Nervosität angesichts von sich ausweitendem US-Haushaltsdefizits und Fed-Zinsanhebungen
[IKB-Kapitalmarkt-News vom 15. Februar 2018] Die Märkte sind über das sich ausweitende US-Haushaltsdefizits besorgt. So interpretieren einige Kommentatoren die aktuell steigenden US-Renditen als Vertrauensverlust der Zinsmärkte in die Tragfähigkeit der US-Verschuldung. Auch wird befürchtet, die USA könnten aufgrund ihrer hohen Verschuldung an Glaubwürdigkeit gegenüber der internationalen Gemeinschaft verlieren. Nicht nur die als prozyklisch angesehene Politik von Trump schürt die Diskussionen zusätzlich, sondern auch eine Fed, die womöglich schneller als aktuell erwartet auf die Bremse treten muss und so die Zinsen nach oben treibt. Doch sind Zweifel an der US-Schuldentragfähigkeit infolge steigender Zinsen tatsächlich angebracht?
Steigende Renditen – keine Belastung für die US-Schuldenquote
Renditen können grundsätzlich aus zwei Gründen zulegen – als Reaktion auf eine entsprechende Geldpolitik bzw. Inflationsentwicklung oder aufgrund höherer Risikoprämien –, wenn die Märkte mit einer zunehmenden Ausfallwahrscheinlichkeit rechnen. Letzteres ist häufig bei Schwellenländern mit hohen Schuldenquoten und großen Haushaltsdefiziten der Fall; auch deshalb, weil viele Schwellenländer ihre Defizite von Staatshaushalt und der Leistungsbilanz über Fremdkapital finanzieren. Empirisch lässt sich eine entsprechende Entwicklung für die USA allerdings kaum überzeugend belegen. Dort besteht eine eindeutig negative Beziehung zwischen Zinsen und Schuldenquote: Hohe Zinsen gehen mit einer niedrigeren Schuldenquote einher; steigt die Schuldenquote hingegen, ist dies mit niedrigeren Zinsen verbunden. Beides ist konsistent mit der Sichtweise, dass eine hohe Schuldenquote und niedrige Zinsen das Ergebnis eines schwachen Wirtschaftswachstums sind. Gemäß volkswirtschaftlicher Regeln müsste eine zunehmende Schuldenquote zu höheren Zinsen führen, da es Verdrängungseffekte gibt und die Zinsen bei einer konstanten realen Geldmenge steigen müssen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen (Crowding-out-Effekt). In der Realität ist die Geldmenge jedoch in erster Linie abhängig von der Notenbank und wird durch diese aktiv – falls notwendig, auch massiv – ausgeweitet. Dies war zurzeit der Euro-Krise nicht anders. Die Zinsen sind in Folge der schwachen Wirtschaftsdynamik und des daraus folgenden Anstiegs der Schuldenquoten dank der EZB-Politik deutlich gesunken.
