[Kapitalmarkt-News vom 15. März 2021]

Fazit: Wirtschaftswachstum und Klimaschutz werden oft als Gegensätze betrachtet. Der Drang nach Wachstum zerstöre die Umwelt, so das zentrale Argument.

Doch ist es nicht umgekehrt? Ohne Wachstum gibt es keine gewinnbringenden Investitionsmöglichkeiten und damit keinen Wandel hin zu einer klimaneutralen deutschen Industrie. Für Investitionen am Standort Deutschland ist vor allem das globale Wachstum entscheidend, schließlich liegen die Hauptabsatzmärkte des deutschen Verarbeitenden Gewerbes im Ausland. Ziel der Wirtschafts- und Klimapolitik in Deutschland muss es demnach vor allem sein, angebotsseitige Anreize zu schaffen, damit das hohe globale Wachstum zunehmend durch Investitionen in Deutschland bedient wird. Das kann nur funktionieren, wenn der Investitionsstandort Deutschland international attraktiv ist und bleibt – auch um Akzente für die globale Klimapolitik zu setzen.

Ein deutlich höherer CO2-Preis, der durch Marktkräfte bestimmt wird, wäre in Kombination mit einer allgemeinen Senkung der Unternehmenssteuer ein erster Ansatz. 

Um die Folgen des Klimawandels abzumildern will Deutschland bis zum Jahr 2050 weitgehend treibhausgasneutral werden. Für das deutsche Verarbeitende Gewerbe beinhaltet dies tiefgreifende Veränderungen, da die Industrie ein bedeutender Verbraucher fossiler Brennstoffe ist und zudem Güter wie Kraftfahrzeuge herstellt, die aktuell einen zusätzlichen nennenswerten CO2-Ausstoß verursachen. Jede Industriebranche hat vom Staat konkrete Vorgaben bekommen, wieviel CO2 sie in den kommenden Jahren ausstoßen darf, bzw. wie hoch die CO2-Reduktion sein muss. Die Hoffnung, dies ohne Produktionsrückgänge und damit Wertschöpfungsverlusten am Standort Deutschland zu erreichen, beruht auf technologischem Fortschritt und erfordert somit bedeutende Investitionen in neue Technologien.

Regulierung und höhere Kosten für CO2-Emissionen sollen dazu führen, diese Veränderung voranzutreiben. Auch Steuern und Anreize sollen das lokale Konsumverhalten ändern. Eine veränderte lokale Nachfrage, aber vor allem angebotsseitige Auflagen bzw. höhere Produktionskosten benötigen enorme Investitionen, um den Industriestandort klimaneutral zu formen. Die enorme Notwendigkeit zu investieren ist bereits in den letzten Jahren zu erkennen, besonders in der Automobilindustrie. Denn auch wenn die Profitabilität vieler kleiner Automobilzulieferer schon länger unter Druck ist, blieb ihre Investitionsquote dennoch hoch und hat sogar weiter zugelegt.

Klimapolitik forciert Investitionen – doch in welches Land?

Ein treibhausneutrales Deutschland erfordert tiefgreifende Investitionen, auch damit Geschäftsmodelle erhalten bleiben bzw. erfolgreich angepasst werden können. So steht grundsätzlich eine Investitionsentscheidung an – und damit auch eine Entscheidung für oder gegen den Produktionsstandort Deutschland. Vor allem aufgrund des stärkeren globalen Wachstums sind zudem Investitionen in Auslandskapazitäten deutscher Unternehmen notwendig. Die Frage ist, welcher Teil der globalen Wertschöpfungskette auf den Industriestandort Deutschland zukünftig fallen wird. Sind es vor allem übliche Investitionen in Forschung und Entwicklung oder auch Investitionen in klimaneutrale Produktionsprozesse und Kapazitäten? Lohnt es sich zu investieren, um einen Produktionsprozess klimaneutral zu gestalten, oder ist die Investition im Ausland – und damit die Abwanderung von weniger klimafreundlichen Produktionsprozessen lohnender? Hier sind nicht nur die Klimaziele entscheidend, sondern das Gesamtpaket der Rahmenbedingungen, welche die Wirtschaftspolitik hinsichtlich Planungssicherheit, Kostenvorteile bzw. Investitionsanreize bietet.

