Stimmungseintrübung weckt Sorge über Konjunkturdynamik
[IKB-Kapitalmarkt-News vom 23. März 2018] Die Stimmungsindikatoren bleiben auf einem hohen Niveau. So lag der Einkaufsmanager-Index für die Industrie der Euro-Zone (PMI-Index) im März 2018 bei 56,6 Zählern, während der ifo Index für Deutschland 114,7 Punkte aufwies. Beide Werte liegen im historischen Vergleich auf einem hohen Niveau und attestieren der deutschen Wirtschaft eine gute Lage. Allerdings haben sich die Indikatoren von ihren Höchstständen deutlich verabschiedet. So sinkt der PMI-Index seit Januar diesen Jahres, und der Durchschnittswert des ifo Geschäftsklima des ersten Quartals 2018 hat sich im Vergleich zum Durchschnitt des Vorquartals recht deutlich eingetrübt. Da der Erklärungsbeitrag des ifo Index eher in seiner Veränderung als in dem absoluten Niveau liegt, könnten die jüngsten Werte auf eine Wachstumsverlangsamung, wie sie die IKB im zweiten Quartal 2018 erwartet, hindeuten. Auch wenn die Möglichkeit eines Wachstumsrückgangs nicht überbetont werden sollte, so scheint sich zumindest die Einschätzung zu bestätigen, dass eine weitere Beschleunigung der Dynamik unwahrscheinlich ist. Die IKB sieht es deshalb als eher unrealistisch an, dass die deutsche Wirtschaft 2018 mit über 2,5 % zulegen könnte. Ein Wachstum von leicht über 2,0 % scheint durch die Daten eher bestätigt zu werden als eines von über 2,5 %.
EZB hat nachhaltig Einfluss und erhöht fiskalische Diskretion
Die Entwicklung der Frühindikatoren in der Euro-Zone zeigt ein zunehmendes Risiko für eine Wachstumsverlangsamung im Jahr 2018. Droht nun das von vielen und vor allem von deutschen Volkswirten schon lange heraufbeschworene „böse Ende“ in dem Sinne, dass notwendige Korrekturen durch die geldpolitische Ausrichtung der EZB nur verschoben bzw. durch ihre niedrige Zinspolitik noch verschlimmert werden? Die Antwort bleibt weiterhin: Nein. Denn es gibt weder einen Investitionsboom in Folge der niedrigen Zinsen noch eine überschüssige Geldmengenausweitung, die auf Fehlallokationen hindeuten könnten und somit eine sich aufbauende Gefahr für eine deutliche Korrektur darstellen. Ein „Crash“ ist unwahrscheinlich, doch das Argument, dass eine expansive Geldpolitik eine Wirtschaft nicht anhaltend stützen kann, erhält durch die aktuellen Wirtschaftsdaten durchaus Rückenwind. Dies ist kein Argument dafür, dass die EZB keinen nachhaltig positiven Einfluss auf die Wirtschaft hat; denn die EZB sorgt mit Hilfe der niedrigen Zinsen und des relativ schwachen Euro-Kurses für ein positives Investitionsumfeld und damit für den Aufbau von produktivem Kapital bzw. für eine Stärkung des Potenzialwachstums. Sie hat für alle Euro-Staaten die Kapitalmarktrenditen dermaßen gesenkt, dass Länder trotz hoher Schuldenquoten noch auf Jahre niedrige absolute Zinslasten haben werden. Dank des relativ hohen nominalen Wirtschaftswachstums ist dadurch nicht nur die Schuldentragfähigkeit mittelfristig gesichert, die Euro-Staaten gewinnen zudem mehr und mehr ihre fiskalische Diskretion zurück, was das Risiko eines verstärkten konjunkturellen Abschwungs aufgrund fehlender fiskalischer Gegenmaßnahmen deutlich reduziert. Sorgen über eine sich aufbauende Bedrohung und eine erneute Krisenentwicklung in Folge weniger positiver Konjunkturindikatoren und einer Geldpolitik, die am Anschlag zu sein scheint und kaum etwas gegen eine Abkühlung der Wirtschaft ausrichten kann, sind immer weniger angebracht.
