[Kapitalmarkt-News vom 18. Dezember 2018]
ifo Geschäftsklima: erneut eingetrübt
Das ifo Geschäftsklima hat sich zum vierten Mal in Folge eingetrübt. Im Umfeld der zahlreichen Unsicherheiten – vor allem das zähe Ringen der britischen Regierung um den Brexit – war eine erneute Stimmungsverschlechterung zu erwarten. Der Index sank um einen Zähler auf 101,0 Punkte. Bereits der Einkaufsmanager-Index vom Freitag signalisierte eine deutliche Eintrübung. Beim ifo Geschäftsklima haben beide Komponenten nachgelassen. So fiel die Einschätzung der aktuellen Lage weniger positiv aus, der Teil-Index sank um 0,8 Zähler auf 104,7 Punkte; und die Geschäftsperspektiven haben sich erneut deutlicher eingetrübt, der Teil-Index fiel um 1,4 Zähler auf 97,3 Punkte.
Implikationen für den kurzfristigen Ausblick
Die erneute Verschlechterung des ifo Geschäftsklimas bestätigt, dass sich der kurzfristige Konjunkturausblick weiter eintrübt. Die Aussagekraft des ifo Index bezieht sich allerdings nur auf das erste Quartal 2019. Entscheidend ist auch, dass es die Veränderung des Index ist, die relevant ist, nicht das Niveau. So würde bereits eine Stabilisierung in den kommenden Monaten auf eine sich aufhellende Konjunktur im zweiten und dritten Quartal 2019 hindeuten. Abb. 2 zeigt den kurzfristigen BIP-Wachstumsverlauf auf Basis der ifo Werte für das vierte Quartal 2018. Der Ausblick hat sich im Vergleich zum Vormonat nicht geändert.
Die aktuellen Sorgen der Unternehmen sind weniger kurzfristig angelegt, sie beziehen sich eher auf den Ausblick für das Gesamtjahr 2019 und insbesondere die Frage, ob die deutsche Wirtschaft einen deutlichen Einbruch in 2019 erleben wird. Aktuelle Prognosen lassen eine derartige Entwicklung nicht erwarten, sie scheinen aber die Unternehmen nicht zu überzeugen. Denn zum einen werden Wachstumsprognosen ständig nach unten revidiert. Zum anderen versäumen es viele Marktbeobachter und selbst die EZB nicht, immer wieder auf die vielfältigen Unsicherheiten zu verweisen. Auch der schon lange anhaltende Konjunkturaufschwung wird als Risiko für eine Korrektur genannt. Ist dies berechtigt, oder ist diese Phase nicht eher ein Indiz für eine weiterhin stabile Entwicklung im nächsten Jahr?
Dauer der Konjunkturerholung: nur bedingt ein Indikator für Rezessionswahrscheinlichkeit
Konjunkturzyklen sind die Folge von Überinvestitionen und bzw. oder einer überhitzten Wirtschaft, die mit einer geldpolitischen Straffung einhergehen. Die Dauer eines Konjunkturaufschwungs ist damit durchaus ein Indikator für eine Korrektur, da die zeitliche Länge ein Indiz für überzogene Erwartungen, Überinvestitionen bzw. eskalierende Lohnerhöhungen ist. Die Korrektur erfolgt in der Regel nicht aufgrund unerwarteter Entwicklungen, sondern basiert auf Enttäuschungen über Investitionsrenditen oder infolge steigender Inflation und damit einer strafferen Geldpolitik. Dabei mag die Geldpolitik auch nicht unbedingt ein Anker der Stabilität sein, sondern eher Quelle der Unsicherheit und so Konjunkturfluktuationen auslösen. Konjunkturzyklen sind deshalb meist endogen, weil der Einbruch durch den vorangegangenen und oftmals überzogenen Aufschwung von Investitionen oder Lohnerhöhungen selbst verursacht wird, was zu sinkenden Profiten führt. Der Abschwung ist dann bereits Teil des Aufschwungs. In diesem Falle kann die Dauer eines Aufschwungs sehr wohl als steigendes Risiko eines Abschwungs gesehen werden. Auch gibt das Ausmaß des Aufschwungs eine Indikation über das Ausmaß des zu erwarteten Abschwungs.
