[Kapitalmarkt-News vom 6. Februar 2020]

Die Festlegung von CO2-Grenzwerten dürfte die deutsche Industrie vor erhebliche Herausforderungen stellen. Die Einhaltung der Grenzwerte stellt zwar kurzfristig kein Wachstumsrisiko für die Industrieproduktion dar, weil der Einbruch der Industrieproduktion im Jahr 2019 ein Wachstum in den Jahren 2020 und 2021 ermöglicht, ohne dass die Emissionsgrenzwerte überschritten werden.

In den Folgejahren ist die Einhaltung der Grenzwerte allerdings kaum mit industriellem Produktionswachstum vereinbar. Denn obwohl die CO2-Emissionen im Verhältnis zur Industrieproduktion über die Jahre deutlich gesunken sind, reicht dieser aktuell nachlassende Rückgang nicht aus, um die Einhaltung der CO2-Grenzwerte selbst bei moderatem Wachstum langfristig sicherzustellen.

Global agierende Unternehmen mag dies weniger belasten, da sie die Produktion verlagern können. Der Industriestandort Deutschland muss allerdings einen dynamischeren Rückgang der CO2-Emissionen vollziehen, wenn die Klimaziele erreicht werden bzw. in keinem Konflikt zum industriellen Produktionswachstum stehen sollen. Hierzu sind effektivere Anpassungsanreize erforderlich. Es fehlt vor allem an einem preisbildenden CO2-Handel für alle Industriebranchen.

Einfluss des Klimapakets auf die Konjunktur: Angebot versus Nachfrage

Die Bundesbank hat in ihrem Monatsbericht vom Dezember 2019 die Auswirkungen des Mitte November verabschiedeten Klimapakets auf das Wirtschaftswachstum und die Inflation analysiert. Höhere Energiepreise infolge des verpflichtenden Erwerbs von CO2-Zertifikaten erhöhen demnach die Inflationsrate und setzen die realen Löhne unter Druck, was die Kaufkraft und somit den privaten Konsum dämpfen könnte. Im weiteren Verlauf wird dies zu höheren Lohnforderungen führen und so die internationale Wettbewerbsfähigkeit belasten, was sich negativ auf die deutschen Exporte auswirken dürfte. Mehrausgaben aus dem Energie- und Klimafonds könnten sich hingegen positiv auf die Konjunktur auswirken – entweder direkt in Form höherer Staatsausgaben oder indirekt durch Investitionsanreize, die zu zusätzlichen privaten Investitionen führen. Für die Realwirtschaft ergeben sich somit gegenläufige Effekte. Gemäß Bundesbank-Schätzungen sind durch das Klimapaket kumuliert keine bedeutenden Wachstumsimplikationen für die drei Jahre 2020 bis 2022 auszumachen. Die Inflationsrate sollte hingegen in den Jahren 2021 und 2022 vor allem aufgrund der höheren Energiekosten um rund 0,25 bzw. 0,3 Prozentpunkte zulegen.

Die Simulation der Bundesbank berücksichtigt vor allem die Nachfrageseite der Wirtschaft. Was das Umweltpaket für die Angebotsstruktur der Wirtschaft bedeutet, steht weniger im Fokus. Doch für die mittelfristige Perspektive des Produktionsstandortes Deutschland mag dieser Aspekt von größerem Interesse sein. Denn nicht nur die Energie- und Lohnkosten werden steigen; die Bundesregierung hat zudem für alle Wirtschaftssektoren konkrete CO2-Grenzwerte für die kommenden Jahre definiert. Hieraus könnten sich weitere Kosten in Form von Strafzahlungen oder zusätzlichen Käufen von CO2-Zertifikaten ergeben, und die Investitionsdynamik am Standort Deutschland könnte sich deutlich verändern. Entscheidend wird hierbei sein, in welchem Maße diese Grenzwerte als bindend anzusehen sind. Das hängt auf der einen Seite von der zu erwarteten Industrieproduktion der kommenden Jahre ab, auf der anderen von den zu erwartenden Konsequenzen bei einer Überschreitung.    

Verstoß gegen Grenzwerte und die Notwendigkeit von flexiblen CO2-Preisen 

Sind die Grenzwerte für die Industrie bindend, werden sie einen Anpassungsprozess der Wirtschaft zur Folge haben. Dieser Prozess kann technologische Innovationen, Produktionsrückgänge, höhere Preise der produzierten Güter oder Produktionsverlagerungen ins Ausland beinhalten. Die CO2-Grenzwerte für Sektoren und damit für die Wirtschaft insgesamt stellen das verfügbare CO2-Angebot dar. Dieses ist vorbestimmt bzw. – volkswirtschaftlich gesagt komplett unelastisch. Steigende Preise würden demnach nicht das Angebot erhöhen, es sei denn, die Regierung würde sich genötigt sehen, den durch Preisanstiege induzierten Anpassungsprozess durch veränderte höhere Grenzwerte abzumildern, indem sie im europäischen Handel CO2-Emissionzuweisungen zukauft. Sofern die Bundesregierung keine Emissionszuweisungen hinzukauft, ist bei Produktionsausweitungen mit deutlichen Preisanstiegen und damit einem schnellen Anpassungsprozess zu rechnen, vor allem, wenn die Volkswirtschaft insgesamt die Grenzwerte erreicht und alle Sektoren den CO2-Handel zur Erreichung ihrer Grenzwerte nutzen müssen. Im Idealfall würden die Grenzwerte durch Emissionshandel eingehalten.  

