[Kapitalmarkt-News vom 2. Juli 2024]

Fazit: Die aktuelle Konjunkturbelebung dürfte einen Anschub für Investitionen in Deutschland liefern – mehr aber auch nicht. Eine nachhaltig stärkere Investitionsdynamik wird sich daraus nicht ergeben. Diese ist aber notwendig für ein grundsätzlich höheres deutsches Wirtschaftswachstum. Hierfür müssen die bekannten Strukturschwächen behoben werden, es besteht dringender Handlungsbedarf. Grüne Transformation benötigt beides Investitionen und nachhaltiges Wachstum am Standort Deutschland.

Die Konjunktur zeigt Erholungstendenzen. Gleichzeitig wird betont, die strukturellen Probleme am Standort Deutschland benötigen Reformen. Schließlich ist eine zyklische Erholung nur temporär und fragil, wie die erneute Eintrübung des ifo-Geschäftsklimas signalisiert, sie ist folglich keine Lösung für strukturelle Probleme, so das Argument. Denn damit sich das Potenzialwachstum erhöht, müsse eher das Angebot durch Investitionen, Produktivitätssteigerungen sowie mehr Arbeitsvolumen ausgeweitet werden als die Nachfrage durch eine zyklische Belebung. Kurzfristige Konjunkturschwankungen beeinflussen demnach das Potenzialwachstum kaum – vor allem, wenn die Erholung eher schwach verläuft. So braucht es für die Transformation die bekannten Angebotsreformen. Standortprobleme wie hohe Energiekosten, eine immense Steuerlast und eine zu geringe Produktivität sollten angegangen werden.

Und dennoch kann eine konjunkturelle Erholung eine entscheidende Rolle für den mittelfristigen Wachstumspfad bzw. für die Transformation einer Wirtschaft spielen, vorausgesetzt sie gibt einen wichtigen Anstoß für eine Investitionsentscheidung bzw. diese ist ein entscheidender Treiber der Erholung. In diesem Fall kann eine zyklische Erholung sehr wohl auch den mittelfristigen Wachstumspfad beeinflussen.

Eine Umfrage der Bundesbank hat ergeben, dass neben den bekannten strukturellen Hemmnissen vor allem die aktuelle schlechte Konjunkturlage Investitionen bremst. Es ist also die Konjunkturerholung, die Impulse für Investitionen liefern muss. Schließlich werden nur dann neue Technologien eingeführt oder Kapazitäten ausgeweitet, wenn der Auftragsbestand bzw. die Profitabilität es erlaubt.

Wie stark die Reaktion der Investitionen auf die Konjunktur sein wird, hängt wiederum von einer Reihe von Faktoren ab, wie die Bundesbankumfrage zeigt. Und hier sind es vor allem erfolgreiche Reformen, die notwendig sind, damit die Sensitivität der Investitionen auf Wachstumsimpulse spürbar zunimmt. Also: Alle oder viele der strukturellen Investitionshemmnisse von Abb. 1 müssen überwunden bzw. aufgelöst werden, sodass der Konjunktureinfluss ungefiltert auf Investitionen einwirken kann. Dann können Investitionen – dank eines ausreichend großen Schubs – auch selbst zum Treiber für Wachstum werden. In diesem Fall mag die Konjunktur nur anfänglich nötig sein, bevor Investitionen zum Wachstumstreiber werden. 

Quelle: Bundesbank Monatsbericht April 2024

 

Es ist ein bekanntes Thema, dass in Deutschland zu wenig investiert wird – vor allem angesichts der angestrebten Klimaziele und des immer weiter sinkenden Potenzialwachstums (s. auch SVR-Gutachten Nov. 2023). Ohne Investitionen kann keine Anpassung des Kapitalstocks stattfinden. Ein CO2-Rückgang ist so nur durch Produktionsverlagerung und somit Abwanderung möglich (siehe Bundesbank Monatsbericht April 2024). Soll die grüne Transformation durch den Privatsektor gestemmt werden, muss sich die Investitionsbereitschaft – durch das In- wie Ausland – erheblich verbessern. Negative Anreize wie höhere CO2-Preise sind hierbei nicht hilfreich. Sie fördern zwar durch Preissignale eine Substitution von fossiler zu nachhaltiger Energienutzung, aber einen Anreiz zu mehr Investitionen bieten sie erst einmal nicht. Die Bundesbank betont: Die Emissionsziele sind durch einen stärkeren Anstieg des CO2-Preises erreichbar. Allerdings „hängt es unter anderem von der Stärke des energiesparenden technologischen Fortschritts ab, mit welchen Produktionsverlusten oder Gewinnen dies einhergeht“. Die praktische Umsetzung von technologischem Fortschritt findet durch Investitionen statt. Ohne einen kräftigen Investitionsschub sind die Klimaziele also nur durch Produktionsrückgänge zu erreichen, was alles andere als eine erfolgreiche Transformation darstellen würde.

In früheren Kapitalmarkt-News wurde bereits gezeigt, dass ein immer höheres Weltwachstum notwendig ist, um das industrielle Produktionsniveau am Standort Deutschland zu halten bzw. um Wachstum zu generieren. Es wurde auch gezeigt, dass der Ausblick für 2025 mit Risiken behaftet ist, nicht zuletzt aufgrund einer zu erwartenden Abschwächung der US-Konjunktur. Die Erholung könnte also zu moderat ausfallen, und der notwendige Investitionsschub versickern. Deshalb muss der Konjunktureinfluss auf Investitionen nicht nur hoch sein, die Konjunkturdynamik muss auch eine kräftige Eigendynamik aufweisen. Noch immer ist es die Konjunktur, die Investitionen treibt und nicht Investitionen, die kurzfristig ein höheres Wachstum generieren.