Für ein Land, dessen Glaubwürdigkeit nicht in Frage steht, weil die eigene Notenbank mit dem Monopol der Geldschöpfung ausgestattet ist, können steigende Zinsen in der Regel nicht die Schuldentragfähigkeit des Staates gefährden. Legen die Zinsen aufgrund anziehender Inflation zu, ist dies verbunden mit einem stärkeren Wirtschaftswachstum, das zu einer sinkenden Schuldenquote führen wird. Steigt die Schuldenquote infolge einer schwachen wirtschaftlichen Dynamik, wird die Geldpolitik mangels Inflationsdruck die Zinsen niedrig halten. Schuldenquote und Zinsen werden nicht gleichzeitig steigen; selbst aktuell nicht, wo befürchtet wird, dass sich das US-Defizit bei guter konjunktureller Entwicklung ausweitet, während die Inflationsdynamik auf mehrere Fed-Zinsschritte hindeutet und die US–Wirtschaft womöglich Überhitzungstendenzen zeigen könnte. Auch die IKB erwartet für 2018 drei Zinsschritte der Fed. Doch hebt diese die Zinsen nachhaltig in Folge steigender Inflation an, so deutet dies auf ein hohes nominales BIP-Wachstum, was die Schuldenquote senken wird. Auch hier scheinen die empirischen Schätzungen eindeutig: Verbessert sich das Wirtschaftswachstum, sinkt die US-Schuldenquote. Doch was ist mit der Möglichkeit, dass sich das Haushaltsdefizit ausweitet und dennoch kein zusätzliches Wachstum generiert wird? Dann werden die Zinsen dementsprechend niedrig bleiben. Allerdings deuten Schätzungen darauf hin, dass sich der Einfluss der Wirtschaftsdynamik auf die Schuldenquote seit der Finanzkrise im Vergleich zu den vorigen Jahrzehnten eher verstärkt zu haben scheint. Sprich: Ein Prozentpunkt mehr Wirtschaftswachstum führt zu einer stärkeren Senkung der Schuldenquote, als dies vor der Finanzkrise der Fall war. Manche Analysten prognostizieren auch für 2019 drei Zinsanhebungen, erwarten aber gleichzeitig ein BIP-Wachstum in den Vereinigten Staaten von unter 2 %. Sollte sich diese Wachstumsprognose bewahrheiten, wird die Fed vor allem mit Blick auf 2020 keine drei Zinserhöhungen im nächsten Jahr vornehmen. Die IKB rechnet eher mit sinkenden US-Leitzinsen im Jahr 2020, als mit anhaltenden Anstiegen in den kommenden Jahren.
Zuweilen wird argumentiert, eine hohe bzw. steigende Schuldenquote belaste das Wirtschaftswachstum, da damit eine ineffiziente Allokation von Ressourcen verbunden sei: Der Staat investiert anstelle des Privatsektors. Doch auch hier fehlt es an überzeugenden empirischen Beweisen. So wird zwar behauptet, ab einer gewissen Schuldenquote werde die Wirtschaftsdynamik negativ beeinflusst. Ab wann eine solche Entwicklung eintreten könnte, ist aber alles andere als sicher. Dass Griechenland mit einer Schuldenquote von rund 180 % des BIP dieses Niveau überschritten hat, mag plausibel sein. Ob dies ebenfalls für eine US-Schuldenquote von rund 100 % gilt, ist deutlich weniger wahrscheinlich. Doch ist angesichts des soliden US-Wirtschaftswachstums überhaupt eine Ausweitung des Haushaltsdefizits angebracht? Aktuell steht die Trump-Regierung in der Kritik, trotz guter Konjunktur die Schuldenquote durch Stimulierungsmaßnahmen kurzfristig nach oben zu treiben und somit eine prozyklische Politik zu verfolgen. Doch ob dies in der Tat der Fall ist, hängt von der Interpretation der Daten ab. Die US-Wirtschaft ist 2017 um 2,3 % gewachsen und damit schwächer als die der Euro-Zone (2,5 %). Auch bleiben angesichts einer anhaltend niedrigen Erwerbsquote, trotz einer geringen Arbeitslosenquote von 4,1 %, viele Ressourcen in den USA ungenutzt.
Schuldentragfähigkeit: seit der Jahrtausendwende anhaltend gute Rahmenbedingungen
Die Sorge, die USA könnten bald ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, ist unbegründet. Die Fed hat das Monopol der Geldschöpfung – die Frage ist eher, was der US-Dollar bei Fälligkeit der Zahlung noch Wert sein könnte. Doch grundsätzlich ist es nicht das Zinsniveau, das den Wert einer Währung spiegelt, sondern das relative Wachstumspotenzial des Landes. Wie unterscheiden sich diesbezüglich die USA zum Beispiel von Ländern in der Euro-Zone, bei denen tatsächlich die Zinsen infolge eines Vertrauensverlustes stiegen und deren Schuldentragfähigkeit im Umfeld der Wirtschaftskrise sowie steigender Haushaltsdefizite nicht sichergestellt war? Den entscheidenden Unterschied machte die aktive US-Notenbankpolitik, während die EZB erst mit deutlicher Verzögerung eine angesichts der Wirtschaftslage jedoch notwendige geldpolitische Neuausrichtung einschlug.
