[Kapitalmarkt-News vom 24. Mai 2023]
Fazit: Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft trübt sich ein, insbesondere bei den Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe. Vor dem Hintergrund der geldpolitischen Straffung und herausfordernder Rahmenbedingungen für Unternehmensgewinne ist dies nicht überraschend, und so dürfte sich die Stimmung auch in den kommenden Monaten verschlechtern.
Die IKB erwartet zunehmend ein generell herausforderndes Umfeld, vor allem für konjunktursensitive Industriebranchen, und geht von einer stagnierenden Konjunktur im Gesamtjahr 2023 aus, gefolgt von einem nur moderaten Wachstum im Jahr 2024.
Aktuelle Einkaufsmanager-Umfragen bestätigen, was sich durch die geldpolitische Straffung schon länger andeutet: Die Stimmung im Produzierenden Gewerbe kühlt sich ab. Zum einen aufgrund der schwachen Auftragslage, die Angebotsprobleme wie Lieferengpässe zunehmend in den Hintergrund rückt. Zum anderen aber auch wegen des aufkommenden Drucks auf die Gewinnmargen. Denn die schwache Nachfrage erschwert bzw. verhindert eine Weitergabe der hohen Kosten. Zwar mögen Einfuhrpreise die Kostenlage aktuell entspannen; aber Lohnerhöhungen und der daraus resultierende Druck auf die Lohnstückkosten bauen sich gerade erst auf. Dies gilt vor allem, weil die abkühlende Nachfrage kaum Produktivitätswachstum erlaubt.
Die Diskussion über „Gierflation“ ist aus verschiedenen Gründen unangebracht. Zum einen haben Preiserhöhungen im Umfeld einer robusten Nachfrage und von Angebotsengpässen im Jahr 2022 wenig mit Gier zu tun. Vielmehr sind sie ein notwendiger Anpassungsprozess, um Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen. Zum anderen hat sich die Situation bereits deutlich verändert. So sinkt aktuell die Erzeugerpreisinflation stärker als es der Kostendruck aus Importpreisen und Lohnstückkosten andeuten würde. Deshalb wird in den kommenden Monaten die Inflation auch nicht nur aufgrund von Basiseffekten weiter deutlich sinken. Es ist vor allem der Preisbildungsprozess aufgrund einer sich abschwächenden Nachfrage, der den Inflationsdruck dämpfen wird. Sinkende Rohstoffpreise bzw. Energiekosten sollten sich zudem vor dem Hintergrund einer schwachen Nachfrage in nachlassenden Erzeugerpreisen niederschlagen und den Rückgang der Inflationsrate beschleunigen. Auch die Nahrungsmittelinflation, die oft als „gefühlte“ Inflation gilt, wird nachgeben. Deren Erzeugerpreise haben spürbar nachgelassen und die Preise sind sogar absolut gefallen. Dies sollte sich in den kommenden Monaten in einem spürbaren Rückgang der VPI-Inflationsrate für Nahrungsmittel zeigen (siehe IKB-Kapitalmarkt-News 16. Mai 2023).
Das Verarbeitende Gewerbe steht vor schweren Zeiten (siehe auch IKB-Kapitalmarkt-News 23. Mai 2023). Zum einen wird die Produktion mangels Nachfrage nachlassen, zum anderen können Preise deswegen kaum erhöht werden, und letztendlich wird im Umfeld steigender Löhne Margendruck entstehen. Somit werden alle Treiber für Unternehmensgewinne belastet. Die Stimmung im Dienstleistungssektor scheint hingegen weiter überwiegend positiv auszufallen (s. Abb. 1), auch wenn der Unterschied zum Verarbeitenden Gewerbe beim ifo Geschäftsklima weniger deutlich hervortritt. Überraschend ist die bessere Stimmung der Dienstleister nicht. Schließlich ist das Verarbeitende Gewerbe um einiges konjunktursensitiver als viele Dienstleistungssektoren.
Das ifo Geschäftsklima, das seit sechs Monaten aufwärtsgerichtet war, hat sich im Mai klar eingetrübt und signalisiert – angesichts der aktuellen und erwarteten Rahmenbedingungen – eine Trendwende für die deutsche Wirtschaft. Die aktuelle Lage bewerteten die Unternehmen dabei nur leicht schlechter; der Teil-Index sank lediglich um 0,2 Punkte. Dagegen haben sich die Geschäftserwartungen deutlich eingetrübt; dieser Teil-Index sank um 3,6 Zähler. Es ist davon auszugehen, dass sich in den kommenden Monaten auch die Lagebeurteilung verschlechtern dürfte. Grundsätzlich dürfte sich in den kommenden Monaten die Stimmung der deutschen Unternehmen weiter verschlechtern, angetrieben durch das Verarbeitende Gewerbe. Zudem dürften steigende Lohnkosten auch bei Dienstleitungsunternehmen die Stimmung belasten.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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