Dies lässt sich auch an der Investitionsquote erkennen. Sie verläuft im Zeitraum 1991 bis zur Finanzkrise mit einem positiven Trend. Dies gilt auch für die Phase 2010 bis 2018, wenn auch weniger ausgeprägt. In dieser Phase hat also die Investitionsdynamik für Wirtschaftswachstum gesorgt. Seit 2018 besteht jedoch ein negativer statistischer Trend für die Investitionsquote. Die schwache Investitionstätigkeit erzeugte kein Wachstum, sie wurde vielmehr gebremst durch die fehlende Wirtschaftsdynamik. Höhere Investitionen können also kurzfristig nur durch ein kräftigeres BIP-Wachstum generiert werden. Transformation und damit angebotsseitige Veränderungen brauchen aber Investitionen als Treiber des mittelfristigen Wachstums. Bei dem aktuellen Trend kann deshalb eine zu moderate Konjunkturerholung kaum ein Zünder für strukturell höhere Investitionen und eine erfolgreiche Transformation sein.

Der Einfluss der Konjunktur auf Investitionen ist volatil, was angesichts der in Abb. 1 angeführten Hemmnisse für Investitionen nicht überraschend ist. Über den gesamten Zeitraum 1990 bis 2024 ergibt sich dennoch eine stabile Elastizität von rund 2,5. Also wächst das BIP mit rund 1 %, steigen private Investitionen um rund 2,5 %. Wird allerdings nur die Phase 2018 bis 2024 berücksichtigt, liegt die Elastizität unter 2,5, was aufgrund der Vielzahl von Investitionsbremsen in Verbindung mit der grundsätzlich schlechten Stimmung nicht verwunderlich ist. Aktuell werden Investitionen von drei Hemmnissen gebremst:

  • Investitionen sind kein unabhängiger Treiber des Wachstums, sondern reagieren auf Wachstum – es fehlt an einer nachhaltigen Wachstumsdynamik und damit Investitionsbereitschaft am Standort.
  • Das deutsche Potenzialwachstum ist zu niedrig bzw. wird weiter zurückgehen.
  • Der Einfluss des BIP-Wachstums auf Investitionen ist in den letzten Jahren in der Tendenz rückläufig.

Die Kombination dieser drei Aspekte führt zu einer niedrigen und für die Transformation unzureichenden Investitionsdynamik. Investitionen führen nicht zu Wachstum, sondern ein immer weiter sinkendes Potenzialwachstum reduziert die Investitionsbereitschaft und belastet somit das Wachstum. Ein negativer Kreislauf ist die Folge. Zwar mögen Konjunkturimpulse eine gewisse Investitionsbereitschaft mit sich bringen – wie sie auch für 2025 und 2026 erwartet werden. Der Einfluss auf private Investitionen sollte aber laut Schätzungen eher überschaubar bleiben. So könnte die Investitionsquote von aktuell 6,1 % laut IKB-Schätzungen auf bis zu 6,5 % bis Ende 2026 ansteigen. Die aktuelle Konjunkturerholung wird also zu einer gewissen Investitionsdynamik führen. Dies wird jedoch weder für einen spürbaren Einfluss auf das Potenzialwachstum ausreichen noch den negativen Trend der Investitionsquote durchbrechen.

 

Einschätzung

  • Wachstum allein bringt nicht mehr Investitionen. Das Potenzialwachstum ist zu niedrig bzw. sinkt weiter, der Einfluss auf Investitionen nimmt ab, und Kausalitäten haben sich umgekehrt: Investitionen sollten Wachstum treiben und nicht andersherum. Aber: Gerade, weil kurzfristig die Konjunktur Investitionen positiv beeinflusst, muss die Bedeutung der konjunkturellen Erholung betont werden. Denn aktuell ist zumindest mit einer Stabilisierung bzw. leichten Erholung der Investitionsquote zu rechnen. Eine Entwicklung, die angesichts jüngster Rückgänge absolut notwendig ist. Der negative Kreislauf von niedrigem Wachstum und geringen Investitionen wird allerdings dadurch nicht durchbrochen.
  • Es braucht exogene Einflüsse bzw. Schocks, die die Investitionen unabhängig zum BIP-Wachstum vorantreiben. In den letzten Jahren überwogen jedoch Hemmnisse, wie zum Beispiel der Anstieg der Energiekosten. Bei den in Abb. 1 aufgeführten Aspekten gibt kurzfristig nur der Konjunkturausblick Hoffnung auf etwas Entspannung. Bleiben andere Faktoren unverändert, verhelfen Investitionen weder zu einem nachhaltigen Wachstum noch zu einer erfolgreichen Transformation.
  • Klimaneutralität und Schuldenbremse sind zwei zentrale Ziele der Bundesregierung. Beide können nur durch eine hohe bzw. zunehmende Investitionsquote erreicht bzw. eingehalten werden, da sie Transformation und Wachstum ermöglicht. Deshalb brauchen diese ambitionierten Ziele eine weitere Vorgabe: nämlich eine ansteigende Investitionsquote. Anders ausgedrückt: Der Erfolg bzw. das Erreichen der Klimaziele muss immer im Kontext der dafür benötigenden Wertschöpfung und neuen Technologien am Standort Deutschland gesehen und somit immer in Abhängigkeit der Investitionsquote beurteilt werden. Aus dieser Sicht besteht gerade aufgrund der Konjunkturerholung akuter Handlungsbedarf, Investitionshemmnisse abzubauen und den maximalen Nutzen aus der Konjunkturerholung für die Transformation zu generieren.
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