[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 22. Dezember 2020]
Unbestritten ist der weltweite Klimawandel eine der größten Gesundheitsbedrohungen des laufenden Jahrhunderts. Das Gesundheitswesen ist infolgedessen auch in Deutschland massiv gefordert. Besonders Ältere und chronisch Kranke sowie Kinder waren in den letzten Jahren verstärkt von Dehydrierung und Herzkreislaufproblemen betroffen. In den Sommermonaten 2018 bis 2020 sind insgesamt mehr als 19 Tsd. Menschen aufgrund von Hitze gestorben. Nicht zu vergessen ist die verheerende Flutkatastrophe im Ahrtal. Hinzu kommen zunehmend Krankheitsverläufe aufgrund von importierten Erregern, auf die Kliniken nicht vorbereitet sind.
Andererseits trägt der Gesundheitssektor auch selbst zur Klimakrise bei. Diverse Studien haben gezeigt, dass die Branche für 5 bis 7 % aller CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich ist; ein großer Teil entfällt dabei auf den Betrieb von Krankenhäusern. Damit befindet sich die Gesundheitswirtschaft etwa in einer Liga mit der Stahlindustrie. Das Wuppertal Institut hat aktuell ein Zielbild des „Klimaneutralen Krankenhauses“ entworfen und zeigt Maßnahmen auf, wie ein entsprechender Weg aussehen kann. Hier wird das ganze Repertoire von Gebäude- und Energieoptimierung bis zum Recycling und der Substitution von klimaschädlichen Narkosegasen beleuchtet. Letztlich dienen Investitionen in den Klimaschutz nicht nur den Investoren und Betreibern, sondern insbesondere auch der Gemeinschaft.
Hauptfelder für ein „Green Hospital“
Geeignete Instrumente auf dem Weg zur CO2-Neutralität bzw. sogar zur Treibhausgas- und Klimaneutralität sind vielfältig und auf verschiedenen Beziehungs- und Lieferebenen der Krankenhäuser einsetzbar (s. Darstellung Scope 1-3). Die Reduktion der direkten Emissionen bei Gebäuden, Anlagen und im Fuhrpark eines Krankenhauses stellt aufgrund des oftmals hohen Alters des Gebäudebestands und der haustechnischen Anlagen jedoch eine besondere Herausforderung dar. Gebäudehüllen zu sanieren, Wärme- und Kälteerzeugung zu optimieren sowie Erneuerbare Energien zu nutzen, kommt eine herausragende Bedeutung zu, um einen sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch erreichen zu können. Aber auch die Reduktion von Verkehr bzw. die Umstellung auf klimaschonendere Verkehrsträger bei Beschäftigten und Besuchern sowie die Umstellung der eigenen Fahrzeugflotte auf Elektromobilität unterstützen diesen Weg. Ressourcenschonung durch Mehrwegprodukte und der Aufbau von Recyclingkreisläufen, z. B. bei Verpackung, OP-Besteck und Textilien, steckt noch in den Anfängen. Die Verpflegung und Speisenversorgung von Patienten und Beschäftigten kann durch eine geringere Verwendung von Fleischprodukten und die Umstellung auf mehr biologische oder regionale Produkte ebenfalls deutlich zur CO2-Reduktion beitragen. Eine Besonderheit in Kliniken ist die Verwendung von klimaschädlichen Narkosegasen, die in den letzten Jahren zudem deutlich angestiegen ist. So hat etwa Desfluran die 2.540-fache Klimawirksamkeit von CO2. Der Ersatz anderer Anästhesiemöglichkeiten oder das Recycling von Narkosegasen kann daher eine Alternative sein, die zudem noch kostengünstiger ist.
Finanzierungsmittel müssen aufgestockt werden
Die Finanzierung von Krankenhäusern erfolgt in Deutschland nach dem Prinzip der „dualen Finanzierung“. Die laufenden Betriebskosten werden von den Krankenkassen finanziert, die Investitionskosten für Gebäude und Großgeräte hingegen von den Bundesländern. Die Investitionsmaßnahmen in die geforderte energetische Sanierung und die weiteren Klimaschutzmaßnahmen müssten allerdings erheblich intensiviert werden, zusätzlich zu dem ohnehin schon seit Jahren bestehenden Investitionsstau. Ohne weitere Fördermittel wird es bei der schwachen Ertragslage der meisten Krankenhausbetreiber schwierig, größere Investitionen in Klimaschutz zu tätigen, was aber Voraussetzung für eine langfristig verbesserte Wirtschaftlichkeit wäre. Letztlich könnten sinkende Betriebskosten auch zu geringeren oder weniger schnell ansteigenden Krankenkassenbeiträgen führen.
Johanna Eckert-Kömen betreut als Direktorin im Sektorteam Consumer, Retail, Logistics & Health der IKB insbesondere Unternehmen aus den Branchen Healthcare Services, Medizintechnik, Pharma sowie Kosmetik und ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Studium der Volkswirtschaft an der Universität des Saarlandes stieß sie bereits 1991 zur IKB.
Hinterlasse einen Kommentar