Aufgrund der internationalen Arbeitsteilung und der Globalisierung von Produktionsketten spezialisiert sich Deutschland schon seit Jahren auf eine höhere Wertschöpfung – angesichts des niedrigen deutschen Potenzialwachstums eine notwendige Entwicklung. Diese Entwicklung könnte durch die Klimaziele einen weiteren Schub bekommen. Dies gilt vor allem dann, wenn sich Klimaauflagen in einzelnen Ländern unterscheiden, bzw. die globale Nachfrage weniger sensitiv auf Klimaziele reagiert als diejenige in Deutschland. So würde der deutsche Industriestandort klimaneutraler werden, weniger aufgrund innovativer Produktionsprozesse, sondern eher durch Spezialisierung. Dies würde den Klimawandel nicht unbedingt aufhalten. Außerdem wird das globale Wirtschaftswachstum vor allem von Asien und nicht Europa getrieben. Wachstumsmärkte und damit großes Investitionspotenzial liegt deshalb außerhalb Europas.

Krisen erschweren Planungssicherheit – und verhindern damit private innovative Investitionen

Auch wenn die Klimaneutralität langfristig neue profitable Geschäftsmodelle bringen wird, entstehen kurzfristig erst einmal hohe Kosten. Denn entweder steigen infolge von Umweltauflagen die Produktionskosten; oder Unternehmen müssen für neue Technologien und Innovationen Kapital für Investitionen in die Hand nehmen. Und auch wenn die Vorteile einer klimaneutralen Produktion für alle zu erkennen sind, fehlt es kurzfristig an positiven ökonomischen Investitionsanreizen. Umweltauflagen schaffen negative Anreize. Sie zwingen zwar zu Investitionen – aber nicht unbedingt am Produktionsstandort Deutschland.

Auch wenn diese Investition langfristig vor allem für die Gesellschaft insgesamt Sinn machen, fehlt es aus unternehmerischer Sicht oftmals an Planungssicherheit. Nach drei Krisen in 15 Jahren ist es Unternehmen nicht zu verübeln, wenn ihre Investitionsentscheidungen vor allem vom kurzfristigen Ausblick getrieben werden. Langfristige Prognosen haben sich nach Finanz-, Euro- und Coronakrise als wenig zielführende Anker erwiesen. Das Investitionsverhalten ist deshalb eher von der aktuellen Lage als von langfristigen Opportunitäten getrieben. Die Krisen haben eine gewisse Zurückhaltung bei Investitionen in fundamental neue und erst langfristig profitable Technologien mit sich gebracht. Laut Bundesbank wird diese Aversion vor neuen Technologien durch den demografischen Wandel in Deutschland noch verstärkt – vor allem wenn der Kunde nicht bereit ist, hierfür einen höheren Preis zu zahlen. Die Krisen haben nämlich gelehrt, dass aktuelles Wachstum und damit volle Auftragsbücher als Treiber für Investitionen entscheidender sind. Somit bedarf es eines anhaltend robusten Wirtschaftswachstums und klaren klimapolitischen Rahmenbedingungen, damit Investitionen nach Deutschland gelenkt werden. Es ist wie mit einem Auto, dass eine neue Richtung einschlägt – nur wenn das Auto rollt, kann man es steuern. Wachstumspolitik ist somit ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Klimapolitik.

Ist das Ziel, die Industrie mit Hilfe von Investitionen am Produktionsstandort Deutschland neu auszurichten, bedarf es einer Wirtschaftspolitik, die trotz der Klimaauflagen einen ausreichend attraktiven Standort bietet. Der Industriestandort Deutschland muss sich mit den neuen Klimaauflagen hinsichtlich seiner Rentabilität im internationalen Vergleich behaupten. Das gilt nicht nur für Klimaauflagen, sondern betrifft grundsätzlich jeden Aspekt der Wirtschaftspolitik. Die letzten Jahre lief es eher in eine andere Richtung: Unsicherheit über die Klimapolitik, ein steigender Arbeitnehmerentgeltanteil am Volkseinkommen sowie im internationalen Vergleich hohe Unternehmenssteuern belasten grundsätzlich die Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland. Die Rahmenbedingungen für eine private Investitionsoffensive hin zu einer klimafreundlicheren Wertschöpfung sind deshalb aktuell eher suboptimal.

Was treibt Investition?

