[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 02. März 2023]
Im Dezember 2022 hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zusammen mit der von ihm berufenen Regierungskommission ein umfassendes Reformkonzept für Krankenhäuser in Deutschland vorgestellt. Kern der als „Revolution“ titulierten Vorschläge ist die Neuaufstellung der Krankenhauslandschaft und eine Veränderung der Vergütungsstruktur.
Sind die Ideen tatsächlich revolutionär?
2021 standen in Deutschland 1.887 Krankenhäuser mit über 483 Tsd. Betten zur Verfügung. Sie versorgten 16,7 Mio. Patienten, was einer Bettenauslastung von 68,2 % entsprach. Vor Corona lag die Kapazitätsauslastung noch zwischen 77 und 78 %. Bereits heute sind die Kliniken in Deutschland in den jeweiligen Bundesländern in drei bis vier Versorgungsstufen (Grund-, Regel-, Schwerpunkt- und Maximalversorgung) eingeteilt. Jedes Bundesland hat dafür allerdings seine mehr oder weniger eigene Definition formuliert.
Der Vorschlag aus dem Bundesgesundheitsministerium für die Einteilung der Kliniken in der Zukunft soll erstmals feste Mindestvoraussetzungen für die Strukturqualität vorsehen. Es soll demnach drei Stufen von Krankenhäusern geben, die mit Leistungsgruppen kombiniert werden. Innerhalb der ersten Stufe, also der Grundversorgung, sollen zwei Level eingeführt werden.
Das Level Ii umfasst Kliniken zur ambulanten Grundversorgung mit Akutpflegebetten, die auch von Pflegekräften geführt werden können. Das Level In bezeichnet Kliniken, die für grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle vorgesehen sind. Diese beiden Gruppen würden dann die Mehrzahl der Kliniken ausmachen. Um in die nächsthöhere Stufe Level II eingeordnet zu werden, müssen die Häuser darüber hinaus eine Stroke-Unit für Schlaganfallpatienten und intensivmedizinische Betten vorhalten. Diese Kliniken sollen demnach die aufwändigeren Fälle in der „Regel- und Schwerpunktversorgung“ behandeln. Ins Level 3 werden Universitäten und Kliniken mit sehr breitem Spektrum als sogenannte „Maximalversorger“ eingeordnet.
Auch das Entgeltsystem soll in den Krankenhäusern neu geregelt werden. Künftig werden die Kliniken nicht nur über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) vergütet, sondern nach drei neuen Kriterien: Vorhalteleistungen, Versorgungslevels und Leistungsgruppen. Ziel des amtierenden Gesundheitsministers ist dabei die „Entökonomisierung“ der Gesundheitsdienstleistungen. Einerseits fällt dadurch sicherlich der Anreiz weg, vornehmlich Behandlungen mit positivem Deckungsbeitrag durchzuführen statt medizinisch notwendiger Therapien. Andererseits erhöht dies jedoch die Gefahr, Ressourcen nicht effizient einzusetzen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat eine Auswirkungsanalyse zu diesen Vorschlägen beim Forschungsinstitut Institute for Health Care Business (hcb) in Kooperation mit Vebeto beauftragt. Die Analyse lässt gravierende Umstrukturierungen in der Krankenhauslandschaft erwarten. Beispielsweise prognostiziert sie deutliche Verschiebungen der Patientenströme bei Neurologie, interventioneller Kardiologie und Geburtshilfe, da viele Kliniken nicht mehr die entsprechenden Vorgaben erfüllen werden und damit zur Patientenversorgung nicht mehr zur Verfügung stehen oder mit großem Aufwand umgestaltet werden müssen. Auch die Notfallversorgung unterläge massiven Veränderungen.
Bayern und Nordrhein-Westfalen haben ebenfalls eigene Gutachten vorgelegt, die deutliche Effekte in den jeweiligen Bundesländern vorhersagen.
Sicherlich wird der Vorschlag der Kommission nicht 1:1 umgesetzt werden. Bundesländer, Verbände und Krankenkassen haben bereits begonnen, ihre Ideen und Anpassungswünsche einzubringen. Konsens ist, dass ambulante Strukturen stärker forciert werden und Qualitätsaspekte in der stationären Versorgung intensiver betont werden müssen – dies gebietet schon der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Hier werden hoffentlich viele Krankenhausstandorte gute Voraussetzungen mitbringen, eine ambulante Versorgungsstruktur unter stärkerer Nutzung von Telemedizin aus- und umzubauen.
Die notwendigen Investitionsvolumina sind gewaltig
Bis Ende des Jahres soll die Reform stehen. Danach wird ein Transformationsprozess angestoßen, der sich über viele Jahre hinziehen wird und der durch entsprechende Investitionen gesichert werden muss. Finanzierungsvolumina von rd. 100 Mrd. € werden in diesem Zusammenhang genannt. Hier werden die Bundesländer über Fördermittel stärker in die Pflicht genommen, aber auch die Finanzierungserfordernisse auf der unternehmerischen Ebene der Betreiber und Dienstleister im Gesundheitswesen werden steigen.
Johanna Eckert-Kömen betreut als Direktorin im Sektorteam Consumer, Retail, Logistics & Health der IKB insbesondere Unternehmen aus den Branchen Healthcare Services, Medizintechnik, Pharma sowie Kosmetik und ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Studium der Volkswirtschaft an der Universität des Saarlandes stieß sie bereits 1991 zur IKB.
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