Ist das Volumen durch Grenzwerte festgelegt, muss der Preis Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht bringen. Aktuell wird jedoch neben den Grenzwerten auch der CO2-Preis vorgegeben und erst ab 2026 abhängig von Angebot und Nachfrage bzw. in einer Bandbreite definiert. Auch sind nicht alle Sektoren der Industrie vom CO2-Handel betroffen. Wie noch zu erläutern ist, werden die Grenzwerte jedoch ohne verändernde Maßnahmen der Industrie bereits relativ schnell erreicht bzw. überschritten werden. Aus diesem Grund wäre die kurzfristige Einbindung der Industrie in den CO2-Handel wünschenswert, vor allem, damit sich durch Angebot und Nachfrage eine freie und faire Preisgestaltung von CO2-Zertifikaten bilden kann. So könnte die Einhaltung der angestrebten Grenzwerte glaubwürdig und transparent erreicht werden.

Ohne effektive Preissignale bedarf es weiterer Maßnahmen, um die Grenzwerte einzuhalten. Die aktuelle Gesetzgebung ist jedoch eher vage, konkrete Konsequenzen bei einer Überschreitung der Grenzwerte werden nicht genannt. Das KSG schlägt allerdings in § 8, Absatz 1 vor, entsprechende Maßnahmen zu definieren. Der Ball liegt also beim Staat, die Einhaltung der in Abb. 1 dargestellten Grenzwerte bleibt zunächst ungewiss.

Risiko der Grenzwerte für die Industrie: Es muss etwas passieren!

Der historische CO2– Ausstoß der wirtschaftlichen Sektoren zeigt zyklische und auch strukturelle Dynamiken. So waren die CO2-Emissionen der Industrie bis ins Jahr 2000 im Trend rückläufig, seitdem sind sie jedoch eher stabil. Gleichzeitig deuten Fluktuationen auf Konjunktureinflüsse hin – vor allem bei konjunktursensitiven Sektoren. Dies lässt sich in Abb.1 am Emissionsrückgang 2009, aber auch am Anstieg seit 2015 erkennen. Empirische Analysen bestätigen, dass die CO2-Emissionen der Industrie sowohl konjunkturelle als auch strukturelle Treiber aufweisen. In welchem Maße könnten die aktuellen Grenzwerte für die Industrie effektive Wachstumshürden darstellen und somit Anreize für Innovation bieten, aber auch Risiken bergen, wie höhere Kosten oder internationale Wettbewerbsverluste für den Standort Deutschland?

Die CO2-Emissionen sind im Verhältnis zur Industrieproduktion über die Jahre deutlich gesunken; pro Produktionseinheit der Industrie ist immer weniger CO2 ausgestoßen worden. Der Rückgang dieser sogenannten CO2-Intensität ist allerdings nicht linear. Auch scheint das Verhältnis zwischen CO2-Ausstoß und -Produktion seit 2011 relativ stabil. Empirische Analysen bestätigen das. Reicht also die aktuelle Dynamik der CO2-Intensität aus, einen höheren CO2-Ausstoß bei einer wachsenden Industrieproduktion zu vermeiden?

Gemäß Bundesbank sollte das Klimapaket keinen bedeutenden Einfluss auf die Konjunktur der kommenden Jahre haben. Doch wie ist der Einfluss der Grenzwerte auf die Industrie einzuschätzen? Im Jahr 2018 hat die deutsche Industrie ca. 196 Mio. Tonnen CO2 ausgestoßen. 2019 ist die Industrieproduktion von Verarbeitendem Gewerbe und Bau im Vergleich zum Vorjahr um rund 3,5 % zurückgegangen. Gemäß IKB-Schätzungen sollte damit der prozentuale Rückgang des CO2-Ausstoßes im vergangenen Jahr bei über 6 % gelegen haben – vor allem aufgrund dieses Produktionsrückgangs der Industrie. Deshalb dürfte der CO2-Grenzwert von 186 Mio. Tonnen im Jahr 2020 nicht erreicht werden, obwohl der Grenzwert 10 Mio. Tonnen unter dem ausgestoßenen Niveau des Jahres 2018 liegt. Lediglich ein Produktionsanstieg von über 4 % im Jahr 2020 würde das Klimaziel gefährden und zu einer Überschreitung des Grenzwerts führen – eine eher unwahrscheinliche Entwicklung. Somit ergibt sich aus dem aktuellen CO2-Grenzwert kurzfristig keine Gefahr für das Klimaziel und damit kein Wachstumsrisiko bzw. Anpassungsbedarf für die Industrie.

Innovationen sind naturgemäß kaum zu prognostizieren. Wie der mittelfristige Anpassungsprozess der deutschen Industrie infolge der Einführung der Grenzwerte sein wird, lässt demnach viel Raum für Spekulation. Dass Innovationen aber stattfinden müssen, um mittelfristig die Grenzwerte einhalten zu können, darüber besteht wenig Zweifel. Denn die aktuelle Dynamik beim Rückgang der CO2-Intensität reicht nicht aus, um mittelfristig gleichzeitig das zu erwartende Produktionswachstum und die Einhaltung der Grenzwerte zu ermöglichen. So ist eine Einhaltung der Grenzwerte ab 2022 nur mit einem niedrigeren Produktionsniveau in Einklang zu bringen (Abb. 3). Notwendig ist also eine deutlich stärker sinkende CO2-Intensität. Anders ausgedrückt: Die Grenzwerte werden mittelfristig erreicht werden, und die Frage wird unausweichlich aufkommen, was sich am Ende anpassen wird – die deutsche Industrielandschaft oder die Grenzwerte. Da es kurzfristig keine effektive Preisanreize durch den CO2-Handel gibt, besteht zudem die Gefahr, dass die Einhaltung der Grenzwerte eine zunehmende Intervention des Staates mit sich bringt.

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