In Deutschland wird schon seit vielen Jahren von einem Investitionsstau gesprochen. Staat sowie Privatsektor scheinen nicht genug zu investieren. Dies gilt vor allem deshalb, weil mit dem demografischen Wandel die Notwendigkeit eines höheren Kapitalbedarfes pro Arbeitnehmer wächst. Doch was ist der entscheidende Treiber für Investitionen? Empirische Analysen zeigen, dass Wirtschaftswachstum der deutlich dominantere Treiber für Investitionen und Kreditnachfrage ist als das Zinsniveau. Deshalb ist der aktuelle Anstieg der Bundrenditen auch wenig zu beachten, wenn es darum geht, Implikationen für die Realwirtschaft abzuleiten. Zinsen haben einen gewissen Einfluss, wenn sie deutlich gesenkt werden können. Beim aktuellen Zinsniveau sind bedeutende Zinssenkungen jedoch nicht möglich. Was allerdings ebenfalls einen gewissen Einfluss zu haben scheint, sind Risikoprämien und Bonitätseinschätzungen von Unternehmen. Belasten wirtschaftliche Rahmenbedingungen Unternehmensprofitabilität und Bonität, wirkt sich dies negativ auf die Kreditnachfrage und damit auf private Ausrüstungsinvestitionen aus. In den letzten Jahren waren es vor allem große, global aufgestellte Unternehmen, die stabile Bilanzen und Bonitäten gezeigt haben und weniger solche, die vom Produktionsstandort Deutschland abhängig sind. Doch gerade diese großen Unternehmen verfügen über eine breite Auswahl an Investitionsstandorten.

Die konjunkturelle Unsicherheit der letzten Jahre hat die überragende Bedeutung von Wachstum als Investitionstreiber noch weiter erhöht. Wenn es das Ziel ist, die Zinssensitivität und damit die Attraktivität von KfW-Förderprogrammen zu erhöhen, muss diese Unsicherheit reduziert werden. Klare Rahmenbedingungen, attraktive Renditen und vor allem stabile Wachstumserwartungen würden die Investitionskreditnachfrage zunehmen lassen. Doch das Wachstum des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland wird vor allem durch Exporte und damit durch globales Wachstum getrieben. Die lokale Nachfrage wird mittelfristig immer weniger entscheidend sein, während globale Standortüberlegungen immer bedeutender werden. Ziel von Wirtschafts- und Klimapolitik in Deutschland muss demnach vor allem sein, angebotsseitige Anreize zu schaffen, damit das hohe globale Wachstum zunehmend durch Investitionen in Deutschland bedient wird. Es gilt also, Investitionsanreize in Deutschland zu generieren. Denn nur das kann ausreichende Impulse liefern, um die lokale Industrie klimaneutral auszurichten. Wünschenswert ist jedoch nicht nur die Verwendung von lokalem sondern auch von globalem Kapital: Globale Investoren sollten sich trotz bzw. zunehmend aufgrund klimafreundlicher Technologien entscheiden in Deutschland zu investieren. Deutschland wäre dann nicht nur Vorbild in Sachen Umweltbewusstsein, sondern vor allem als attraktiver Investitionsstandort. So würde Deutschland auf globaler Ebene einen Beitrag für den Klimawandel schaffen – auf der Angebots- und der Nachfrageseite.

Doch wie kann das erreicht werden? Die lokale und globale Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland muss im Kontext der Klimaziele bewahrt bzw. ausgebaut werden. Dabei spielen die dafür notwendigen Investitionen eine wesentliche Rolle. So sollten zum Beispiel CO2-Preise deutlich steigen und nicht selektiv gegensubventioniert werden. Der Klimaschutz braucht ein effektives Marktpreissignal. Gleichzeitig sollten die höheren Kosten durch eine niedrigere allgemeine Unternehmenssteuer kompensiert werden, um den Wettbewerbsstandort Deutschland grundsätzlich zu stärken. In Kombination würde dies klare Anreize für klimafreundliche Investitionen bieten und die Notwendigkeit von immer mehr Regulierung verringern. Geht es darum, Veränderungen tatkräftig voranzutreiben, darf der Fokus nicht auf Regulierung und negativen Anreizen liegen, sondern sollte sich auf globale Wachstumsimpulse zur dynamischen Veränderung der deutschen Wirtschaft konzentrieren.

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