[Healthcare, Pharma, Chemicals-Information vom 11. Februar 2022]
Nachhaltige Finanzierungsthemen sind auf dem Vormarsch. Anleihen, Schuldscheindarlehen, Kredite: Immer mehr Investoren und Banken interessiert ein Bezug zu ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance), da sie bei Finanzierungen verstärkt auf das Thema Nachhaltigkeit achten. Daneben steigt der regulatorische Druck, beispielsweise durch die Entwicklung der EU-Taxonomie. Basierend auf den Zahlen von Capital Monitor wurden im vergangenen Jahr weltweit allein 1.099 grüne, soziale und nachhaltige Anleihen in Höhe von 497,7 Mrd. USD begeben. Dies ist ein beachtlicher Anstieg im Vergleich zum Jahr 2020 mit 1.005 Emissionen (+9 %) und einem Volumen von 397 Mrd. USD (+25 %). In Europa wurden 2021 insgesamt 543 nachhaltige Anleihen aufgelegt, gefolgt von Asien-Pazifik mit 335 und Nordamerika mit 165. Süd- und Mittelamerika sowie der Nahe Osten lagen mit 35 bzw. 21 Deals zurück. Auch gemessen an den Volumina dominierte Europa: emittiert wurden Anleihen in Höhe von 308,2 Mrd. USD, gehandelt wurde in einer Größenordnung von 567,6 Mio. USD.
Bisher stehen Energieunternehmen und Immobilienentwickler bei solchen Emissionen an vorderster Front, da diese Sektoren einen enormen CO2-Fußabdruck haben. In Folge der Covid-19-Pandemie engagieren sich allerdings langsam zunehmend auch Akteure des Gesundheitswesens in diesem Markt. Das Augenmerk liegt dort naturgemäß stärker auf der sozialen Komponente.
Warum zögern Unternehmen aus der Healthcarebranche noch?
Ein Grund dafür, dass die Unternehmen des Gesundheitswesens nur zögerlich nachhaltige Finanzierungen aufnehmen, sind die Herausforderungen, die das Ziel Nr. 3 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, die sogenannten Sustainable Development Goals, kurz SDG beinhalten. Dieses Ziel beinhaltet, ein gesundes Leben zu gewährleisten und das Wohlbefinden zu fördern. Die Herausforderung dabei ist, für diesen Zweck messbare Soziale Leistungsindikatoren (KPI) zu entwickeln, an denen sich dann auch die Finanzierungskosten orientieren. Dies ist eine komplexere Angelegenheit als bei Umweltzielen, die in Bezug auf Emissionen und Abfallmanagement leichter zu definieren, zu quantifizieren und zu überwachen sind.
Realisierte Beispiele aus dem Jahr 2021
Dass das Thema dennoch Fahrt aufnimmt, zeigen folgende europäische Beispiele aus dem vergangenen Jahr:
Der französische Betreiber von Altenpflegeeinrichtungen, Korian, begab eine ewige grüne Anleihe im Wert von 200 Mio. £ und darüber hinaus einen Social Bond über 300 Mio. € mit einer siebenjährigen Laufzeit.
Der schwedischen Gesundheitsdienstleister Medicover lancierte den ersten Social Corporate Schuldschein in Höhe von 277 Mio. € mit Laufzeiten zwischen fünf und zehn Jahren, der den Markt für zweckgebundene Emissionen mit sozialer Ausrichtung eröffnete.
Die meisten Aktivitäten waren jedoch auf dem Markt für nachhaltige Darlehen zu verzeichnen. Anfang Februar 2021 nahm der französische Krankenhausbetreiber Elsan, der sich im Besitz der Private-Equity-Firmen Ardian und KKR befindet, ein siebenjähriges Darlehen in Höhe von 1,6 Mrd. € auf. Hier hängt die Marge von der Patientenzufriedenheit, der Verringerung medizinischer Abfälle und der Qualität des Arbeitslebens der Mitarbeiter ab.
Ende April unterzeichnete Ramsay Santé ein nachhaltigkeitsgebundenes Darlehen in Höhe von 1,45 Mrd. €. Die vereinbarten KPI lauten: die Patientenzufriedenheit jedes Jahr auf Basis von offiziellen Befragungen um 0,5 Prozentpunkte zu steigern sowie die Entwicklung von gemeindenahen Pflegediensten für unterversorgte Teile der Bevölkerung in Frankreich und Schweden aufzubauen. Darüber hinaus soll in Frankreich damit begonnen werden, direkte und pensionierte Mitarbeiter in ein präventives Gesundheitsprogramm einzubeziehen mit dem Ziel, bis 2027 alle aktiven und pensionierten Mitarbeiter zu erfassen. Außerdem soll eine Reduzierung der Scope-1- und -2-Kohlendioxidemissionen in den französischen Krankenhäusern von Ramsay um 2 % pro Jahr gelingen, ausgehend vom Basisjahr 2019. Ramsay will dieses Ziel durch die Renovierung von Gebäuden, die Installation von Sonnenkollektoren und die Optimierung des Heiz- und Kühlbedarfs erreichen. Ein anspruchsvolles Unterfangen, denn die Herausforderung bei Krankenhäusern ist, dass der Stromverbrauch der Großgeräte aufgrund höherer Leistungsfähigkeit kontinuierlich angestiegen ist.
Ende Mai vereinbarte der finnische private Gesundheitsdienstleister Mehiläinen, der zum britischen Private-Equity-Unternehmen CVC Capital Partners gehört, ein vierjähriges Darlehen über 1,06 Mrd. €. Die Zinsmarge ist an den Qualitätsindex der Altenpflege, den Zugang zu nicht dringenden Behandlungen in den öffentlichen Gesundheitszentren von Mehiläinen und die CO2-Emissionen des Unternehmens gebunden.
Auch ein Beispiel aus Deutschland gibt es: Anfang Juli haben der deutsche Gesundheitskonzern Fresenius und seine Tochter Fresenius Medical Care jeweils ein nachhaltigkeitsorientiertes Darlehen im Wert von 2 Milliarden € abgeschlossen. Die Darlehen haben eine Laufzeit von fünf Jahren plus zwei Verlängerungsoptionen um je ein Jahr und sind an das erzielte Sustainability-Rating des Unternehmens gekoppelt.
Positiver Ausblick
Der Anfang im Gesundheitswesen ist mit den genannten Beispielen gemacht. Wir erwarten in den nächsten Jahren, dass sich ESG-linked-Finanzierungen weiter durchsetzen und auch soziale Komponenten eine immer größere Rolle spielen werden. Dafür spricht unter anderem, dass nachhaltige Finanzierungskomponenten flexibel in fast jedem Finanzierungsinstrument umsetzbar sind.
Johanna Eckert-Kömen betreut als Direktorin im Sektorteam Consumer, Retail, Logistics & Health der IKB insbesondere Unternehmen aus den Branchen Healthcare Services, Medizintechnik, Pharma sowie Kosmetik und ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank. Nach dem Studium der Volkswirtschaft an der Universität des Saarlandes stieß sie bereits 1991 zur IKB.
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