögern viele Handelsunternehmen jedoch noch, KI-Anwendungen umfassend zu integrieren. Laut einer HDE-Studie sind die Hauptgründe hierfür der Mangel an klaren Anwendungsfällen (66,7 %) und die hohen Implementierungskosten (57,8 %). Zusätzlich zeigt sich, dass die fachliche KI-Kompetenz im Unternehmen weiter ausgebaut werden muss (42,2 %), um den Anforderungen gerecht zu werden und die Technologie erfolgreich einzuführen. Aber es gilt: gerade im aktuell unsicheren und schwierigen Umfeld muss der Handel jede Chance ergreifen.

Das Jahresendgeschäft wird zeigen, wie das Jahr 2024 gelaufen ist. Es war aber sicherlich nicht gut auf Basis der aufgelaufenen Umsätze der ersten 3 Quartale bei einem nominalen Wachstum von +1,3%/real -0,35 %, so dass nun das 4. Quartal mit dem wichtigen Weihnachtsgeschäft und der Black Week zeigen muss, ob der Handel das Anfang des Jahres prognostizierte Wachstum von nominal +3,5%/real +1% noch erreichen kann. 

Auch 2025 wird aus IKB-Sicht herausfordernd bleiben, da die Wachstumsperspektiven äußerst limitiert sind. Darüber hinaus setzt sich der Strukturwandel im Handel fort: Der Anteil des E-Commerce wird weiter steigen und damit den stationären Handel weiter unter Druck setzen. Aber auch online gibt es Verschiebungen zu großen Plattformanbietern, so verantworten die großen Player in Deutschland Amazon, Otto und Zalando weit über 2/3 des gesamten Onlinehandelsvolumens (IFH, Basis: Bruttoumsatz). Weiterhin konnten internationale Player wie Temu, Shein und Alibaba in den letzten Jahren auch in westlichen Märkten signifikante Umsätze generieren. Diese Unternehmen nutzen fortschrittliche KI-Technologien bereits seit Jahren, um ihre Prozesse zu optimieren, Markttrends schnell zu erkennen und das Nutzerverhalten effektiv zu steuern.

Zudem sind die regulatorischen Rahmenbedingungen streng: Seit dem 01.08.2024 ist die europäische KI-Verordnung (AI-Act) in Kraft mit dem Ziel, die verantwortungsvolle Entwicklung und Verwendung künstlicher Intelligenz in der EU zu fördern, sowie einen einheitlichen Rahmen für alle EU-Länder einzuführen. Hierin werden spezifische Anforderungen nach Risikoabstufungen in der Handhabung von KI definiert und die Unternehmen müssen sicherstellen, dass die KI-Systeme den jeweiligen Anforderungen entsprechen. Dies ist keinesfalls trivial und bindet durchaus Kapazitäten für die Unternehmen. Der EU-AI-Act betrifft gleichermaßen auch ausländische Unternehmen, die Ihre Waren und Dienstleistungen in der EU anbieten.

Wird KI zum zentralen disruptiven Faktor für die Branche?

Par Excellence werden die KI-Anwendungen bereits von den großen chinesischen Unternehmen genutzt: Alibaba, Shein und Temu konnten durch die gezielte Steuerung der Kundenbindung, Analyse der Lieferkette und Implementierung von Gaming-Anwendungen ihren Marktzugang in westliche Märkte deutlich ausbauen. Dies geschah nicht zuletzt durch signifikante Investitionen in KI: Alibaba hat allein im ersten Halbjahr im Jahr 2024 rund 2,8 Mrd. € in KI-Anwendungen investiert. Bisher haben sich die Investments zumindest für das Wachstum ausgezahlt: Selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist der E-Commerce-Bereich von Alibaba deutlich über 45% gegenüber Vorjahr gewachsen, die übrigen Geschäftsbereiche um 7 % – weit über dem Branchendurchschnitt. Shein integriert KI-Anwendungen so gezielt in die Produktion und Fulfillment-Prozesse, dass das Unternehmen in der Lage ist, Produkte innerhalb kürzester Zeit dezentral produzieren und ausliefern zu lassen, was die Lager- und Transportkosten deutlich senkt.

Bei Temu dominiert das Gaming-Erlebnis als wesentlicher Erfolgsfaktor, der durch deutliche Steigerung der Kundenbindung entscheidend mit zu dem Umsatzwachstum im letzten Jahr beigetragen hat. Dass der chinesische Handel führend im Bereich E-Commerce ist, hat auch Zalando erkannt und in Shenzhen einen Tech-Hub eröffnet, um direkten Zugang zu dem international führenden Social Commerce Know-How zu erhalten und um dieses dann für den europäischen Markt zu nutzen. Die Nutzung von KI im Handel ist somit nicht verhandelbar, sondern ein Muss für Handelsunternehmen, um im weiterhin herausfordernden Marktumfeld zu bestehen.

Was kann KI für den stationären Handel leisten?

Eine der größten Herausforderungen für den stationären Handel ist es, die Kundenattraktivität auf der Fläche wieder deutlich zu erhöhen. Folgende KI-Anwendungen können hier deutliche Impulse setzen:

·         Personalisierte Einkaufserlebnisse: Durch die Analyse von Kundendaten können Händler personalisierte Angebote und Empfehlungen erstellen, die auf die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben der Kunden zugeschnitten sind.

·         Interaktive Technologien: Der Einsatz von interaktiven Technologien wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) kann das Einkaufserlebnis im Geschäft attraktiver gestalten und Kunden dazu motivieren, die Geschäfte zu besuchen.

Was heißt dies für die Zukunft?

Die Implementierung von KI im E-Commerce und Einzelhandel bietet enorme Potenziale, um Prozesse zu optimieren und das Kundenerlebnis zu verbessern. Mit den richtigen Strategien und der erfolgreichen Implementierung können KI-Anwendungen dazu beitragen, den stationären Handel attraktiver zu machen und die Frequenzen in den Innenstädten zu erhöhen. KI ist schon lange kein „nice to have“ sondern ein „must“. Lassen Sie uns ins Gespräch kommen, um technologische Investitionen und Förderung für die Unternehmenstransformation optimal zu kombinieren.

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Sven Anders, CFA
Abteilungsdirektor
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