Aktuell gibt es aber weder Anzeichen exzessiver Investitionen, die eine Abkühlung und Rezession nach sich ziehen, noch besteht Anlass zur Sorge, dass Notenbanken überambitioniert an der Zinsschraube drehen werden – weder die Fed noch die EZB. Deshalb ist auch eine inverse Zinskurve aktuell kein Indiz einer bevorstehenden Abkühlung in den USA. Denn diese ist nicht durch eine ambitionierte Zinsstraffung getrieben, sondern eher von negativen Erwartungen der Anleihemärkte.
Ausblick Deutschland – Warum keine Rezession
Gerade in Deutschland wird des Öfteren betont, dass die Wirtschaft seit der Finanz- bzw. Eurokrise keine klassischen Zyklen mehr durchläuft. Als Verursacher dieser Entwicklung wird häufig die EZB betrachtet, die mit niedrigen Zinsen versucht, die Konjunktur zu stabilisieren. Doch es scheint eher das verhaltene Investitionsverhalten zu sein, das eine konjunkturelle Überhitzung verhindert (siehe IKB-Kapitalmarkt-News 5. Dezember 2018). Auch deuten weder Lohnstückkosten noch die allgemeine Inflationsentwicklung auf Anzeichen einer Überhitzung in der Euro-Zone hin. Vielmehr scheint eine nicht ausreichend große Nachfrage ein bestimmendes Thema zu sein. Dies dokumentierten auch die hohen Handelsüberschüsse der Euro-Zone seit der Finanzkrise.
Das deutsche Potenzialwachstum wird gemäß der Gemeinschaftsdiagnose der Forschungsinstitute für die Phase von 1995 bis 2017 auf 1,4 % pro Jahr und für 2017 bis 2023 auf 1,6 % geschätzt. Auf dieser Grundläge würde die deutsche Wirtschaft in 2018 und 2019 (IKB-BIP-Prognose 1,5 % und 1,3 %) unter ihrem Potenzial wachsen. Argumente für eine Abkühlung in Folge einer langen Expansionsphase werden in diesem Zusammenhang eher entkräftet, da bereits 2018 eine leichte Abschwächung stattgefunden hat und aktuelle Prognosen das Gleiche für 2019 erwarten lassen. Doch viel entscheidender ist die Tatsache, dass die Fluktuation des deutschen-BIP-Wachstums seit der Finanzkrise deutlich geringer ausgefallen ist als zuvor, und dass es somit keine Anzeichen eines volatilen Zyklus zu geben scheint. Dies bedeutet:
- Ein Wirtschaftswachstum unter Potenzial führt nicht unweigerlich in eine Rezession
- Eine zunehmende Wachstumsdynamik führte zuletzt zu keinem Boom und zu keiner Überhitzung
- Die Dauer eines Aufschwungs ist kein Maßstab für die Wahrscheinlichkeit einer Abkühlung
Fazit
Die Stimmungseintrübung der deutschen Wirtschaft setzt sich auf breiter Front fort. Hinzu kommt die Sorge, dass nach Jahren des stabilen bzw. hohen Wirtschaftswachstums eine Korrektur immer unausweichlicher werden könnte.
Doch eine deutliche Abkühlung im nächsten Jahr bleibt unwahrscheinlich, auch wenn die Wirtschaft bereits 2018 unter ihrem Potenzial gewachsen sein wird. Denn ein klassischer Konjunkturzyklus ist seit der Finanzkrise aufgrund des eher zurückhaltenden Investitionsverhaltens nicht zu beobachten. Auch die aktuelle Abkühlung und die schon lange anhaltende Phase des Aufschwungs deuten nicht auf eine bedeutende und unausweichliche Korrektur hin.
Das Risiko für das Jahr 2019 resultiert weniger aus der Konjunkturdynamik selbst, sondern aus möglichen einschneidenden Ereignissen. Die größte Gefahr für die deutsche Konjunkturentwicklung bleibt aus Sicht der IKB der Brexit. Die IKB erwartet im nächsten Jahr ein BIP-Wachstum für Deutschland von 1,3 %.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
Hinterlasse einen Kommentar