Falls die Chinesen weniger US-Staatspapiere kaufen und deshalb die Renditen anfänglich steigen, so würde dies einer geldpolitischen Straffung gleichkommen und somit die Wahrscheinlichkeit für Fed-Zinsanhebungen in den Jahren 2018 und 19 reduzieren. Ergibt sich durch einen reduzierten chinesischen Bedarf gleichzeitig eine US-Dollar-Schwäche, würde dies der geldpolitischen Straffung entgegenwirken und die Inflationsrate bzw. das nominale BIP-Wachstum stützen.
Entscheidend ist die Schuldentragfähigkeit und nicht die Höhe der Schuldenquote. Allerdings spielt auch das Haushaltsdefizit eine wichtige Rolle, und wie die Euro-Zone gezeigt hat, kann ein sich ausweitendes Haushaltsdefizit in Kombination mit schwachem Wirtschaftswachstum durchaus die Zinsmärkte bewegen und somit die Schuldendynamik weiter verschlechtern; zumindest so lange, bis die Notenbank eingreift. Doch für die USA hat sich die Schuldentragfähigkeit aufgrund der Zins- und Wachstumsdynamik der letzten Jahre verbessert: So liegt der effektive Zinssatz des Staates seit der Finanzkrise kontinuierlich unter dem nominalen BIP-Wachstum, was der US-Regierung Handlungsspielraum gibt. Abb. 2 zeigt, dass die USA keinen anhaltenden Primärüberschuss (Einnahmen minus Ausgaben ohne Zinszahlungen) benötigen, um ihre Schuldenquote zu stabilisieren. Die effektive Zinsrate des Staates liegt aktuell bei unter 2,5 %, während die US-Renditen weiter nach oben tendieren. Doch auch wenn sie, wie erwartet, in Kürze die 3 %-Marke erreichen bzw. durchbrechen und der effektive Zinssatz des Staates in den nächsten Jahren ebenfalls steigen sollte, wird dieser auch noch in den kommenden Jahren unter dem nominalen BIP-Wachstum liegen. Mit einer Inflationsrate zwischen 2 und 3 % sowie einem realen BIP-Wachstum ähnlicher Größe sollte die US-Wirtschaft nominal um 5 % zulegen. Zudem dürfte der Preisanstieg des BIP-Deflators kurzfristig höher liegen als der Anstieg des Verbraucherpreisindex, der importierte Güter beinhaltet. Denn steigende Lohnstückkosten sollten für die Preisentwicklung der lokalen Produktion wichtiger sein als für den Verbraucherpreisindex, der ein hohes Maß an importierten Gütern berücksichtigt. So wird die US-Regierung auf Sicht keine bedeutenden fiskalischen Sparmaßnahmen für die Sicherstellung ihrer Schuldentragfähigkeit vornehmen müssen.
Fazit
Die Stimulierungsmaßnahmen der US-Regierung werden zunehmend kritisch betrachtet. Es wird argumentiert, sie würden prozyklisch wirken, zu steigenden Zinsen führen und so die Tragfähigkeit der bereits hohen US-Verschuldung gefährden.
Ein schwaches Wirtschaftswachstum mit gleichzeitig steigender Schuldenquote und ambitionierten Zinsanhebungen der Fed wird sich allerdings nicht ergeben. Denn steigen die Zinsen, ist dies ein Indiz für ein robustes US-Wirtschaftswachstum, das wiederum die Schuldenquote senken wird. Verpufft hingegen die Wirkung der Trumpschen Steuer- und Konjunkturpläne relativ schnell, sind deutliche Zinsanhebungen vor allem 2019 unwahrscheinlich.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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