[Kapitalmarkt-News vom 24. Juni 2024]
Fazit: Die Verbesserung der Stimmung in Deutschland verläuft frustrierend schleppend, am aktuellen Rand hat sich das ifo Geschäftsklima sogar leicht verschlechtert. Aber Deutschland braucht eine spürbare Stimmungsaufhellung, um die Investitionsbereitschaft der Unternehmen zu verbessern. Nur so ist eine erfolgreiche Transformation möglich. Dies gilt gerade für die energieintensive Industrie. Anders als häufig argumentiert wird, ist ihr Verbleib am Standort Deutschland absolut entscheidend für eine erfolgreiche Transformation zu mehr Nachhaltigkeit. Schließlich kommt laut Schumpeter vor der Zerstörung erst die Schöpfung!
Für die deutsche Konjunktur zeigen sich zunehmend Signale für eine Erholung. Die Stimmung der Unternehmen hat sich seit Jahresbeginn in der Tendenz aufgehellt. Jüngste PMI-Werte für die Euro-Zone zeigen jedoch, dass die Aufholung weiterhin eher schleppend vorankommt und spürbare Impulse nach wie vor fehlen. Auch das ifo Geschäftsklima hat sich im Juni leicht eingetrübt. Dabei wird die Lage von den meisten Unternehmen nach wie vor schlecht bewertet. Die Geschäftserwartungen haben sich ebenfalls nach vier Anstiegen in Folge verschlechtert, in der Tendenz haben sie sich aber in den letzten Monaten aufgehellt. Dazu dürfte zum einen die allmähliche Konjunkturaufhellung auf den deutschen Absatzmärkten des Verarbeitenden Gewerbes beigetragen haben. Zum anderen haben die Energiekosten für Industrieunternehmen ihren Abwärtstrend fortgesetzt. Vor diesem Hintergrund legte in den letzten Monaten die Produktion der energieintensiven Branchen wieder deutlich zu und konnte sich am aktuellen Rand stabilisieren – wenn auch auf einem niedrigen Niveau.
Die energieintensiven Branchen in Deutschland stehen weiterhin vor großen Herausforderungen, denn hohe Energiepreise werden ein Wettbewerbsnachteil bleiben und die Konjunkturerholung wird nicht ausreichen, um der lokalen Produktion spürbaren Auftrieb zu geben (siehe auch IKB-Kapitalmarkt-News vom 17. Mai 2024). Vor diesem Hintergrund stellt sich die berechtigte Frage: Haben energieintensive Branchen in Deutschland eine Zukunft? Volkswirte argumentieren hierzu häufig, dass strukturelle Anpassungen – also die Auslandsverlagerung oder das Aufgeben von deutschen Produktionsstätten – zugelassen werden müssen. Strukturwandel darf nicht verhindert werden, und Wertschöpfungen, die international nicht wettbewerbsfähig sind, dürfen nicht unterstützt werden. Schließlich liegt Deutschlands Wettbewerbsvorteil nicht in der energieintensiven Produktion, sondern eher in der höheren Wertschöpfung.
Vor dem Hintergrund einer nur zögerlichen Investitionsbereitschaft ist solch eine Sichtweise unangebracht, wenn nicht sogar gefährlich. Denn jeglicher Abbau führt nicht automatisch durch Investitionen zu neuen Wertschöpfungspotenzialen, sondern birgt die Gefahr des Verlustes an Wertschöpfung am Standort Deutschland. Gerade bei Investitionen, die unabhängig vom existierenden Kapitalstock getätigt werden, besteht ein hohes Risiko der Abwanderung. Oft wird darauf verwiesen, dass alte Technologien und Branchen dem Neuen weichen müssen – so ist der Wandel der Zeit. Hierbei wird häufig auf Schumpeter verwiesen, der mit dem Konzept der schöpferischen Zerstörung klar den Fokus auf die Schaffung neuer Technologie legt und nicht auf den Erhalt des Alten. Doch der Gedanke der schöpferischen Zerstörung hat zwei Elemente: Zerstörung und Schöpfung. Auch bedarf es zuerst neuer Technologien also Schöpfung, damit alte Technologien oder Branchen ersetzt bzw. zerstört werden. Es ist nicht die Zerstörung die Schöpfung ermöglicht, sondern Schöpfung generiert Zerstörung. Deshalb kann nicht darauf vertraut werden, dass der Abbau der energieintensiven oder etablierten Industriebranchen automatisch zu einer Schöpfung neuer Zukunftsbranchen in Deutschland führt. Hier fehlt es an einer spürbaren Investitionsbereitschaft am Standort Deutschland.
In der Tat braucht Deutschland seine energieintensiven Branchen. Denn nur mit ihnen kann ein erfolgreicher Weg der Transformation gelingen. Deutschland hat sich klar zur Klimaneutralität bekannt. Wertschöpfungsverluste aufgrund der Klimapolitik oder hoher Energiepreise wären allerdings nicht als erfolgreiche Transformation der deutschen Wirtschaft zu bewerten, und eine Verlagerung dieser Industrien ins Ausland dürfte für die Erreichung der globalen Klimaziele ebenfalls nicht hilfreich sein.
Auch liegt gerade bei den energieintensiven Branchen das größte Potenzial für Effizienzsteigerungen bzw. CO2-Einsparungen. Der Grenznutzen ihrer FuE-Tätigkeit ist enorm hoch. Mit den hohen FuE-Aufwendungen könnten sie eine technologische Führungsrolle einnehmen und einen „first mover advantage“ generieren. Praktische Klimapolitik wird durch energieintensive Branchen bestimmt, hier muss FuE ansetzen. Damit ergäbe sich auch für die deutsche Wirtschaft insgesamt ein bedeutendes Effizienzpotenzial bzgl. des CO2-Ausstoßes. Für den Erfolg der Transformation in Deutschland sind geeignete investive Standortbedingungen und Weichenstellungen notwendig. Denn um Unternehmen in eine neue Richtung zu lenken, bedarf es Investitionssicherheit mit Ausblick auf Rendite. Staatliche Förderprogramme können dabei als Anlaufhilfe einen zusätzlichen Beitrag leisten.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
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