Und dennoch ergibt sich trotz der Faktenlage eine reale Gefahr, dass die negativen Einschätzungen durch eine kurzfristige Konjunkturschwäche bestätigt werden, da sie sich zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung entwickeln könnten. Eine konjunkturelle Eintrübung würde dann nicht als eine kurzfristige Schwäche der Dynamik, sondern als Bestätigung für eine geldpolitische Ausrichtung der letzten Jahre interpretiert werden, die keinen nachhaltigen Erfolg hatte. Hier wird häufig erwähnt, dass wegen oder trotz der Geldpolitik der Schuldenberg in den letzten Jahren weiter angestiegen ist. Dabei wird allerdings übersehen, dass die Schuldenquote von Bedeutung ist und nicht der Schuldenstand. Hohe Schuldenquoten sind kein Beweis, dass die Zinsen zu niedrig sind, sondern sie sind ein Beweis dafür, dass die Zinsen zu hoch sind. Hohe Schuldenquoten benötigen niedrige Zinsen, um ihre Tragfähigkeit sicherzustellen. Ist dies nicht gegeben, leidet die Nachfrage und damit das Wirtschaftswachstum, was niedrigere Zinsen zur Folge haben wird. Es lohnt sich hier, noch einmal zu betonen: Es sind nicht die Schuldenquoten, die das Wachstum beeinflussen, sondern das hohe Wachstum führt zu sinkenden Schuldenquoten (s. IKB-Kapitalmarkt-News 30. November 2017).
Mangelnder Investitionsboom als Grund für fehlende Konjunkturzyklen
Die deutsche Wirtschaft wächst seit acht Jahren kontinuierlich, und auch die Euro-Zone ist im fünften Jahr der Erholung. Wo bleiben die Konjunkturzyklen, bzw. sind die Volkswirtschaften nicht schon in einem reifen Stadium des aktuellen Expansionszyklus? Auch diese lange Phase der Erholung wird zum Teil auf eine zu expansive Geldpolitik zurückgeführt, die anhaltend versucht, Neu-Ausrichtungen und Reinigungsprozesse eines exzessiven Investitionsvolumens zu korrigieren. Doch es ist genau umgekehrt: Nicht zu viele Investitionen infolge der Geldpolitik, sondern zu wenige Investitionen sind der Grund für die fehlende Konjunkturvolatilität. Es gibt aktuell keine Konjunkturzyklen, da es die letzten Jahre kein euphorisches Investitionswachstum gegeben hat, das zu einer Korrektur führen würde. Es ist nicht die EZB, die Investitionen auf einem hohen Niveau hält und Korrekturen verhindert. Es hat einfach bis dato kein klassischer Investitionsboom trotz einer außerordentlich expansiven Geldpolitik stattgefunden. Der Grund für den fehlenden Zyklus ist somit nicht die EZB sondern das mangelnde Vertrauen der Investoren, das auch auf die Finanz- und Euro-Krise sowie eine anhaltende Skepsis über die ultimativen Konsequenzen der aktuellen Geldpolitik zurückzuführen ist. So ist in Abb. 2 keine Euphorie des Investitionsverhaltens zu erkennen, die die Grundlage einer konjunkturellen Eintrübung und damit eines Konjunkturzyklus bilden könnte.
Ein fehlender Investitionsboom ist auch ein wichtiges Argument dafür, warum die aktuelle Eintrübung der Indikatoren nicht überbetont und ein deutlicher konjunktureller Abschwung heraufbeschwört werden sollte. Denn die mit einem euphorischen Investitionsverhalten einhergehenden notwendigen Abschreibungen auf Fehlinvestitionen sind im aktuellen Umfeld nicht zu erwarten und stellen somit keine bedeutende Gefahr für die Konjunkturdynamik dar. Im Gegenteil: Viele Euro-Länder haben weiterhin einen hohen Investitionsbedarf, und die Geldpolitik bleibt richtigerweise grundsätzlich unterstützend. Auch deutet die globale Konjunktur mit einem breit aufgestellten Wachstum von Industrie- und Schwellenländern auf ein stabiles Umfeld hin.
Fazit
Frühindikatoren wie das ifo Geschäftsklima oder der Einkaufsmanager-Index der Euro-Zone haben ihre Höchststände verlassen und deuten auf eine Verlangsamung der Wachstumsdynamik in der Euro-Zone und in Deutschland hin. Diese Entwicklung sollte nicht als Indiz für eine bedeutende Abkühlung oder für eine falsche bzw. ineffektive geldpolitische Ausrichtung der letzten Jahre gesehen werden. Denn es gab im Vorfeld trotz der expansiven geldpolitischen Ausrichtung keinen Investitionsboom in Deutschland oder in der Euro-Zone, der aktuell eine Gefahr für eine Wachstumskorrektur darstellen würde. Der fehlende Investitionsboom ist auch ein Grund dafür, dass seit der Finanz- und Euro-Krise der klassische Konjunkturzyklus weniger stark ausgeprägt ist. Die IKB erwartet weiterhin eine moderate Abkühlung der deutschen Wachstumsdynamik im zweiten Quartal 2018 und ein deutsches BIP-Wachstum von 2,3 % für das Gesamtjahr 2018.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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